IT-Architektur im Kontext der digitalen Transformation

Welche Anforderungen hat die Digitalisierung heute an die Unternehmensarchitektur? Wie haben sich verschiedene Technologien im Zuge der digitalen Transformation entwickelt? Diese und weitere Fragen beantwortet Markus Schacher, Trainer des neuen CAS-Lehrgangs «IT Architecture», in diesem Beitrag.

Autor Markus Schacher
Datum 09.03.2020
Lesezeit 8 Minuten

1. Einführung

Vor etwa zwei Jahren hat mir ein Kunde ein Bild seiner IT-Architektur präsentiert und dabei gesagt «das da auf der linken Seite sind unsere digitalen Applikationen». Wie ein Blitz ist mir dann die Frage durch den Kopf geschossen: «Was ist denn das auf der rechten Seite?». Die Digitalisierung ist heute in aller Munde. Doch was ist mit diesem Modewort eigentlich gemeint und welche Aufgaben hat ein Unternehmensarchitekt im Zeitalter der digitalen Transformation?

2. Digitalisierung

Im engeren Sinne wird unter Digitalisierung die Überführung analoger Grössen (Töne, Bilder, physikalische Messungen etc.) in eine digitale (diskrete) Form verstanden. Diese Transformation analoger in digitale Daten hat zwar eine gewisse Wichtigkeit, greift aber zu kurz: denn die immer umfassendere Nutzung digitaler Rechner bedeutet auch die immer umfassendere Automatisierung von Tätigkeiten, die der Mensch zuvor manuell ausgeführt hat. Somit lässt sich die Digitalisierung durch die folgende Definition beschreiben:

«Digitalisierung ist die umfassende Delegation von Aufgaben von Menschen an technische Systeme, welche die heutige Informationstechnologie nutzen, um damit grundsätzlich neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.»

Mit der Delegation von Aufgaben an technische Systeme soll einerseits deren Effizienz und Ausführungsqualität verbessert werden und andererseits soll der Mensch von diesen Aufgaben so weit wie möglich entlastet werden. Mit «technischen Systemen» sind hier eine ganze Reihe von Technologien gemeint, welche die Digitalisierung überhaupt erst möglich machen.

Technologien für die Digitalisierung

Die folgende Liste bildet bloss einen ersten Auszug von Technologien zur Digitalisierung:

  • Technologien zur Konvertierung von Analog- in Digitaldaten und umgekehrt, um viele Replikate eines physischen Originals zu produzieren, z.B. Digitalisierung von Audio oder Video-Dokumenten
  • Technologien zur Erfassung und Übertragung von Informationen, z.B. Sensoren und Beacons, Technologien zur Datenübertragung sowie Mobile- und IoT-Technologien
  • Technologien zur Speicherung und zum Wiederauffinden von Informationen, z.B. Cloud-Speicher oder Suchmaschinen
  • Technologien zur Kombination physischer und digitaler Welten, z.B. Social Media, Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR)
  • Technologien zur Mustererkennung sowie assoziativen und kausalen Zusammenhängen, z.B. Algorithmen zur Datenanalyse, Big Data, Machine Learning oder entsprechend trainierte neuronale Netzwerke
  • Technologien zur Entscheidungsfindung, z.B. Regelsysteme oder ebenfalls neuronale Netze, die auf Entscheidungsfindung trainiert sind (die sich als Black Boxen aber mit der Erklärung dieser Entscheidungen schwer tun)
  • Technologien zur Ausführung von Aktionen, z.B. APIs, um Software-Systeme zu steuern, Robotic Process Automation (RPA) bis hin zu Robotik und Drohnen-Technik, um die reale Welt direkt zu beeinflussen
  • Technologien zur Kommunikation mit dem Benutzer, z.B. ChatBots, um mit einem Menschen einen zielgerichteten Dialog zu führen
  • Blockchain und Distributed Ledger Technologien, um beispielsweise die Geschichte von Flugzeugbestandteilen fälschungssicher zu machen

3. Architektur

Ähnlich wie mit dem Wort «Digitalisierung» verhält es sich mit dem Wort «Architektur». Was ist damit gemeint? Ich möchte mich hier an TOGAF anlehnen und von der folgenden Definition ausgehen:

«Architektur ist eine formale Beschreibung der wesentlichen Komponenten eines Systems, deren Beziehungen untereinander sowie der Prinzipien und Richtlinien zur Gestaltung und Evolution des Systems.»

In einem Unternehmen spielen verschiedene Arten von Architekturen eine Rolle. Das folgende Bild skizziert einige gängige Arten von Architektur von der Geschäftsarchitektur eines Unternehmens über seine IT-Architektur bis hin zur Evolutions- und Sicherheitsarchitektur. Es zeigt zudem, welche typischen «Komponenten» in diesen verschiedenen Architekturen zentral sind.

