Generationenwechsel: Junger Chef führt älteren Mitarbeiter

Sind junge Chefs weniger sensitiv und anspruchsvoller, weil sie mehr voraussetzen? Und was hat Leadership in der New Work eigentlich mit Jung und Alt zu tun?
Digicomp Expertin Ines Doherr geht der Frage nach, wie Generationenkonflikte entstehen und wie man sie vermeiden kann.

Autor Ines Doherr
Datum 24.09.2018
Lesezeit 12 Minuten

«Das verstehst du nicht, meine Generation macht das anders …», sagte mir vor nicht allzu langer Zeit eine sympathische, junge Kaderkollegin. Sie ist Vertreterin der Millennials und wurde in diesem Frühjahr als 26-Jährige zur Abteilungsleiterin befördert. Ihr Team hat ein Durchschnittsalter von 45,6 Jahren und ist damit beinahe im gleichen Alter wie ihre Eltern.

Ihr Start war euphorisch und sehr motiviert, nun gibt es einen ersten Konflikt: In einem Feedback zur Zusammenarbeit machte ihr Team deutlich, dass es sich klare Ziele und mehr Unterstützung von ihrer neuen Vorgesetzten wünschte. Ist das ein generationsbedingter Konflikt oder fehlt es hier eher an Führungsqualitäten? Sind junge Chefs weniger sensitiv und anspruchsvoller, weil sie mehr voraussetzen? Und was hat Leadership in der New Work eigentlich mit Jung und Alt zu tun?

Jung führt Alt – Wie geht das?

Digitalisierung, demografische Entwicklung sowie Fachkräftemangel katapultieren junge Mitarbeitende immer öfter direkt in die Führungsetage. Hinzu kommt, dass in der neuen Arbeitswelt Leistungsfähigkeit, gepaart mit Innovation, die Verdienste und Erfahrungen der Babyboomer abgelöst hat. Menschen unter 40 finden sich nun häufiger in Kaderpositionen wieder, denn die Digital Generation bringt von Haus aus Kompetenzen mit, die sich ältere Mitarbeitende nur schwer aneignen können oder wollen. Die Altersunterschiede in Organisationen verstärken sich und die neue Beförderungsentwicklung ist oft die einzige Chance der Unternehmen, leistungsfähig zu bleiben und sich dem Wettbewerb weiter stellen zu können. Für die Generation X bedeutet das, dass das Senioritätsprinzip in vielen Unternehmen hinterfragt wird und der Know-how-Transfer der Älteren an die Jungen immer weniger stattfindet.

Neben der Auseinandersetzung mit dem Mythos der schwindenden Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeitenden, verläuft ihre eigene Karriere zum Ende des Berufslebens häufig flach. Es kommt zu Verletzung und Frustration, weil sie sich abgehängt fühlen. Wenn dann noch der oder die neue Chef/-in so jung wie die eigene Tochter oder der eigene Sohn ist und ihre oder seine Aufgabe etwas unsensibel angeht, birgt das Konfliktpotenzial durch gefühlte Ungerechtigkeit. Es entsteht eine Führungskonstellation, die für beide Seiten nicht ganz einfach ist.

Lenkung und Steuerung sind klare Rangordnungs-Signale. Daher lassen wir uns gern von jemandem steuern, dem wir dies auch zugestehen.

Erfüllt eine Person die formale Rolle, bringt die fachliche und soziale Kompetenz mit und beweist die notwendige Berufszugehörigkeit, wird die Führung durch diese Person in der Regel problemlos akzeptiert.

Ist jedoch nur ein Aspekt nicht erfüllt, weil der neue Chef zum Beispiel noch «nicht so lange dabei» und jünger ist, können von Anfang an Probleme auftreten. Hinzu kommen die unterschiedlichen Sichtweisen:

Hier eine junge Führungskraft, die unter Umständen ganz neu in dieser Position ist und voller Optimismus und Tatendrang startet. Dort der ältere Mitarbeiter, der stolz auf eine langjährige Berufspraxis sowie Erfahrungen zurückblicken kann, eine starke Firmenbindung hat und sich vielleicht noch nicht mit dem Gedanken abfinden möchte, dass er plötzlich zum «alten Eisen» gehören soll. Diese Gratwanderung zwischen den Generationen ist für alle Führungskräfte eine wirkliche Challenge. Ein sensitiver, individueller Umgang mit allen Teammitgliedern ist daher sehr zu empfehlen, denn schliesslich kommt es auf die Kompetenz jedes Einzelnen an, nicht aufs Alter.

Besonders junge Chefs sollten sich daher bestens auf ihre neue Aufgabe vorbereiten und lernen, mit der Diversität im Unternehmen umzugehen. Das Bewusstsein um die Führungsrolle, das Auftreten und die Kommunikation gehören genauso zu erfolgreicher Leadership wie die notwendige professionelle Distanz zu seinen (älteren) Mitarbeitenden.

