Service Management Praxis: Wie geht Service Portfolio Management?

Man spricht schon lange von Portfolios in der IT, und die Praxis hat sich z.B. beim Projekt-Portfolio-Management schon vielfach durchgesetzt. Natürlich kann man die Idee auch auf das Thema Services anwenden. Unser Kursleiter Markus Schweizer zeigt, wie.

Autor Markus Schweizer
Datum 25.06.2014
Lesezeit 7 Minuten

Man spricht schon lange von Portfolios in der IT, und die Praxis hat sich z.B. beim Projekt-Portfolio-Management schon vielfach durchgesetzt. Natürlich kann man die Idee auch auf das Thema Services anwenden.

ITIL® hat sich dem Thema schon 2007 in der Version 3 angenommen; allerdings war der Ansatz etwas sehr akademisch und deshalb kaum von praktischem Nutzen. Das allgemein etwas verunglückte «ITIL® Service Strategy»-Buch wurde für die Version 2011 stark überarbeitet und der Service-Portfolio-Management-Prozess wurde vervollständigt, aber leider hat man das Kernkonzept des Luehrman-Ansatzes (siehe unten) nicht verändert und damit das Ziel verfehlt: Portfolios sollten eigentlich der Illustration von komplexen Zusammenhängen dienen und damit strategische Entscheide bezüglich der Portfolio-Subjekte (Projekte, Applikationen, Services, Risiken, Technologien, Skills etc.) erleichtern, indem man strategische Faktoren wie Investitionen, Rentabilität, Risikoexposition, Marktanteile etc. zueinander in Relation setzt.

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Das ITIL®-Kursportfolio von Digicomp gehört zu den umfangreichsten am Schweizer Markt – sowohl thematisch als auch bezogen auf die monatlich stattfindenden Kurse. Ob Sie Einsteiger sind und sich einen Überblick über ITIL® verschaffen wollen oder eine Zertifizierung anstreben: Für jeden ist der geeignete Kurs dabei.

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Der Ursprung

Die Urmutter des Portfolio-Ansatzes in der Business Strategy ist wohl die Boston Consulting Group Matrix, die Produkte nach deren Positionierung bezüglich Marktanteil und Marktwachstum beurteilt und sie damit in die bekannten vier Quadranten «Cash Cows», «Stars», «Dogs» und «Questions Marks» unterteilt.

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©Boston Consulting Group

Diese Darstellung ist leicht verständlich und kann als Diskussionsgrundlage für strategische Entscheide dienen, die dann bei genügender Informationslage auch durch mathematische Modelle untermauert werden können.

Was sagt ITIL®?

ITIL® versucht sich an einer sehr ambitionierten Variante eines Portfolio-Tools, das auf den Ideen von Luehrman beruht. Der Gedanke Luehrmans, dass Strategieumsetzung keine lineare Extrapolation in die Zukunft sein darf, sondern flexibel sein muss und stetig Handlungsoptionen neu bewerten sollte, sind zwar wegweisend, doch bezweifle ich, dass sein Portfolio aus sechs Bereichen (‹Tomato Garden›) für das Management von Services sinnvoll anwendbar ist:

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©«Tomato Garden», Timothy A. Luehrman, Harward Business Review

Erstens fehlen im Service Management vielfach detaillierte Finanzkennzahlen, um eine solche Analyse sinnvoll durchführen zu können, und zweitens sind die Handlungsoptionen eines IT Service Providers vielfach sehr eingeschränkt, sodass sich der Aufwand für das Erstellen eines solchen Portfolios kaum rechtfertigen lässt. Das gilt ganz sicher für Service Provider vom Typ I und II, aber auch Service Provider vom Typ III (unabhängige) haben oft nicht die absolut freie Wahl im Service-Angebot, Marktraum oder Kundensegment.

Wozu brauchen wir also ein Service Portfolio?

