40 Jahre Internet, 40 Jahre Digicomp

40 Jahre Digicomp, 40 Jahre Internet, 40 Jahre Alex Kereszturi – Zeit, um in ein paar Erinnerungen zu schwelgen …

Autor Alex Kereszturi
Datum 15.01.2018
Lesezeit 11 Minuten

Memoiren eines (bald) 40-Jährigen. Dieses Jahr wird Digicomp 40 Jahre alt. Ich auch.

Da die Digicomp beinahe schon mein halbes Leben und das Internet sogar noch länger ein wichtiger Bestandteil meines (Berufs-)Lebens sind, nehme ich das Jahr 2018 zum Anlass, um in Erinnerungen zu schwelgen. Schwelgen Sie doch einfach mit … auch wenn Sie noch nicht oder schon älter als 40 Jahre sind.

Damals vor 40 Jahren (1977–1979)

40 Jahre Internet

Steven M. Bellovin: (Quelle https://www.cs.columbia.edu/~smb/)

Es ist 1977. In Budapest wird eine attraktive Frau Mitte 30 schwanger und in Amerika macht ein – nicht ganz so attraktiver – Herr namens Steven M. Bellovin an der University of North Carolina seinen Master of Science. Die ungarische Ärztin schenkt der Welt neun Monate später einen Sohn. Mr. Bellovin schenkt der Welt mit zwei Kollegen 1979 das Usenet, eine Art digitales schwarzes Brett, das es – schon lange vor dem WWW – grundsätzlich jedem erlaubte, eigene Nachrichten zu verfassen und jene von anderen zu lesen.

Eine ursprünglich militärische Idee des ARPANET, Computer über eine sogenannte teilvermaschte Netzwerktopologie zu verbinden, wurde mit dem Usenet öffentlich zugänglich.

1979 verstanden weder meine Mutter noch ich als neugeborenes Baby, was eine «teilvermaschte Netzwerktopologie» ist. Bei mir hat sich das bis heute geändert. Bei meiner Mutter nicht.

Ihre Mailbox ist voll monochrom (1980–1985)

40 Jahre Internet

Eine Mailbox in grün-schwarz: (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Mailbox_(Computer)#/media/File:Monochrome-bbs.png)

Ich wuchs wohlbehütet heran und machte mir eher Sorgen darum, ob meine Znüni-Box für den Kindergarten voll war oder nicht, als um Speicherplatz auf irgendwelchen Computersystemen. Ganz im Gegensatz zu den Betreibern sogenannter BBS (Bulletin Board Systems), die sich Sorgen machen mussten, ob die Mail-Box ihrer Kunden voll war oder nicht.

Als Kindergarten-Kind kommunizierte ich damals fröhlich mittels Blechdosen-Telefonen mit meinen Freunden, während sich die BBS-User über Akustikkoppler mit ihrer Mailbox verbanden und so mit der ganzen Welt kommunizierten. Heute wissen meine drei Töchter nur noch aus Sagen und Legenden, dass Telefone einmal Drehwahlscheiben hatten und – Smartphones lassen grüssen – dass man damit einfach «nur» telefonieren konnte.

40 Jahre Internet

Akkustikkoppler (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Akustikkoppler#/media/File:Coupleur-accoustique-IMG_0298.JPG)

Die Informationsmenge wird grösser (1986–1989)

Kommt man aus dem Kindergarten in die Schule, ändert sich einiges. Auch die Menge an Informationen, die man zu lernen bzw. zu verarbeiten hat, wird grösser. Genauso war es auch beim Internet. Da immer mehr und mehr Informationen vorhanden waren, musste man sich überlegen, wie man im Informations-Dschungel etwas suchen, finden und dann dorthin navigieren wollte. Diesen Überlegungen verdanken wir heute das World Wide Web.

So wie ich mich anno 1989 über meinen Sega Mega Drive gefreut habe, hat sich wahrscheinlich auch Herr Tim Bernes-Lee am CERN in Genf über seinen ersten Web-Server gefreut und wir haben beide viele viele Stunden staunend vor dem Bildschirm verbracht.

40 Jahre Internet

Der erste Web-Server: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Internets#/media/File:CERN_NEXT_Server_2010-07-01.jpg

Das World-Wide-Web lernt (1990–1997)

Bis das WWW freigegeben wurde, mussten Herr Bernes-Lee und seine Kollegen noch bis 1991 warten. Ab da ist aber die Geschichte des Internet im Prinzip jene des World Wide Web – zumindest in den Augen der Konsumierenden.

