Die Mischung machts – Kontrolle und Vertrauen in der Führung

Kontrolle durch den Chef wird allgemein als unangenehm beschrieben, denn sie verunsichert und schränkt ein. Kontrolle kann aber auch gut und wichtig sein.

Autor Christopher Schneider
Datum 23.05.2018
Lesezeit 7 Minuten

Wer sich permanent kontrolliert fühlt und keinen Handlungsspielraum für selbstständige Entscheidungen besitzt, wird mit der Zeit demotiviert und weniger leistungsbereit. Kontrolle als ein wahrgenommenes Phänomen der Überprüfung ist deshalb meistens mit negativen Gefühlen besetzt und wird grundsätzlich abgelehnt.

Ein Imageproblem

Mitarbeitende wünschen sich häufig Vertrauen und lehnen Kontrollen durch den Vorgesetzten eher ab. Gehen wir von einem positiven Menschenbild und von der Tatsache aus, dass Mitarbeitende grundsätzlich engagiert, interessiert und innerlich motiviert sind, sich weiterzuentwickeln und sich selbst als wirksam zu erleben, liegt es auf der Hand, Kontrolle grundsätzlich abzulehnen und nach Handlungsspielraum und Vertrauen zu verlangen. Doch es ist zu differenzieren, ob Kontrolle wirklich immer so schädlich ist und unter welchen Voraussetzungen Führungskräfte tatsächlich uneingeschränkt Vertrauen schenken sollten.

Wann ist Kontrolle gut und wichtig?

Zu den wesentlichen Führungsaufgaben gehören die Aufgabenverteilung sowie die Arbeitskontrolle.

Bei der Aufgabenverteilung geht es darum, jedem Mitarbeiter die zu seinen Kompetenzen am ehesten passenden Aufgaben zu geben. Je mehr er sich bei der Erledigung der Aufgaben gefordert, aber nicht unter- oder überfordert fühlt, umso eher kann er einen Zustand von voller Konzentration und hoher Motivation («Flow») erfahren.

Bei der Arbeitskontrolle hingegen geht es um die Überprüfung der Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen der Arbeit, z.B. von Budgets, Qualitätskriterien oder Zeitplänen. Dies dient normalerweise nicht dem Schikanieren der Mitarbeitenden, sondern soll insbesondere helfen, frühzeitig Risiken der Aufgabenbewältigung zu erkennen und durch aktives Gegensteuern zu reduzieren.

Mittels dieser Kontrollen wird also die Zielerreichung sichergestellt und eine Basis geschaffen, proaktiv Massnahmen planen zu können. Darüber hinaus helfen Kontrollen, z.B. Vorschriften zur Arbeitssicherheit einzuhalten und damit die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen.

Kontrollen können zudem motivierend wirken, indem sie gute Leistungen thematisieren und allein dadurch schon sichtbar machen.

Diese Anerkennung guter Zwischenergebnisse wirkt sich dann häufig positiv auf den weiteren Arbeitsprozess aus. Und selbst das Aufdecken von Problemen oder eher mangelhaften Zwischenergebnissen kann motivierend wirken, wenn sie dem Mitarbeitenden sachlich und ressourcenorientiert gespiegelt werden. Immerhin hat er dann die Möglichkeit, daraus zu lernen und im weiteren Prozess bessere Ergebnisse zu erzielen.

Wenns komplex wird, besser Vertrauen schenken

Kontrollen sind also durchaus nicht nur negativ zu sehen und können sehr wohl ein für alle Seiten nutzenstiftendes Führungsinstrument sein. Es ist aber auch klar, dass je nach Kontext Kontrollen unterschiedlich wirksam sein können. Die Überprüfung von eingehaltenen Toleranzen im Prozess der Fliessfertigung in der Automobilindustrie beispielsweise ist breit anerkannt und wichtig, um Standards und Qualitätsvorgaben zu erfüllen. Doch wie sinnvoll und wirksam sind Kontrollen in interdisziplinären Projektteams mit dem Auftrag der innovativen Produktentwicklung? Wie passen Kontrollmechanismen in eine Unternehmenswelt, die geprägt ist von permanenter Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (VUCA)?

