Digitalisierung der IT-Berufswelt – wie der digitale Wandel die IT-Jobrolle verändert

Was bedeutet der Digitale Wandel für die Jobrolle «Informatiker_in»? Welche Skills braucht es heutzutage im Vergleich zu früher?

Autor Sheila Karvounaki
Datum 12.10.2018
Lesezeit 5 Minuten

Die technologische Kurve ist der gesellschaftlichen Kurve stets gefühlte Meilen voraus. Entsprechend schnell entwickelt sich auch die IT-Branche weiter, zumindest was die technologischen Möglichkeiten anbelangt. Wie wirkt sich das jedoch auf der Ebene der Menschen, der Arbeitnehmenden aus? Was bedeutet der rasante Wandel für die Jobrolle «Informatiker_in»? Welche Skills braucht es heutzutage im Vergleich zu früher?

Um dieser Frage nachzugehen, haben wir Interviews mit verschiedenen Personen geführt, die jeweils aus ihrer Perspektive berichten. Von Recruitern über die IT-Chefin bis hin zum Informatiker selbst. Heute mit Michel Ganouchi, Inhaber der recruma gmbh sowie Dozent und Referent zum Thema Digital Recruiting. Er hatte lange Zeit ein Mandat bei ictjobs.ch, der grössten Job-Plattform im IT-Bereich und kann einiges aus seiner Erfahrung als Unternehmensberater erzählen.


Michel, wie wirkt sich die Digitalisierung aus deiner Sicht als Recruiting-Experte und Berater auf die IT-Branche aus?

Einerseits treibt die Branche das Thema ja munter voran. Andererseits ist sie selbst davon betroffen. Eine interessante Ausgangslage! Sie wird quasi Opfer ihrer selbst. Wobei ich Opfer nicht negativ verstanden haben will. Wir müssen verschiedene Ebenen berücksichtigen: Mindset, Kultur, Prozesse, Tools usw. – man kann nicht alle und alles über einen Kamm scheren. Das gilt auch für die IT-Branche.

Wie sieht das konkret aus?

Für das Recruiting von IT-Fachkräften heisst das insbesondere mal: Es gibt zu wenige Fachkräfte. Ich ärgere mich am überstrapazierten Begriff Fachkräftemangel. Aber hier hat er seine Gültigkeit. Interessanterweise haben viele Firmen ihre Vorgehensweisen im Recruiting aber noch nicht den aktuellen Möglichkeiten angepasst. Sie verlassen sich noch zu oft auf veraltete Methoden und kümmern sich zu wenig um ihren Arbeitgeberauftritt. Grössere Firmen haben hier den Vorteil, über mehr Ressourcen zu verfügen, um das auch strategisch anpacken zu können. Dafür scheitern sie oft an den zu komplizierten Prozessen. Heute muss man sich zwangsläufig aktiv um Kandidaten bemühen. Der Markt an Stellensuchenden ist schlicht zu klein. Das bedeutet ein Umdenken in allen Dimensionen.

Stimmen der Grad der Digitalisierung der Recruiting-Prozesse und der Grad der Digitalisierung auf Seiten der Arbeitnehmenden deiner Meinung nach überein?

Ich will ja niemandem zu Nahe treten: aber das technisch Machbare und auch Sinnvolle ist meilenweit davon entfernt, eingesetzt zu werden. Die Diskrepanz ist riesig und sorgt bei mir für Unverständnis. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis Geschäftsleitungen erkennen, dass sie wirklich handeln müssen und investieren. In Skills und Tools. Jammern ist halt einfacher als handeln. Auch wenn sich das jetzt einfach sagen lässt: es stimmt.

Sind Informatiker_innen durch die Nähe zur Technologie automatisch auch näher am digitalen Mindset?

Nein, das glaube ich nicht. Auch wenn ich als marketingeprägter Businessmensch ja gerne in Schubladen denke: IT ist nicht gleich IT. Vor allem wenn es um den Mindset geht. Die Berufsvielfalt in der IT ist enorm, entsprechend auch die Anforderungen. Die Einstellungen von Menschen hängt ja auch nicht vom Beruf ab, den sie wählen. Es gibt Ängstliche und Risikofreudige. Fleissige und eher Arbeitsscheue. Wie überall sonst auch. Nicht alle kommen automatisch mit Flexibilität, Speed und Druck klar.  

Würdest du sagen, dass sich die Anforderungen an IT-ler_innen mit dem digitalen Wandel verändert bzw. breiter geworden sind?

Ja, diesem Wandel unterliegen auch sie. Auch wenn die heutigen Anforderungen bzgl. Agilität ja in der IT erfunden wurde: nicht alle sind für diese Konzepte per se geeignet. Und manchmal frage ich mich auch, wie erfolgsversprechend sie tatsächlich sind.

Einerseits nehmen also die Anforderungen zu, andererseits wissen Spezialisten, dass ihre Skills gesucht sind. Das macht es für Unternehmen sehr komplex, die richtigen Mitarbeitenden zu finden. Um langfristigen Unternehmenserfolg zu gewährleisten, sollte darum durchaus eine hohe kulturelle Passung stattfinden.

Was würdest du aus deiner Sicht IT-ler_innen empfehlen? Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sollten sie sich heute zulegen, um auch künftig und im Fahrtwasser der Digitalisierung Schritt halten zu können?

Eigentlich das Gleiche, wie ich es fast allen Arbeitnehmenden empfehlen würde: seine eigenen professionellen Skills stets prüfen und weiterentwickeln, also am Markt bleiben. Und zweitens: an der Persönlichkeit arbeiten. Das hilft mehr als viele Weiterbildungen…


Über den Autor

Sheila Karvounaki

Sheila Karvounaki Marti hat Journalismus und Organisationskommunikation studiert und hat sich über die Jahre auf Online-Kommunikation spezialisiert. Sie ist Community Managerin bei Digicomp und berät als Freelancerin verschiedene KMU bei ihren Online-Aktivitäten. Sie war Leiterin Kommunikation & Community Management an der SOMEXCLOUD GmbH und 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, im Bereich der Projektleitung und -organisation sowie in der Forschung tätig.