Ebenfalls 1991 Jahr entschied ich mich, eine gymnasiale Schulbildung in Angriff zu nehmen und meldete mich für die gymnasialen Prüfungen an. Das WWW und ich haben in den Jahren meiner Zeit an der Mittelschule viel gelernt.

1993 wurde es z.B. möglich – Trommelwirbel, bitte – auf Webseiten auch Bilder anzuzeigen. WOW!

Damals wusste ich nichts vom WWW. Ich war noch damit beschäftigt, den nigelnagelneuen 386er meiner Eltern wieder zum Laufen zu bringen, da ich ihn innert 30 Minuten dazu gebracht hatte, nicht mehr zu starten. Damals hatte mich die IT eiskalt erwischt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Eine Liebe, die noch heute anhält.

1996 kam dann der Netscape Navigator in der Version 3 – eine Revolution.

Dieser Browser konnte schon besser und mehr HTML als der offizielle HTML-Standard. Eine spannende Anekdote, mit der man viel über das Wesen und den Erfolg des WWW lernt und die ich gerne in HTML-Kursen, die ich bei Digicomp unterrichten darf, erzähle. Surfen hat also langsam angefangen, auch visuell Spass zu machen.

Doch der Zugang zum Internet und dem WWW war noch zu langsam. Auch wenn mein erstes 56k-Modem mehr als mein Taschengeld eines ganzen Monats verschlungen hatte, brauchte ich für den Download einer 15 KB grossen Bilddatei meines Lieblingsmodels Cindy Crawford satte 10 bis 15 Sekunden. Doch was waren schon 15 Sekunden im Verhältnis zu den rund 2 Minuten, die mein Modem brauchte, um sich über die Telefonleitung überhaupt mit dem Internet zu verbinden. Ich höre die typischen Geräusche in Gedanken noch immer …

https://www.youtube.com/watch?v=ckc6XSSh52w (Video mit Modem-Sounds)

Das (für mich als Web-Entwickler) grosse Jahr (1998)

1998 war dann das grosse Jahr: Ich durfte den schweizweit ersten WWW-Auftritt einer Schweizer Mittelschule erstellen und veröffentlichen, meine Maturitätsprüfungen ablegen und die Rekrutenschule absolvieren.

Im WWW holten parallel dazu die 1996/1997 eingeführten Cascading Style Sheets zu ihrem Siegeszug aus. Naja, erst einmal verursachten sie die wohl übelsten «Schlachten» im sogenannten Browserkrieg, da die jeweiligen Browser – insbesondere Internet Explorer und Netscape Navigator – noch mehr Code hatten, den sie unterschiedlich interpretieren konnten. Damals fluchten wir Hobby-Web-Entwickler noch über den einen oder den anderen Browser – oder über beide abwechselnd. Heute lehre ich in Kursen wie dem Kurs: Web Developer Basic das «Warum» dahinter und plädiere für die Einhaltung der W3C-Standards.

Das Web wird zu Web 2.0 (1999–2013)

Wer sich die Versions-Geschichte von HTML ansieht, merkt schnell, dass sich in den Jahren zwischen 1999 und 2014 nur sehr (sehr!) wenig verändert hat, was den Standard anbelangt. Für das WWW und das Internet hingegen – und auch für mich – war es eine bewegte Zeit: ich gründete meine eigene Firma und unterrichtete mit FrontPage98 meinen ersten Digicomp-Kurs während das Web langsam, stetig aber unaufhaltbar zum Web 2.0 wurde.

Wenn eine Technologie immer besser (z.B. schneller), einfacher anwendbar und günstiger wird, ist es absehbar, dass sie von mehr und mehr Menschen benutzt wird. Das Internet ist schneller geworden (heute würde das Herunterladen des Cindy-Crawford-Fotos nicht mal mehr einen Wimpernschlag lang dauern) und günstiger (Cindy Crawford hat mich Telefongebühren von 2 Franken pro Stunde gekostet – ganz zu schweigen von all den Stunden, die ich mit IRC, dem Internet Related Chat, verbracht habe).

Heute nutzen (gemäss https://ch.galileo.tv/weltweit/so-viel-zeit-verbringen-wir-taeglich-mit-facebook-twitter-und-co/) mehr als die Hälfte der Menschen das Internet, über 300 Millionen Menschen pro Jahr melden sich neu bei Facebook an und ein durchschnittlicher deutscher Social-Media-User verbringt über zwei Stunden pro Tag in den sozialen Medien.

