Führungsstil Menschlichkeit – was es bedeutet, in unsicheren Zeiten menschenorientiert zu führen

Menschliche Führung rückt den Menschen ins Zentrum und nicht das Arbeitsergebnis. Warum das ökonomisch für beide Seiten ein Gewinn ist, erläutert Digicomp Experte Christopher Schneider.

Autor Christopher Schneider
Datum 10.01.2019
Lesezeit 7 Minuten

Leistungsorientierung, Innovationsdruck, Effizienzsteigerung: In nahezu jedem Unternehmen gehören diese Begriffe zum Standardvokabular. Führungskräfte haben implizit (auch) den Auftrag, ihre Mitarbeitenden auf diese Perspektiven auszurichten und Verhalten dahingehend zu steuern.

Doch aus Mitarbeiterperspektive fehlt dann häufig ein zentraler Wert: Menschlichkeit. Auch im Zeitalter der Digitalisierung ist der Mensch (immer noch) keine Maschine. Er reagiert individuell und unberechenbar auf erhöhten Druck, allgemeine Unsicherheit und Veränderungen jeglicher Art.

Nicht Gewinnmaximierung oder Effizienzdenken ist der Schlüssel für erfolgreiches Unternehmertum, sondern menschenorientierte Führung.

Gewisse Leistungserwartungen seitens der Führungskraft führen bei den Mitarbeitenden nicht automatisch zu verbesserten Ergebnissen. Wer Leistungssteigerungen erwartet, sollte Menschen wertschätzend führen und dabei humanitären Werten folgen. Weil Menschen eine viel grössere Motivation an den Tag legen, wenn sie ehrlich geschätzt werden. Wenn Mitarbeitende ihrem Potenzial entsprechend gefordert und gefördert werden und sich nicht verbiegen müssen, dann sind sie am ehesten zu überdurchschnittlichen Leistungen bereit. Wenn Arbeit Spass macht und Mitarbeitende sich respektiert und geschätzt fühlen, ist herausragende Leistung häufig ein «Abfallprodukt».

Die folgenden fünf Verhaltensweisen können Führungskräften als Ansatzpunkte für einen stärker menschenorientierten Führungsstil dienen:

1. Kennen Sie Ihre Mitarbeitenden

Versuchen Sie, Ihre Mitarbeitenden einzeln wie im Team als Individuen kennenzulernen und nicht ausschliesslich als Rolleninhaber in einer Funktion. Explorieren Sie Erwartungen und persönliche Ziele. Geben Sie gleichzeitig auch von sich Dinge preis, welche Sie bislang lieber verschwiegen haben. Dies schafft Vertrauen und verringert die wahrgenommene Hierarchie. Pflegen Sie einen vertrauens- und respektvollen Austausch, nicht nur formell in der wöchentlichen Teamsitzung oder informell am Kaffeeautomaten. Ein sommerliches Grillfest in Ihrem Garten oder ein gemeinsamer Konzertbesuch nach Feierabend kann Wunder wirken.

2. Werden Sie individuellen Bedürfnissen gerecht

Wenn Sie Ihre Mitarbeitenden kennen, dann kennen Sie auch ihre Bedürfnisse und können verstehen, wo deren Potenziale schlummern. Diese lassen sich nun besser für die zu erreichenden Ziele abrufen. Und das ist ganz im Sinne der betreffenden Mitarbeitenden, denn am liebsten erzielen Menschen eine positive Wirkung mit ihrem eigenen Vermögen. Dies wirkt motivierend und führt automatisch zu Erfolgserlebnissen. Nebenbei steigt die Arbeitsmoral, Mitarbeitende bleiben eher gesund, Krankheitstage und schlechte Stimmung können so verringert werden. Das schlägt sich auch finanziell nieder.

