Sind ITIL® Prozesse überflüssig?

Wer die ITIL® 4 Bücher aufschlägt kann jedenfalls lange nach Prozessen suchen. Stattdessen finden sich jetzt Praktiken und Value Streams. Haben die altbewährten Incident-, Problem- und Change-Management-Prozesse ausgedient? Mitnichten.

Autor Markus Schweizer
Datum 01.09.2022
Lesezeit 6 Minuten

Seit der Veröffentlichung von ITIL® 4 gab und gibt es immer noch viel zu reden. Insbesondere über den Umstand, dass ITIL® 4 kaum mehr von Prozessen spricht, sondern nun 34 Practices beschreibt, mit denen sich Value Streams bilden lassen.

An der Notwendigkeit, grundsätzliche Abläufe im IT Service Management zu dokumentieren, um sie dann zu kommunizieren und zu automatisieren, hat sich jedoch nichts geändert. 

Mit diesem Blogbeitrag möchte ich etwas Klarheit schaffen, wie sich die Praxis nach 3 Jahren ITIL® 4 eingespielt hat und vor allem auch aufzeigen, dass Investitionen in Prozesse nicht obsolet sind. (Lesen Sie auch: ITIL® 4 in der Praxis)

Prozessoptimierung durch Value Stream Mapping

Der Schlüssel zum besseren Verständnis von den Unterschieden und den Gemeinsamkeiten von Values Streams und Prozessen kommt aus Lean: 

Value Stream Mapping ist eine Lean-Methode zur Prozessverbesserung. Und zwar muss die Verbesserung der Prozesse auf den Kunden des Prozesses ausgerichtet sein. Nur die Tätigkeiten in der Ausführung von Prozessen, die einen Mehrwert für den Kunden erschaffen, sollten tatsächlich ausgeführt werden, alles andere ist Verschwendung oder reine Bürokratie. 

Genau hier haben sich in den letzten 15 Jahren (das Zeitalter von ITIL® 3 und GRC) einige Fehlentwicklungen ergeben, die einerseits dem Ruf von ITIL® («ITIL Konformität ist wichtiger als gesunder Menschenverstand») geschadet haben und andererseits durch ein oft zu rigides Verständnis von Compliance («Einhalten der Regeln ist wichtiger als Mehrwert für den Kunden»), die IT in ein inflexibles Bürokratie-Monster verwandelt haben. 

Gerade in der IT als klassischer Dienstleister muss ein klarer Unterschied zwischen rigiden, mechanischen Prozessausführungen (algorithmische Abläufe) und kundenorientierten, mehrwertfokussierten Verfahren gemacht werden, die flexibel, oft aus einem heuristischen Ansatz heraus, ausgeführt werden sollen. 

Agilität und DevOps haben hierzu wichtige Beiträge geliefert. ITIL® 4 verlangt nun auch für den IT-Betrieb und den Kundensupport flexiblere, stetig anpassbare und verbesserbare Verfahren.

Ist das nun das Todesurteil für unsere bewährten ITIL®Prozesse im Incident-, Problem- und Change-Management?  Die Antwort ist ganz klar und sogar zweimal Nein! 

Die neuen ITIL® Praktiken entsprechen den alten ITIL® Prozessen

Zwar spricht ITIL® 4 jetzt von Practices, die Inhalte sind jedoch weitgehend deckungsgleich mit den Prozessbeschreibungen in ITIL® V3. (Die Practices sind übrigens nicht Bestandteil der ITIL® 4 Bücher, sondern sind als kostenpflichtige Downloads auf Axelos.com verfügbar.) 

Die Dokumentation der Practices orientiert sich an den 4 Dimensionen von ITIL® 4 und liefert umfangreiche Informationen zu Rollen und Verantwortlichkeiten, Metriken, spezifischen Abläufen (nun «Prozesse» genannt), Tools und zum Einbinden von Partnern und Lieferanten.

Prozesse bleiben wichtig, sie müssen aber flexibel und kundenorientiert sein

Ob wir unsere nach wie vor notwendigen Verfahren zur Unterstützung unserer Kunden nun Prozesse, Practices oder Value Streams nennen, ist letztlich nicht entscheidend. Wichtig ist, dass wir alle dasselbe darunter verstehen und davon ausgehend ein neues Verständnis für den Umgang mit diesen Konzepten entwickeln.

Nach wie vor brauchen wir gut dokumentierte, visualisierte Abläufe, die wir automatisieren, messen, zuordnen und kontrollieren bzw. nachvollziehen können. 

Nur müssen wir uns stets bewusst sein, dass sich diese Abläufe stetig verändern können und müssen und dass ein Service-Management-Prozess dem Kunden dienen muss und kein Selbstzweck sein kann!

Fazit

Als Strategieberater unterstütze ich laufend Kunden bei der Entwicklung von Prozessen und Value Streams. Dabei stehen oft die elementaren Themen im Vordergrund: Umgang mit Störungen, Kundenbedürfnissen und Kundenerwartungen. Dabei empfehle ich zwei Grundsätzen zu folgen, um für künftige, oft gar nicht absehbare Entwicklungen agil und flexibel zu bleiben:

  1. Wirkung steht vor Perfektion bei der Definition der Abläufe. 
  2. Beim Umsetzen auf ein Tool, die vorhandene, meist ITIL®-nahe Funktionalität nutzen ohne viel Engineering- und Customizing-Aufwände. 

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Über den Autor

Markus Schweizer

Markus Schweizer ist Digicomp Trainer, ITIL®- und Cobit®-Experte und Strategie-Berater bei Plat4mation für alle Belange des IT-Managements. Zuvor arbeitete er für IBM und PwC und verbrachte er neun Jahre in den USA, wo er Grossfirmen beim Einsatz von Service-Management-Konzepten beriet. Seine Beratungsschwerpunkte sind IT Business Management, interne Digitalisierung, Governance und SIAM.