Ich hatte beim Verfassen dieses Blogs grad einen Bierdeckel zur Hand und habe mal etwas gerechnet:

300 Mio User * 2 Stunden pro Tag = 600 Mio Stunden pro Tag

Die Errichtung des Hoover-Staudamms hat rund 4 Jahre gedauert und es haben 16’000 Menschen am Bau mitgearbeitet, was bei einem 8-Stunden-Tag rund 187 Mio Mann-Stunden ergibt.

Kurz: drei bis vier Hoover-Staudämme könnte man pro Tag bauen, wenn die Leute nicht posten, sondern schaufeln und betonieren würden. Ein digitales Wirtschaftswunder? Rund 27’000’000’000 $ Jahres-Umsatz (2016) alleine bei Facebook sagen: «Ja!»

Mit HTML5 bleibt alles neu (2014)

Mein erster MP3-Download hat über 20 Minuten gedauert. Das war knapp sieben Mal so lange wie das Lied selbst. Meine Kinder hören heute ihre Lieblingsmusik auf YouTube und regen sich schon auf, wenn sie fünf Sekunden auf das Überspringen der Werbung warten müssen.

Ich habe mir früher überlegt, ob ich meine erste Lohnerhöhung in Napster-Aktien investieren soll. Meine älteste Tochter überlegt sich, ob sie ihr komplettes Einkommen als YouTuberin verdienen soll.

Mein erster Fernseher war in etwa so lang wie breit wie tief. Wie viele andere, habe ich wortwörtlich in die Röhre geguckt. Meine Töchter wissen wahrscheinlich nicht einmal, warum YouTube auf deutsch übersetzt «Du Röhre» heisst.

Video regiert das Internet, könnte man heute beinahe meinen, wann man sich so umschaut. Vor 40 Jahren hätte sich das wohl keiner träumen lassen!

Das Internet hat sich rasant entwickelt. Schneller als z.B. der HTML-Standard überhaupt mithalten konnte und es hat – wie oben schon angedeutet – sehr lange gebraucht, bis der HTML5-Standard (endlich) verabschiedet wurde. Dieser ermöglicht es jetzt aber tatsächlich, die rasanten Entwicklungen im Internet und im WWW weiterzuführen.

Heute ist morgen schon gestern (2018)

Ich werde dieses Jahr 40. Digicomp auch

Es würde mich nicht wundern, wenn ich mit 80 überhaupt nicht mehr verstehen würde, was da für Technologien bei Digicomp unterrichtet werden oder mit welchen IT-Gadgets meine Ur-Enkel-Kinder mich beeindrucken möchten.

Wahrscheinlich werde ich mich, inspiriert vom «80 Jahre Digicomp»-Newsletter, an mein erstes Handy mit 4G erinnern, das ich doch noch irgendwo im Estrich verstaut hatte. Und nachdem ich es entstaubt und altmodisch mit Strom aus der Steckdose aufgeladen haben werde, schalte ich es dann ein und geniesse die meditativ-lange Zeit, die vergeht, bis es startet. Nur um dann resigniert festzustellen, dass ich ins Museum für Altertum fahren müsste, um überhaupt noch irgendwo WLAN zu haben.

Spätestens dann werde ich mich in meinem Schaukelstuhl zurücklehnen, all den Social-Media-Entwöhnten beim Schaufeln und Betonieren zusehen und an die guten alten Zeiten zurückdenken, wo noch Internet-Sucht, Cyber-Mobbing, Fake-News und globale Erwärmung unsere Sorgen waren. Damals hatte ich beim Schreiben eines Blogbeitrags zum Thema «40 Jahre Internet» das Gefühl, die Menschheit werde das allgegenwärtige Internet vielleicht irgendwann zum Guten nutzen.

Ja, damals vor 40 Jahren … damals war heute noch morgen.

 


Über den Autor

Alex Kereszturi

Alex Kereszturi ist Web Solution Developer der ersten Stunden, Trike-Fahrer und Hobby-Psychologe. Als einer der ersten «Webpulisher SIZ» und als «Adobe Certified Instructor» entwickelt er seit seinem 15. Lebensjahr Lösungen für das WWW, Mobilgeräte und andere Lebenslagen. Er ist seit bald 25 Jahren Kursleiter bei Digicomp, liebt das Sein in der Natur und setzt bei seinen Schulungen auf einen guten Mix aus Information, Praxisübungen und Unterhaltung. Als Inhaber und CEO führt er die Smilecom GmbH als ein kleines aber feines Software-Entwicklungs-Unternehmen und immer wieder ein turbulentes Familienleben mit drei Töchtern.