Abbildung 1: Verschiedene Architekturen im Unternehmenskontext

Alle relevanten Komponenten dieser Architekturen lassen sich in Form von digitalen Architektur-Beschreibungen (Modellen) dokumentieren und inventarisieren. Dies ermöglicht es beispielsweise einem Unternehmen, die IT-Architektur möglichst optimal auf die Bedürfnisse der Geschäfts­architektur abzustimmen, aber auch durch dieses «Alignment» im Geschäft möglichst viel Nutzen aus der IT-Infrastruktur zu ziehen. Durch die Inventarisierung dieser Information kann ein Unternehmen rasch auf externe und interne Veränderungen agil reagieren sowie deren Konsequenzen abschätzen.

Ein wichtiger Punkt in der obigen Definition des Begriffs «Architektur» ist deren zweite Hälfte: es geht auch um die Prinzipien und Richtlinien zur Gestaltung und Evolution des Systems. Das heisst, ein Architekt muss sich auch Gedanken machen, wie er bzw. sein Unternehmen mit einer gewissen Ruhe aber stetig langfristige Ziele anstrebt, ohne sich in der Hektik neuer Ideen und Technologien zu verlieren.

4. Digitale Transformation

Die systematische Digitalisierung eines Unternehmens lässt sich in fünf aufeinander folgenden Schritten angehen:

  • Digitalisierung von Informationen, die ursprünglich bloss in analoger Form vorliegen. Damit werden sie technologisch besser be- und verarbeitbar.
  • Digitalisierung von Objekten, d.h. physische Dinge wie Produktionsmaschinen oder komplexe Endprodukte (z.B. Autos), werden durch IT-Mittel «kognitiv angereichert» und so (unter anderem) selbständiger. Dies wird auch unter dem Begriff «Digitale Zwillinge» verstanden.
  • Digitalisierung von Aufgaben, d.h. Tätigkeiten, die einen stark repetitiven Charakter haben, lassen sich durch umfassende Automatisierung massiv beschleunigen, flexibilisieren und fehlerärmer machen.
  • Integration von Ausführenden, d.h. es wird das nahtlose Zusammenspiel zwischen verschiedenen Ausführenden entlang des Wertflusses angestrebt.
  • Entwicklung grundsätzlich neuer Geschäftsmodelle, indem bisher intern ausgeführte Aufgaben unter Ausnutzung der ersten drei Schritte komplett an Maschinen und externe Stellen delegiert werden.

Dieser letzte Schritt – die Schaffung grundsätzlich neuer Geschäftsmodelle – ist das, was schliesslich auch als die «Digitale Trans­formation» bezeichnet wird.

Abbildung 2: Architektur als Grundlage der Digitalisierung1

5. Der neue CAS-Lehrgang «IT Architecture»

Im Juni 2020 startet eine komplett überarbeitete und auf 16 Tage und 15 ECTS Punkte ausgebaute Version des CAS-Lehrgangs «IT Architecture». In diesem Lehrgang wird gezeigt, wie die Mittel der Digitalisierung effektiv zur Weiterentwicklung eines Unternehmens und seiner IT-Infrastruktur genutzt werden können, sodass sie wichtige Geschäftsaspekte eines Unter­nehmens effizient und flexibel unterstützen. Der Lehrgang richtet sich an Personen, die für Teile eines Unternehmens oder sogar für ganze Unternehmen die Möglichkeiten der Digitali­sierung nutzen möchten, wie angehende Unternehmensarchitekten, Business Engineers und Business Analysten, Programm-/Portfolio-Manager sowie IT-Projektleiter und Lösungsarchitekten.

CAS-Lehrgang «IT Architecture»

Haben wir Ihr Interesse an den neuen CAS-Lehrgängen «IT Architecture» geweckt? Dann besuchen Sie die Informationsveranstaltung, um mehr über darüber  zu erfahren oder melden Sie sich direkt für einen der folgende CAS-Lehrgänge mit Spezialisierung an:

Haben wir Ihr Interesse an den neuen CAS-Lehrgängen «IT Architecture» geweckt? Dann besuchen Sie die Informationsveranstaltung, um mehr über darüber  zu erfahren oder melden Sie sich direkt für einen der folgende CAS-Lehrgänge mit Spezialisierung an:

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1 Die beiden Fotos auf dem Bild sind übrigens beides Schachcomputer: links oben der analoge «El Ajedrecista» von Leonardo Torres y Quevedo aus dem Jahr 1912 und rechts unten der digitale «Deep Blue» von IBM aus dem Jahr 1997.


Über den Autor

Markus Schacher

Markus Schacher ist Mitbegründer und KnowBody von KnowGravity Inc., einem Beratungsunternehmen mit Sitz in Zürich (Schweiz), welches sich auf modellbasiertes Engineering spezialisiert hat. Als Trainer hat Markus bereits 1997 die ersten öffentlichen UML-Kurse in der Schweiz durchgeführt und hat als Berater vielen grossen Projekten geholfen, modellbasierte Techniken einzuführen und nutzbringend anzuwenden. Seit 2005 unterstützt er auch Unternehmen in den Bereichen "Ganzheitliche Unternehmensarchitektur" sowie "Business/IT-Alignment". In Kooperation mit Digicomp und der HWZ bildet er zudem als Trainer im CAS-Lehrgang "IT Architecture" Architekten und Architektinnen aus.