ITIL®4 – Was lange währt, wird endlich gut? (Teil 1)

ITIL®-Experte Markus Schweizer geht der Frage nach, wie sinnvoll die Weiterentwicklung zu ITIL®4 ist. Seine Antwort lautet: «Absolut, ja»!

Autor Markus Schweizer
Datum 07.02.2019
Lesezeit 6 Minuten

Nach den ersten Informationen, die ich Ende Jahr über ITIL®V4 erhalten hatte, war ich etwas skeptisch, ob ITIL®4 wirklich die Akzeptanz von V3 erreichen oder gar übertreffen könnte. Zu verschwommen und theoretisch kamen mir die Konzepte vor. Nun habe ich mich etwas näher mit den neuen Best Practices beschäftigt und muss sagen: Das ergibt absolut Sinn und ist auf der Höhe der Zeit!

Die Autoren haben wie versprochen Service Management sehr schön mit den wichtigsten Konzepten von DevOps/Agile, Lean und Cloud verbunden. Dabei haben sie all die guten Dinge, die in der Zwischenzeit im Service Management-Bereich entstanden sind, miteinbezogen: Vom ITIL Practitioner hat man die Guiding Principles übernommen, die den Weg in die Agilität weisen (siehe Tabelle unten). Von IT4IT wurde das Konzept der Wertschöpfungsketten aufgegriffen und weiterentwickelt. In Anlehnung an Cobit 5 erhält die Governance mehr Gewicht: Die Governance-Tätigkeiten ‹Evaluate, Direct und Monitor› werden einem von einem «Governing Body» verantwortet. Und auch die Wertdiskussion entspricht nun Cobit 5: Nicht mehr Utility und Warranty, sondern Outcomes, Kosten und Risiken. Schliesslich ist das Thema Continual Service Improvement fast vollständig aus ITIL V3 übernommen worden. Dies macht durchaus Sinn, hat sich doch diese fünfte Lifecycle-Phase in den letzten 10 Jahren zur fast erfolgreichsten entwickelt: CSI bzw. Qualitätsmanagement gehört zwingend zu allen agilen Tätigkeiten!

Im Folgenden möchte ich ein paar Themen etwas näher betrachten:

Agilität/DevOps

Die DevOps-Bewegung lässt sich nicht mehr aufhalten. Einer der geistigen Väter, Gene Kim, spricht dabei von einer «IT-Revolution»: Die Vorteile des Umbaus von ganzen IT-Abteilungen zu wert- und kundenorientierten agilen Teams mit End-to-End-Verantwortung sind zu gross. IT-Abteilungen müssen schneller und besser neue Produkte und Services ausliefern, um den Anforderungen der digitalen Welt gerecht zu werden (d.h. die IT-Abteilungen müssen ihre Produktivität massiv steigern. Mehr dazu in einem der nächsten Blogbeiträge).

Zwei Elemente im neuen ITIL® adressieren die Anforderungen an agile Service Bereitstellung: Die Guiding Principles sind eine Übersetzung des agilen Manifests in praktischen Handlungsanweisungen, wie die folgende Tabelle zeigt:

Copyright © AXELOS Limited 2019. Used under permission of AXELOS Limited. All rights reserved.

Diese Prinzipien stammen aus dem ITIL® Practitioner und sind der Schlüssel zur erfolgreichen Adaption von ITIL« in agilen Umgebungen.

Service Value System

«Focus on value» kommt dabei zu Recht zweimal vor, weil es den Kern von Scrum, DevOps und Lean trifft: Ohne Wert für den Kunden sollte nichts gemacht werden – da haben wir im Service Management grossen Nachholbedarf! Wert und Agilität stehen denn auch im Zentrum des grössten Umbaus von ITIL®4: Vom Service-Lebenszyklus zum Service-Wert-System. Die etwas starren, an das Wasserfall-Modell erinnernden 5 Lifecycle-Phasen werden durch ein flexibles Service-Value-System abgelöst:

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Opportunities und Demands werden mittels einer Service-Wertschöpfungskette in Werte für den Kunden umgewandelt. Unterstützung dafür bieten die Guiding Principles, Governance, Continual Improvement und die Practices, die die Prozesse abgelöst haben (mehr dazu weiter unten).

Damit hat man Service Management sehr elegant so aufgestellt, dass es nahtlos von DevOps-Organisation übernommen werden kann. Während aber DevOps eher auf der technischen Ebene sicherstellt, dass Code (Product Increments), schnell, sicher, stabil und wertmehrend in die Produktion überführt werden kann, sorgt das Service Value System (SVS) dafür, dass das Gesamt-Dienstleistungspaket für den Kunden durchgehend stimmt.

Service Value Chain

Im Kern des SVS befindet sich die Service-Wertschöpfungskette, wo wir dann unsere Lifecycle Phasen mehr oder weniger wiederfinden, die nun Value Chain Activities heissen. Sie werden nicht mehr als strikte Abfolge dargestellt, sondern als ‹Würfel› in drei Dimensionen. Ein Hinweis darauf, dass Agilität keine rigiden Regeln mehr braucht, sondern der Situation angepasste, flexible Best Practices.

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Strategische Elemente treten im Bereich Plan in den Hintergrund, während die Interaktion mit dem Kunden mit ‹Engage› etabliert wird. Je nach der Art der Service-Wertschöpfungskette werden dann verschiedene Value Change Activities ausgeführt, die zur Erstellung und Betrieb des Services oder Produkts (! Neu in ITIL®4) benötigt werden.

ITIL®4 ist also eine schöne, runde Sache, die das in der Digitalisierung sehr wichtige Konzept des Service Managements in die neue Welt der Agilität, von DevOps und Lean überführt. Viele Details sind im Moment noch offen, da im Unterschied zu ITIL® V3 noch nicht alle Bücher vorliegen. Die Inhalte der weiterführenden Literatur werden zurzeit noch entwickelt, was im Sinne der Agilität sicher sinnvoll ist.

Trotzdem gibt es noch viele schon bekannte Details zu kommentieren, vor allem zu den Practices als Nachfolger der Prozesse und des Konzept der Services (und des Produkts) selbst. Darauf werde ich im zweiten Teil dieses Blogs eingehen.

Alles was Sie zu ITIL 4 wissen müssen!

Hier finden Sie alle Informationen und die aktuellsten Kursangebote zu ITIL® 4:

» Überblick alle ITIL® 4-Informationen

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Über den Autor

Markus Schweizer

Markus Schweizer ist Digicomp Trainer, ITIL®- und Cobit®-Experte und Strategie-Berater bei Plat4mation für alle Belange des IT-Managements. Zuvor arbeitete er für IBM und PwC und verbrachte er neun Jahre in den USA, wo er Grossfirmen beim Einsatz von Service-Management-Konzepten beriet. Seine Beratungsschwerpunkte sind IT Business Management, interne Digitalisierung, Governance und SIAM.