Alt vs. Digital – Wissen um die Generationsunterschiede

Schauen wir auf die Arbeitswelt von heute, stehen sich hier Generationen und ganz unterschiedliche Arbeitsweisen gegenüber. Alt vs. Jung oder besser Alt vs. Digital, das Wissen um die Unterschiede ist ein ganz wichtiger Teil im Führungspuzzle. Leader tun grundsätzlich gut daran, neben den Stärken ihrer Mitarbeitenden auch die Bedürfnisse der jeweils anderen Generation zu kennen, um ihre Teams erfolgreich zu steuern und zu Hochleistungen führen zu können.

Generation X (Jahrgänge 1961–1980)

Was die Jungen und Alten eint ist die Motivation, es richtig zu machen, ganz egal aus welcher Generation sie entstammen – und das ist gut so. Und hier die gute Nachricht: Generation X hat den Wandel von analog zu digital geschafft und ist inzwischen in der digitalen Welt angekommen.

Aufgrund ihres umfangreichen Knowhows sowie der Babyboom-Jahrgänge besetzt sie den Grossteil der Führungspositionen in Politik und Wirtschaft und ist teilweise bereits auf dem Weg in den Ruhestand. Zu ihrer sehr guten Ausbildung kommen Merkmale wie Ehrgeiz, Selbstständigkeit und Pragmatismus dazu. Damit konnte sie für ihre Nachfolgegenerationen eine stabile Basis in der Arbeitswelt schaffen. Sie schätzt klare Strukturen und Hierarchien, berufliches Weiterkommen ist ihr genauso wichtig, wie eine ausgewogene Work-Life-Balance.

Generation Y (Jahrgänge 1981–1995)

Generation Y, egal ob Chef oder Mitarbeiter, trifft im Arbeitsalltag oft auf die alte Welt und ihre bestehenden Routinen und Denkmuster. Diese werden meist unerbittlich verteidigt, anstatt Offenheit für Impulse und Neues zu signalisieren. Dr. Steffi Burkhart (Sprachrohr der Generation Y und Autorin «Die spinnen, die Jungen!») formuliert das treffend: «Ja, wir sind als Generation zwar quantitativ in der Minderheit gegenüber den Babyboomern, qualitativ ist unsere Bedeutung aber recht hoch. Denn wir sind die Generation, die die Deutungshoheit über die wichtigste Massentechnologie unserer Zeit hat, das Internet und die strahlt in viele Bereiche aus.» Die Millennials sind mit der digitalen Welt und intensiven Internetnutzung erwachsen geworden und legen viel Wert auf Selbstverwirklichung und Freiheit, was kein Widerspruch zu ihrem ausgeprägten Teamgeist ist. Das Business soll vor allem Sinn und Spass machen und auch hier können die Babyboomer viel von ihnen lernen, denn die Karriere spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Generation Y hinterfragt bestehende Erfolgsmuster von Arbeit und Führung und bringt das Baby Internet zum Laufen. Bemerkenswert ist, dass die Millennials mehr im Wir als im Ich denken und vielfältigere Lebensläufe leben, daher lernen sie schon früh, mit der wachsenden Komplexität zurechtzukommen.

Generation Z (geboren nach 1995)

Generation Z ist noch einen Schritt weiter: Laptop, Smartphone und Tablet gleichzeitig privat und beruflich zu nutzen, ist für sie Alltag, denn es gibt keine Trennung mehr zwischen Arbeit und Freizeit. Sie wurde von einem rasanten technologischen Fortschritt geprägt und besteht aus kompletten Digital Natives. Sie sind weniger optimistisch als die Generation Y, eher vorsichtig und sicherheitsorientiert, aber dafür realistischer und inspiriert. Sie wollen klare Ansagen und Arbeitsstrukturen und lieben 9 to 5. Wohlfühlen am Arbeitsplatz ist Prio 1 und Home-Office ist kein Thema mehr, ja, richtig gelesen. Insgesamt 87 Prozent der 18-25-Jährigen in Deutschland wünschen sich einen eigenen Schreibtisch am Arbeitsplatz, die vieldiskutierten Desk-Sharing-Konzepte gehen bei ihnen nicht mehr auf, wie eine Studie von Prof. Christan Scholz der Uni Saarland belegt. Die Newcomer sind seit Jahren mit den neuesten Tools und Programmen unterwegs, um effektiv und schnell sein zu können. Ständig werden neue App`s installiert, upgedatet, deinstalliert. Informationen ziehen sie sich von Twitter und knüpfen hin und wieder neue Kontakte über Facebook. Blogs helfen bei der Recherche bestimmter Themen und bei YouTube schauen sie sich Anleitungen für neue Programme an. Ihre Treiber sind ein hohes Mass an Freiheit sowie selbstbestimmte Experimentierfreude. Ihre Feedbacks holen sie sich über ihr digitales Umfeld ein, ganz nach dem Motto «Love it, change it or leave it.».

Millennials und Newcomer werden bis 2020 rund 35 Prozent der werktätigen Bevölkerung stellen, also auch die meisten Chefs. Sie prägen zunehmend Konsumverhalten und Arbeitswelt, und damit haben diese Generationen die «demografische Macht» auf ihrer Seite. Die nicht mehr ganz taufrischen Babyboomer gehen bis 2025 in Pension, werden aber bis dahin und darüber hinaus grosses Gewicht haben. Allein in der Schweiz werden sie eine Lücke unter der arbeitenden Bevölkerung von rund einer halben Million Menschen hinterlassen. Deshalb liebe Chefs und Personaler, Augen auf!

