Enterprise Service Management – von der IT ins Unternehmen

Die Verarbeitung von Service Requests in der IT hat mittlerweile tool‐ und prozessbezogen eine solche Reife und Funktionalität erreicht, dass diese Konzepte einfach auf andere Bereiche für interne Services angewendet werden können.

Auteur Markus Schweizer
Date 19.09.2016
Temps de lecture 6 Minutes

In meinem Blogbeitrag «IT Service Management wird zum Integrated Digital Service Management» habe ich beschrieben, wie sich Service Management wandelt – getrieben durch Technologie und Ausdehnung der Service‐Lieferketten über das Unternehmen hinaus.

In diesem Beitrag möchte ich eine weitere Dimension beschreiben, in der sich Service Management ausdehnt – wiederum getrieben durch Technologie und Anwendung von Erfahrungen und Best Practices ausserhalb des angestammten Bereichs der IT: Die Verarbeitung von Service Requests in der IT hat mittlerweile tool‐ und prozessbezogen eine solche Reife und Funktionalität erreicht, dass diese Konzepte einfach auf andere Bereiche für interne Services angewendet werden können.

Vom Service Request Management zum Enterprise Service Management

Wir kennen die klassischen Anwendungsbereiche von Service Requests: Der Benutzer braucht eine zusätzliche Software, z.B. MS Project. Er kann dies heute meistens bequem in einem Service-Portal anfordern. Im Hintergrund orchestriert die Service-Management-Lösung dank flexiblen Schnittstellen und Workflow‐Fähigkeiten die dazu notwendigen Abläufe: Zunächst wird das Approval beim Vorgesetzten eingeholt, danach wird das Lizenzinventar geprüft und schliesslich wird die Softwareverteilung angestossen. Am nächsten Morgen findet der Mitarbeiter die Software auf seinem PC installiert.

Solche Abläufe, die nicht eigentliche Business-Prozesse sind, sondern häufig quer dazu verlaufen, gibt es in jedem Unternehmen zuhauf: Ich möchte für einen besuchenden Kunden einen Parkplatz, einen Besucherbadge und einen Meetingraum reservieren und Kaffee bereitgestellt haben. Häufig braucht es dafür mehrere Telefonanrufe, E‐Mails und Anwendungsaufrufe. Ein Portal, in dem ich dies alles an einem Ort vollautomatisiert erledigen kann, wäre natürlich viel eleganter.

Der klassische Fall ist hier das On‐und Off‐Boarding von Personal: Bei einer Neuanstellung müssen in unterschiedlichen Abteilung verschiedene Abläufe angestossen werden, damit ein Mitarbeiter am Tag 1 seiner Anstellung schon produktiv arbeiten kann. HR muss die Stammdaten anlegen und die Ausbildung buchen, Gebäudemanagement muss dann den Zutrittsbadge programmieren, das Telefon auf‐ und den Netzwerkanschluss freischalten; schliesslich muss die IT den Laptop konfigurieren und die Zugriffsberechtigungen freigeben. Viele dieser Vorgänge basieren heute noch teilweise auf Papierformularen oder sind in heterogenen, disjunkten Systemen abgebildet.

Die Service Factory

Mit einer Kombination aus soliden Prozessen und einer modernen Service-Management-Lösung kann das in der IT eingespielte Service Request Management auf das ganze Unternehmen als eine ‹Service Factory› ausgedehnt werden, wie folgende Grafik zeigt:

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Die fünf Fertigungsprozesse der Service Factory entsprechen den fünf Lifecycle-Phasen von ITIL:

Service-Katalog (=Service Strategy): Service‐Kandidaten müssen identifiziert und nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden (siehe Realisierung). Hier muss auch sichergestellt werden, dass die Infrastruktur von Zulieferservices (Netzwerk, Datenbank, Middleware etc.) vorhanden ist.

Service Experience (=Service Design): Der Service muss End‐User‐gerecht aufgebaut und angeboten werden können. Die Service- Management-Plattform muss dazu ein entsprechendes User Interface für den Browser und möglichst auch einfach zu bedienende Apps für mobile Geräte zur Verfügung stellen.

Service Delivery (=Service Transition): End User Services wie z.B. das oben beschriebene ‹On‐ Boarding› von neuen Mitarbeitern sind meist interdisziplinär und laufen über verschiedene Business-Anwendungen (HR, Gebäude-Management, IT, Finance). Die Service-Management-Plattform muss dafür flexible Schnittstellen und Workflow‐Funktionen anbieten.

Service Assurance (= Service Operation): Mit dem Einsatz von Monitoring-, Betriebs‐ und -Automatisierungstools muss sichergestellt werden, dass die Service-Lieferung der Kundenerwartung entspricht.

Service Analysis (= Continual Service Improvement): Durch den Einsatz von Analyse-Werkzeugen und Big- Data-Techniken können Leistung, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Service-Erbringung laufend verbessert werden. Das Portfolio der angebotenen Business Services kann damit auch laufend optimiert werden.

Realisierung

Für den Erfolg des Enterprise Service Managements ist es wichtig, ein paar Grundsätze zu beachten:

  • Für die Automatisierung von Geschäftsabläufen gibt es eigentlich einen klaren Business Case: Qualität und Geschwindigkeit des Ablaufs verbessern sich enorm. Allerdings gerät dieser rasch in Schieflage, sobald man die Kosten für das Tool dazu rechnet! Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sich solche Automatisierungen nur lohnen, wenn auf ein schon bestehendes Tool zurückgegriffen werden kann. Die Eignung des Service Desk Tools muss deshalb dafür genau geprüft werden. Oder anders herum betrachtet: Bei der Evaluation einer neuen Service-Desk-Lösung kann der Aspekt ESM einbezogen werden und damit den Business Case für die neue Lösung unterstützen.
  • Bei der Identifikation von möglichen Service-Kandidaten muss die zu erwartende Menge der Abläufe realistisch eingeschätzt werden. Nur eine substantielle Zahl von Abläufen rechtfertigt die Automatisierung.
  • Bei der Ausgestaltung der Abläufe muss konsequent die Pareto‐Regel angewendet werden: Nur die 20% häufigsten Fälle automatisieren, Spezialfälle und Ausnahmen sollten in der Regel weiterhin manuell erledigt werden.
  • Die Funktionalität moderner Service-Management-Lösungen kann durchaus mit ehemaligen Groupware-Lösungen mithalten. Das könnte ein möglicher, neuer Migrationspfad für lästige, aber immer noch unentbehrliche Lotus-Notes‐ und Groupwise‐Applikationen sein.

Fazit

Moderne Service-Desk-Lösungen – vor allem solche aus der Cloud – bieten Chancen, Service Management auf Unternehmensebene und sogar darüber hinaus zu heben. Sie scheinen das Versprechen von Workflow- und Collaboration‐Tools auf eine ganz andere Weise endlich einlösen zu können, die Effizienz interner Abläufe erheblich zu steigern!


A propos de l'auteur

Markus Schweizer

Markus Schweizer est formateur Digicomp, expert ITIL® et Cobit ainsi que consultant en stratégie chez DXC Technology pour toutes les questions de gestion des technologies de l’informatique. Auparavant, il a travaillé pour IBM et PwC et a passé neuf ans aux États-Unis où il a conseillé des grosses entreprises dans le déploiement de concepts de gestion de services. Il est spécialisé en gestion d’entreprises informatique, en numérisation interne, en gouvernance et en SIAM.