Produktivität steigern – Prioritäten bei der betrieblichen Weiterbildung

KMURundschau führte mit Bak-Heang Ung, Geschäftsleiterin bei Digicomp, ein Interview zum Thema «Prioritäten bei der betrieblichen Weiterbildung».

Autor Beni Stöckling
Datum 05.07.2017
Lesezeit 8 Minuten

KMURundschau führte mit Bak-Heang Ung, Geschäftsleiterin bei Digicomp, ein Interview zum Thema «Prioritäten bei der betrieblichen Weiterbildung».

Quelle: kmuRundschau, Ausgabe 2/2017. Das Interview führte Georg Lutz


Der rasende Zeitgeist und die technologische Entwicklung lassen uns oft den Kopf schütteln. Es gibt aber keine Alternative: Wir müssen uns in der Weiterbildung proaktiv einmischen. Heute geht es beim Thema Weiterbildung weniger um das Arbeiten mit einer neuen Software, sondern um Geschäftsprozesse, die auf den Prüfstand gestellt werden. Wir unterhielten uns mit der Geschäftsführerin des Anbieters für betriebliche Weiterbildung Digicomp.

KMURundschau: Vielen KMU-Verantwortlichen wird schwindelig bei den vielen Herausforderungen, die im Zuge der digitalen Transformation wie Wellen über ihnen zusammenschlagen. Fast jeden Monat hört man in den Medien ein neues Schlagwort. Können Sie die Verwirrung nachvollziehen?

Bak-Heang Ung: Die Verwirrung kommt zustande, wenn man sich mit diesen Schlagwörtern wenig auseinandersetzt. Die digitale Transformation, Cloud-Computing, Kulturchange, Automatisierungen, Arbeiten 4.0, Artificial Intelligence, Industrie 4.0 …

… Das sind ja jetzt gleich sehr viele Stichworte …

… Aber alle gehören zusammen. Die Einstellung zum Wandel ist entscheidend. Will man diese Entwicklungen und die damit einhergehende Veränderung direkt auf sich zukommen lassen oder will man selber die Veränderung mitgestalten? Ich spreche jeden Tag mit KMU-Verantwortlichen, die orientiert sind, nicht verwirrt, die Chancen packen und sich selber verändern. Ich bin da optimistisch. Die Alternative heisst Schneckenhaus.

Sind Sie eigentlich noch Verkäuferin von Weiterbildung oder ist eher die Psychologin oder der Coach gefragt?

Wir bieten nicht nur Kurse für den Inhalt an, sondern auch Coaching- und Beratungsdienstleistungen. In vielen Weiterbildungen erarbeiten wir Konzepte für die Digitalisierung, die die Seminarteilnehmer zurück in ihr Unternehmen tragen. Unsere Trainer sind hauptberuflich in ihrem Unterrichtsgebiet tätig und können dadurch Know-how mit der Praxis vernetzen – zum Mehrwert der Teilnehmenden: Sie holen sich Wissen aus verschiedenen Disziplinen, das sie nicht auf YouTube finden und nicht googeln können. Wir sehen unsere Rolle mehr und mehr als Coach, der Antworten für individuelle Fragen erarbeitet. Oder dabei hilft, zunächst die richtigen Fragen zu stellen.

Das Kerngeschäft Ihres Hauses heisst Weiterbildung, was die IT betrifft. Auf der einen Seite vermitteln Sie Wissen zu einer konkreten Software. Es geht aber auch um strategische Planungen. Gibt es einen Masterplan für Unternehmensverantwortliche?

Nein. Für Unternehmensverantwortliche gilt es, eine Vorwärtsstrategie und neue Businessmodelle zu entwickeln. Jedes Unternehmen und jede Branche ist hier selber gefragt. Wir bieten Seminare an, in denen Business Modeling als Methode vermittelt wird. Dabei bringen die Teilnehmer ihre eigenen Herausforderungen ein, wodurch die Modelle unmittelbar lebendig werden können.

Können Sie das in ein Bild fassen?

Wir selber orientieren uns an einem Wissenstreppen- Modell. Es legt zunächst die Basis der IT-Infrastruktur fest, darauf kommen die Prozesse und die Struktur der Organisation. Auf dem obersten Treppchen stehen die soziokulturellen Herausforderungen.

Das Steigen auf der Treppe können Sie sicher an Beispielen verdeutlichen?

Ja, so komplettieren wir auch unser Gesamtportfolio: Nach Cloud, SaaS oder Office 365 folgen Collaboration, digitale Prozesse und agile Projekte bis zu Leadership, Change-Management und New-Culture- Seminaren. Das Bild der Treppe bietet sich an, da Abhängigkeiten bestehen: ohne moderne IT keine Digital Collaboration und folglich keine agile Unternehmenskultur.