Egal welcher Typ von Service Provider wir sind, wir müssen unser Service-Angebot nach verschiedenen Kriterien beurteilen können. Je nach Maturitätslevel und Ausrichtung des Service Providers muss ein Service Portfolio auch im Kontext eines Anwendungsportfolios (Lizenz-, Betriebs- und Unterhaltskosten, Release-Frequenz etc.) und eines Kundenportfolios (Grösse, Wachstumspotenzial, Marktsegment etc.) betrachtet werden, um Fragen nach Relevanz, Rentabilität, Kosten, Investitionen, Kritikalität von Services etc. nachgehen zu können. ITIL® 2011 liefert eine gute Liste von Bewertungskriterien, die neben den rein finanziellen auch andere Dimensionen berücksichtigt:

  • Mission imperatives
  • Compliance
  • Trends
  • Intangible benefits
  • Strategic or business fit
  • Social responsibilities
  • Innovation

Auch für die möglichen Schlüsse, die aus einem Service Portfolio gezogen werden können, liefert ITIL® 2011 eine gute Klassifizierung:

  • Retain/build
  • Replace
  • Rationalize
  • Refactor
  • Renew
  • Retire

Eine einfache Darstellung

Es stellt sich nun die Frage, wie man ein geeignetes Portfolio zur Bewertung der Service-Population bauen kann. Ein Portfolio sollte immer einfache Illustration von Zusammenhängen sein. Zwecks Verständlichkeit empfehle ich die zwei-dimensionale Vier-Quadranten-Lösung, wie sie schon in der BCG-Matrix verwendet wird:

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Die wichtige Entscheidung ist nun, welche Kriterien man für die beiden Achsen wählen sollte. Dies richtet sich normalerweise nach der spezifischen Situation und Absicht, die man mit der Darstellung erreichen möchte. Meist repräsentiert eine Achse eine monetäre Dimension (Kosten, Umsatz etc.) und die andere ist dann frei zuzuordnen: Risiken, Compliance, strategischer Wert, Skills-Inventar etc.

Ein praktisches Beispiel

Zum Abschluss möchte ich ein kleines praktisches Beispiel zeigen, bei dem Mithilfe eines Applikationsportfolios eine Anwendungsstrategie für ein Bundesamt entwickelt wurde.

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Als Dimensionen wurden hier einerseits die Total Cost of Ownership über vier Jahre und andererseits die Geschäftskritikalität gewählt, die sich als Indexwert zusammensetzt aus Bedrohung für Leib und Leben, Reputationsrisiken und finanziellen Risiken.

Dieses Portfolio bildet die Basis für die Zuordnung von Ressourcen zu Projekten, Priorisierung von Projekten, Budgetierung, Release-Planung und Lieferanten- und Betreibermanagement. Während die Applikationen im roten Bereich einem umfassenden und regelmässigen Controlling unterstellt sind, werden die Apps im blauen Bereich vor allem auf ihre Kosten hin optimiert. Apps im gelben Bereich werden vor allem bezüglich Verfügbarkeit verbessert und im grünen Bereich wird nur Lizenz-Management betrieben.

Dieses Anwendungs-Portfolio wurde über zwei Jahre von einem einfachen Anwendungsinventar zu einer umfangreichen Applikationsdatenbank. Durch Hinzufügen von immer mehr Attributen aus verschiedensten Dimensionen wie IT-Architektur, Security, Risikomanagement und Betreibermanagement wurde ein reichhaltiger Datenbestand für umfassende Auswertungen geschaffen.

In gleicher Weise muss auch ein Service Portfolio entstehen: Aus dem Kern eines einfachen Service-Katalogs kann mit dem schrittweisen Hinzufügen von zusätzlichen Attributen mit der Zeit ein strategisches Service Portfolio entstehen.


Über den Autor

Markus Schweizer

Markus Schweizer ist Digicomp Trainer, ITIL®- und Cobit®-Experte und Strategie-Berater bei Plat4mation für alle Belange des IT-Managements. Zuvor arbeitete er für IBM und PwC und verbrachte er neun Jahre in den USA, wo er Grossfirmen beim Einsatz von Service-Management-Konzepten beriet. Seine Beratungsschwerpunkte sind IT Business Management, interne Digitalisierung, Governance und SIAM.