3. Zeigen Sie echte Wertschätzung

Anerkennung und Wertschätzung sind eine Frage der Haltung. Sie werden schnell als unecht enttarnt, wenn die Führungskraft ein gekünsteltes «Das hast du toll gemacht» kommuniziert. Vertrauen und Offenheit werden durch unaufrichtiges Lob torpediert. Auch kann Wertschätzung nicht verordnet werden. Vielmehr bedeutet echte Wertschätzung, den Mitarbeitenden zu signalisieren, dass sie als Mensch wichtig sind und akzeptiert werden, wie sie sind. Es ist damit keine defizitorientierte, sondern vielmehr eine positivistische, ressourcenorientierte Haltung. Sie spricht die Entfaltung von Potenzial an. Und damit hat echte Wertschätzung auch immer individuell zu passieren, je nach Charakter, Kontext und Bedürfnissen eines Menschen.

4. Hinterfragen Sie Ihr eigenes (Führungs-)Verhalten

Seien Sie kritisch mit sich selbst und fragen Sie sich, wie Sie selbst geführt werden möchten. Welche Aspekte dieser inneren Auseinandersetzung passen auf einzelne Teammitglieder? Wo stossen Sie selbst an Grenzen in der Führung und tun mit Ihrem Verhalten einigen Mitarbeitenden vielleicht nicht gut? Und welche Werte und Überzeugungen leiten Sie? Fragen Sie sich, welche davon einer Überprüfung bedürfen und welche Überzeugungen Ihre Mitarbeitenden leiten – und passen Sie dann Ihr Führungsverhalten punktuell an.

5. Scheitern Sie besser

Pflegen Sie eine konstruktive Fehlerkultur, welche Fehler zulässt und aus Misserfolg konsequent lernt. Kein Mensch macht gerne Fehler, und wenn er Angst haben muss, für solche bestraft zu werden, wird er nicht befreit arbeiten können. Das Risiko für Fehler steigt an, es beginnt eine Negativspirale. Im Wort «Fehler» steckt «fehlen». Bei Fehlern handelt es sich also um Situationen, in denen noch etwas benötigt wird, um erfolgreich zu sein. Es liegt eine Unvollständigkeit vor. Würdigen Sie also lieber das, was bereits gut ist und schon existiert und erarbeiten Sie gemeinsam Wege, um aus dem Umweg über einen Fehler auf die Erfolgsstrasse zu kommen. Dies stimuliert den kollektiven Lernprozess und entzaubert das Scheitern als etwas Brauchbares. Gerade in innovativen Branchen und bei komplexen Fragestellungen gilt, dass der Misserfolg den besten Weg zum Erfolg darstellt. Geben Sie Ihren Mitarbeitenden Zeit und Raum für Experimente und lassen Sie sie Fehler machen.

Menschliche Führung rückt den Menschen ins Zentrum

Das Denken in schneller, höher und weiter ist gefährlich, wenn es aus reiner Optimierungslogik geschieht. Denn Menschen sind mitnichten optimierbar wie eine Maschine oder ein Prozess. Sie sind keine Ressourcen, sondern Individuen. Führen Sie empathisch und versuchen Sie, jedes Teammitglied da zu packen, wo es Interesse zeigt, Potenzial besitzt, von sich aus Entwicklung wünscht und Motivation ganz automatisch entsteht. Mit Vertrauen und Empathie lässt sich der Schatz an bislang unbekannten Stärken und Wirkungsfähigkeiten heben. Menschliche Führung rückt den Menschen ins Zentrum und nicht das Arbeitsergebnis. Jeder, der schon mal den Satz «Deine Performance muss besser werden» gehört hat, weiss, wie demütigend sich so etwas anfühlen kann. Und wer glaubt schon wirklich, dass echte Innovationen und Verbesserungen mittels durchschnittlicher Arbeitsleistung oder wenig motivierter Mitarbeitender entstehen, welche ihre Stärken nicht einsetzen dürfen sowie weder Respekt noch Wertschätzung erfahren?


Über den Autor

Christopher Schneider

Christopher Schneider verfügt über grosse Erfahrung als Berater, Coach, Dozent und Trainer. Er arbeitet als Senior Berater und Coach im Bereich der Organisationsentwicklung in Bern, spielt seit Jahren Improvisationstheater und steht regelmässig auf öffentlichen Bühnen. Seit einiger Zeit setzt er in seiner Arbeit als Coach und Entwickler neben bewährten Tools und Techniken vermehrt auch auf Theater-Elemente, um unbewusste Potenziale in Teams spielerisch sichtbar zu machen.