Die Komplexität unserer Arbeitswelt steigt stetig. Vernetzung, neue Technologien sowie permanenter Veränderungsdruck machen es für Führungskräfte nahezu unmöglich, alle Fäden in der Hand zu behalten und genügend Vorlauf zu haben, um Entscheidungen abzuwägen und bedenkenlos (weil umfassend durchdacht, geplant und abgesichert) umzusetzen. Fehler werden wahrscheinlicher, Scheitern wird möglich.

Diese Erkenntnis sollte Führungskräfte zur Einsicht bringen, das eigene Team als Gruppe von Spezialisten zu betrachten, die in ihrem Arbeitsbereich die wahren Spezialisten sind und aus sich heraus ein Interesse daran haben, erfolgreich zu sein. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag für das Team und helfen schliesslich, übergeordnete Ziele zu erreichen.

Wer diesen Mitarbeitenden Vertrauen schenkt und fordernde Aufgaben stellt, schafft Möglichkeitsräume, in denen Ergebnisse entstehen können, die nicht mehr mit gängigen Methoden und Instrumenten planbar sind.

Im Kulturbetrieb lässt sich dies schon seit Langem erleben. Im Jazz z.B. wird mit wenigen Vorgaben (Tempo, Tonart, Stilrichtung) virtuos improvisiert und ein einmaliges Hörerlebnis «erfunden». Und im Improvisationstheater ermöglicht die Definition von nur wenigen spontanen Vorgaben sowie das Befolgen von einigen Grundregeln (assoziieren, Impulsen folgen, schnell sein) durch die Spieler das kreative und lustvolle Schaffen einer packenden Geschichte. Genau das, nach was die zahlenden Zuschauer verlangen.

Die Möglichkeit des Scheiterns ist natürlich inbegriffen.

Aber eben weil Scheitern nicht ausgeschlossen und das Fehlermachen erwünscht sind, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Weil Grenzen überschritten werden dürfen, können neuartige Dinge entstehen. Der Fehler wird zur Inspiration eines noch zu realisierenden Erfolgs.

Eine Führungskraft: «Seitdem ich verstanden habe, dass wir auch Fehler machen dürfen und in unserer täglichen Arbeit schlussendlich auch scheitern können, bin ich mit meinem Team immer wieder auf der Suche nach Möglichkeiten, besser zu werden und erfolgreicher zu scheitern. Um später noch besser zu werden».

Kontrolle und Vertrauen verbinden

Schliesslich sollten Führungskräfte ihren Führungsstil den Gegebenheiten anpassen und je nach Kontext und Bedürfnissen der Mitarbeitenden Kontrolle ausüben oder Vertrauen schenken. Die Mischung macht es aus. In Zeiten von permanentem Wandel wird wahrscheinlich diejenige Führungskraft erfolgreicher sein, die ihr eigenes Führungsrepertoire überprüft und dabei vertrauensvoll mit sich selbst umgeht und einsieht, dass Altbewährtes in bewegten Zeiten manchmal an Grenzen stösst.

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Über den Autor

Christopher Schneider

Christopher Schneider verfügt über grosse Erfahrung als Berater, Coach, Dozent und Trainer. Er arbeitet als Senior Berater und Coach im Bereich der Organisationsentwicklung in Bern, spielt seit Jahren Improvisationstheater und steht regelmässig auf öffentlichen Bühnen. Seit einiger Zeit setzt er in seiner Arbeit als Coach und Entwickler neben bewährten Tools und Techniken vermehrt auch auf Theater-Elemente, um unbewusste Potenziale in Teams spielerisch sichtbar zu machen.