«Herausfordernd wird es, da der Wandel erst funktioniert,
wenn er gesamthaft angegangen wird.»

Herausfordernd wird es, da der Wandel erst funktioniert, wenn er gesamthaft angegangen wird. Zentrale Stichworte sind hier Topdown, Buttom-up, Rahmenbedingungen, Experimente, Erfolge und Fails. Wir selber haben den Prozess 2009 gestartet, und ich sage Ihnen: Wir haben viele Fehler gemacht.

Können Sie uns ein Beispiel verraten?

Zum Beispiel haben wir uns auf eine tolle CRM-Lösung gestürzt, ohne einen klaren Masterplan zu haben – wir wollten einfach in die Cloud. Diese Erfahrung verpacken wir nun in unseren zukünftigen Projekten. Es gilt, eine produktive Fehlerkultur in den Unternehmen zu etablieren.

Ja, es muss sich nicht jeder die gleiche blutige Nase holen.

Richtig. Es gibt, um auf Ihre vorherige Frage zurückzukommen, keinen Masterplan, aber so etwas wie Best Practices für Unternehmen im Wandel. Dies können wir bereits jetzt anbieten.

Unsere Arbeit verändert sich. Das aktuelle Schlagwort heisst Coworking. Wir haben dazu in der vorliegenden Ausgabe einen Schwerpunkt. Ist das aus Ihrer Sicht ein oberflächlicher Hype aus den USA oder aufgrund der technologischen Umwälzungen fast schon eine logische Selbstverständlichkeit?

Bring your own Device, Desksharing, Mobile- Working sind Themen, die in Unternehmen noch aktuell auf der Agenda stehen. Coworking ist für mich eine Stufe höher und hängt mit den Bedürfnissen der Millennials zusammen. Sie möchten in sinnvollen Projekten in wechselnden Teams mit jeweils den spannendsten Kollegen zusammenarbeiten. Festanstellungen sind eher hinderlich, man begegnet sich in Coworking Spaces und spannt temporär zusammen. Diese Entwicklung ist für mich hier kein Hype, sondern bereits eine Folge der Digitalisierung. Digitale KMU-Verantwortliche überlegen sich bereits, wie sie ihr Talent Recruiting auf diese Bedürfnisse ausrichten können. Das heisst nicht in erster Linie technische Bereitstellung von Coworking, sondern lose Arbeitsverträge, Teilen von geistigem Eigentum, Nutzen und Bereitstellen von agilen Strukturen auch ausserhalb des Unternehmens. Sie merken, wer jetzt noch überlegt, wann der richtige Zeitpunkt für einen Start in die Digitalisierung ist, muss ziemlich aufholen. Einige, mit denen wir im Netzwerk arbeiten, sind schon sehr weit.

Wie organisieren wir für uns, in solch einem dynamischen Rahmen, die praktische Weiterbildung?

Wir bieten den Rahmen und den Ort, um sich zu treffen. Vernetzen Sie sich, nutzen Sie Social Media, schauen Sie sich TED Talks (Technology, Entertainment, Design) an, besuchen Sie Referate und Meetups. Und nehmen Sie sich die Zeit für Kurse und Weiterbildungen, wie auch wir sie anbieten. Nicht nur, um zu lernen, sondern um die Zeit zu haben, mit anderen kreativ zu sein, gemeinsam zu denken.

Kommen wir auf Ihr Haus zu sprechen. Die Weiterbildungsangebote sind in der Schweiz nicht gerade dünn aufgestellt. Wie positionieren Sie sich in diesem Markt?

Wir sind der Partner für betriebliche Weiterbildung. Unsere Weiterbildungen sind so konzipiert, dass sich ein Mitarbeiter bei uns zwar individuell weiterbildet, durch sein neues Wissen und die neuen Perspektiven in der Summe aber auch für sein Unternehmen einen Mehrwert generiert und dabei hilft, die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Das theoretische Wissen aus dem Kurs kann zum Vorteil des Unternehmens direkt am Arbeitsplatz umgesetzt werden. Wir bieten noch nicht alle Inhalte an, die ein Unternehmen benötigt; wir erweitern ständig, wie zum Beispiel mit dem Kauf der Somexcloud vor knapp einem Jahr, um den Bereich Digital Marketing auszubauen. Sicher ist, dass alle Weiterbildungen, die wir anbieten, Unternehmen helfen, schneller, besser oder eben anders zu arbeiten.


Über den Autor

Beni Stöckling

Beni Stöckling ist seit 2017 Mitglied des Digicomp Online Marketing-Teams und in dieser Funktion unter anderem verantwortlich für den «Drive the Change»-Blog und die AdWords-Aktivitäten. «Eine Meinung zu haben ist gut, eine Ahnung zu haben besser. Lernen und Weiterbilden heisst neugierig sein auf die Zukunft. Und jeden Tag ist morgen Zukunft.»