Fachkräftemangel: So gewinnen Sie den War of Talents

Schon The Clash fragte «Should I stay or should I go»? Jetzt überlegt laut einer aktuellen McKinsey-Studie jeder Dritte, den Job zu wechseln. Was die Ursachen sind und wie Unternehmen Talente anziehen und halten können. 

Autor Digicomp
Datum 16.02.2022
Lesezeit 6 Minuten

Die Zahlen der McKinsey-Studie sind erschreckend: Über 19 Millionen US-Angestellte haben seit April 2021 bereits ihren Job gekündigt – und 40 Prozent der befragten Mitarbeitenden aus Australien, Kanada, Grossbritannien und den USA gaben an, in den kommenden Monaten kündigen zu wollen – ein Phänomen, das sich laut den Studienautoren fortsetzen wird. McKinsey nennt es die «Great Attrition», die grosse Abwanderung.

Aber gilt das auch für die Schweiz? Und warum ist das überhaupt relevant, jetzt wo die Pandemie vorüber scheint?

Für die Schweiz ergibt sich tatsächlich ein nahezu identisches Bild. Zufolge einer aktuellen Befragung von Personio unter 2000 Mitarbeitenden und 500 Personal-Entscheidern in der Schweiz, Deutschland und Österreich plant fast jeder Zweite (45 Prozent) in den nächsten Monaten seinen Job zu wechseln. Eine Studie im Auftrag von Robert Half beschreibt ähnliche Tendenzen. 

Und Arbeitgeber scheinen nicht überrascht: 45 Prozent verzeichnen bereits jetzt gestiegene Fluktuationsraten und 39 Prozent befürchten, dass weitere Mitarbeitende kündigen, sobald sich der Arbeitsmarkt erholt hat, so die Personio-Studie. 

Angestellte möchten keinen Bonus, sondern Wertschätzung

Bei den Ursachen für die Kündigungswelle tappen dennoch viele Unternehmen im Dunkeln. Während Unternehmen laut der McKinsey-Studie die Gründe in attraktiveren Jobs, besseren Gehältern und einer besseren Work-Life-Balance vermuten, gaben die befragten Mitarbeitenden den Mangel an zwischenmenschliche Beziehungen und Wertschätzung als wichtigsten Kündigungsgrund an. Oder frei nach Clinton: It’s the culture, stupid!

Aber jetzt, wo die Corona-Massnahmen in der Schweiz fast gänzlich aufgehoben sind, warum sollten sich Schweizer Unternehmen noch weiter kümmern. Die Mitarbeitenden werden wieder in die Büros zurückkehren, zusammen lachen und alles wird wieder wie früher?

Glaubt man der Studie von McKinsey: mitnichten. «Unsere Forschung unterstreicht die vielen Arten, wie die Pandemie die Erwartungen der Menschen an die Arbeit unwiderruflich verändert hat.» Und die Studienmacher sagen klar, die Fluktuation ist real, sie wird sich vielleicht sogar verschlimmern, bevor es besser wird. Angesichts des Fachkräftemangels inmitten des grössten Digitalisierungsschubs ist die Aussicht auf einen gewaltigen Brain Drain, dessen Folgen wir heute noch gar nicht abschätzen können, eine besorgniserregende Nachricht.

Die gute Nachricht ist: Organisationen, die sich jetzt Zeit nehmen, die Ursachen zu verstehen und umzusteuern, werden einen klaren Wettbewerbsvorteil haben. Wenn der Schalter vom Krisenmodus hinzu einer neuen Normalität umgelegt ist, lohnt es sich deshalb insbesondere die Unternehmenskultur zu überdenken und Talentmanagement als eine der wichtigsten strategischen Zukunftsaufgaben anzugehen.

Wie können Unternehmen Talente anziehen und halten?

Diese Frage sollte wohl ebenfalls mit vielen Fragen angegangen werden. Denn was wir aus den Studien lernen können ist, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden offenbar zu wenig zugehört haben. Als Denkanstoss fassen wir die wichtigsten Empfehlungen aus den Studien zusammen.

1 Wertschätzung & Zugehörigkeit
Viele Arbeitgeber vermuten, dass die Gründe für die Kündigungen in zu niedrigen Löhnen oder schlechter Work-Life-Balance liegen. Diese Faktoren sind für die Mitarbeitenden zwar durchaus sehr relevant, aber nicht in dem Masse, wie Unternehmen annehmen. Vielmehr fühlen sich Angestellte vor allem zu wenig wertgeschätzt.

2 Leadership
Führungskräfte sollten sich mehr Zeit für ihre Mitarbeitenden nehmen und sie aktiv einbeziehen. Nur wer die Sorgen und Wünsche seiner Mitarbeitenden kennt, kann auf sie reagieren und seine Teams neu motivieren und inspirieren.

3 Familien fördern
Mitarbeitende möchten als Mensch und nicht nur als Arbeitskraft wahrgenommen werden. Zu ihnen als Mensch gehört ihre Familie. Das sollten Unternehmen anerkennen und mit flexiblen Arbeitsmodellen und Arbeitszeiten fördern.

4 Hybride Arbeitskultur schaffen
Remote-Arbeit hat sich in der Pandemie etabliert. Die gewünschte Flexibilität und Produktivität erhalten Mitarbeitende aber nur, wenn sich neben der digitalen Hard- und Software auch die Arbeitsprozesse anpassen. Stichwort: Zoom-Fatigue. Es ist nicht allein das Tool, sondern wie wir damit umgehen. 

5 Gemeinschaftsgefühl stärken
Die Unternehmenskultur sollte an die neuen Bedingungen angepasst, das Gemeinschaftsgefühl in den Teams gestärkt und die Verbindung zu Führungskräften gestärkt werden. Bei Remote-Arbeit ist das keine einfach Aufgabe, aber auch nicht unmöglich. Es lohnt sich kreativ zu werden und gemeinsam dazu zu lernen.

6 Weiterentwicklung ermöglichen
Viele Mitarbeitende wollen nicht nur auf der Stelle treten, sondern sich beruflich weiterentwickeln. Fördern Unternehmen ihre Angestellten aktiv, fühlen sie sich wahrgenommen und unterstützt – und sehen sie weniger Gründe, neue Wege in einem anderen Job zu gehen. Dies erscheint umso wichtiger in einer Zeit des Wandels, wo Lernen vor Wissen kommt.

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