Erfolgsrezept erwünscht? Hier ein paar Tipps

Neue und junge Führungskräfte, die in ihrer Rolle akzeptiert werden möchten, sollten einige Grundregeln beachten. Dazu gehört zunächst das Kennen der Team-Story sowie das Beherrschen von Dialog und Interaktion.

Besser als der Kampf hilft im Generationenkonflikt – wie so oft – eine transparente und respektvolle Kommunikation.

Mit gegenseitigem Verständnis lässt sich unnötiger Konkurrenzdruck vermeiden, ein aufeinander Zugehen und voneinander Lernen bringt letztendlich beiden Seiten Vorteile. Um das Beste aus zwei Welten zu nutzen, sollte es Chefs jederzeit gelingen, Sinnhaftigkeit, Orientierung und auch Sicherheit zu vermitteln. Voraussetzung dafür ist die Selbstreflexion, das Vertrauen in sich selbst, das Verstehen von Persönlichkeitstypen sowie dem Stellenwert der Kultur. Und last, but not least: Fehler sind unvermeidbar – und gleichzeitig spannend.

Sechs Fragen, die sich junge Führungskräfte vor Stellenantritt stellen sollten:

  1. Habe ich schon ausreichend Führungskompetenz?
  2. Wie erarbeite ich mir Respekt und trete authentisch auf?
  3. Wie kann ich alle im Team einbeziehen?
  4. Wie will ich kommunizieren?
  5. Wie nutze ich Feedbacks, kann ich einen Rat annehmen?
  6. Wie kann ich mir Unbeschwertheit und Spass bewahren?

Fazit

Meiner jungen Kaderkollegin hatte ich geraten, sich auf das Feedback ihres Teams einzulassen, Gespräche mit ihren Mitarbeitenden zu suchen und auch mal einen Konflikt auszutragen und ggf. Fehler einzugestehen. Oftmals lohnt sich auch ein Neuanfang. Sie kann nur dazu lernen. Die Akzeptanz als Führungsperson sollte man als Prozess verstehen, bei dem das Team im besten Fall merkt, dass es seiner Vorgesetzten in ihrem Handeln vertrauen kann. Einen erfolgreichen Leader, egal ob jung oder alt, zeichnet aus, nicht nur eigene Visionen und Zielvorstellungen festzulegen, sondern auch konkrete Arbeitsschritte und Unterstützung anzubieten, wenn sie benötigt werden. Wenn all das auch transparent kommuniziert wird und das Team für das «Why?» begeistert werden kann, wird eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelingen.

«Dein Sneaker-Modell geht eigentlich gar nicht mehr», sagte sie mir am Ende des Gesprächs erfrischend offen. Ich schaute nach unten und musste lachen. Nein, das verstehe ich als Gen X-Vertreterin nun wirklich nicht, also «Love it, change it or leave it!».

Generationswechsel – Das Seminarangebot von Digicomp

Lernen Sie, die Werte der unterschiedlichen Generationen für Ihre Führungsarbeit bewusst zu nutzen, Störungen zu vermeiden und zu lösen sowie mit dem Wertewandel ein partnerschaftliches Miteinander in der neuen Arbeitswelt zu gestalten.

Kurs: Generationenwechsel: Junge Führungskraft – ältere Mitarbeiter («HRDW»)

Lernen Sie, die Werte der unterschiedlichen Generationen für Ihre Führungsarbeit bewusst zu nutzen, Störungen zu vermeiden und zu lösen sowie mit dem Wertewandel ein partnerschaftliches Miteinander in der neuen Arbeitswelt zu gestalten.

Kurs: Generationenwechsel: Junge Führungskraft – ältere Mitarbeiter («HRDW»)


Über den Autor

Ines Doherr

Die Human Ressource beschäftigt die Betriebswirtschafterin schon ihr Berufsleben lang. Nach ihrem Pädagogik-Studium begann sie ihren Praxiseinstieg zunächst als Lehrerin für Deutsch und Mathematik. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung wechselte sie nach über zehn Jahren zu einem Dienstleistungsunternehmen und verantwortete als HR-Projektleiterin mehrere Jahre das Change Management internationaler KMU und Grossunternehmen der Automobilzuliefererindustrie in Deutschland. In den zurückliegenden zehn Jahren war die Generalistin als Personalverantwortliche in unterschiedlichen Unternehmen tätig und kennt alle Facetten der Personalarbeit in Deutschland und der Schweiz. Ihre Arbeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im strategischen und operativen HRM, in der Begleitung von Transformationsprozessen sowie dem Leadership-Management. Ihr umfangreiches Wissen sowie ihre breiten Erfahrungen gibt Ines Doherr seit vielen Jahren als Dozentin und Referentin weiter. Die leidenschaftliche HR-Expertin ist heute auf den Bereich „Digital Leadership & Transformation“ spezialisiert.