Absenzenmanagement im Praxisalltag richtig einsetzen

Mitarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen fehlen, belasten Unternehmen. Ein effizientes Absenzmanagement-System kann hier helfen.

Autor Alexandra Meures
Datum 16.02.2017
Lesezeit 7 Minuten

Menschen können krank werden und fehlen am Arbeitsplatz. Das ist zum einen der natürliche Lauf der Dinge und zum anderen eine Belastung für alle Betroffenen. Im Personalmanagement kann diese Belastung mit Absenzenmanagement minimiert werden.

Die menschliche Seite der Absenzen durch Erkrankungsursachen

Eine Erkältung oder Grippe ist im Anzug, doch der erste Schnupfen und Husten hält einen ja noch nicht davon ab, sich trotz Unwohlsein zur Arbeit zu schleppen. Dort angekommen, ist man dennoch nicht voll leistungsfähig und schleppt sich durch den Tag (Präsentismus). Die Produktivität ist gering, die Fehlerquote der verrichteten Arbeiten hoch und durch den Kontakt mit den Kollegen besteht die Gefahr, diese auch noch anzustecken. Ein Dilemma, das wohl in vielen Unternehmen, gerade in den letzten Wochen, zum Arbeitsalltag gehörte.

Warum gehen Menschen selbst «mit dem Kopf unterm Arm» noch zur Arbeit?

Weil man nicht wegen jeder «Kleinigkeit» fehlen kann und möchte, die Arbeit macht sich ja nicht von alleine, die Kollegen möchte man nicht im Stich lassen und das Ansehen vor dem Chef, dass man trotz Krankheit arbeiten kommt, ist einem auch wichtig – oder es besteht gar die Angst vorm Arbeitsplatzverlust.

Bei einer Erkältung oder Grippe ist die Krankheit in der Regel nach einer Woche (für den Einzelnen) ausgestanden.

Bei schwerwiegenderen und langfristigen Krankheiten ist jedoch die Gefahr der Überbelastung und der damit verbundenen Ausfallzeit umso höher. Die mit der Ausfallzeit möglichen einhergehenden Ängste bilden zudem einen Teufelskreis und können somit die Gesundung gefährden – was wiederum die Absenztage erhöht.

Warum fehlen Menschen obwohl «keine akute Krankheit» zu erkennen ist?

Psychische und Psycho-Somatische Erkrankungen gründen tief und sind für den Laien meist nicht zu erkennen. Sie verschlimmern sich oftmals durch zusätzliche (ggf. zwischenmenschliche) Belastungen im stressigen Arbeitsalltag und führen vorwiegend zu langwierigen Erkrankungen und Arbeitsausfällen.

«Die Früherkennung von Belastungsgrenzen ist also ein wichtiger Bestandteil, um präventiv für die Gesundheit der Beschäftigten zu sorgen sowie die betrieblichen Abläufe sicherzustellen.»

Die betriebswirtschaftliche Seite

Unternehmen sind «straff organisiert». Der Ausfall einer Person muss, wenn möglich, durch die Kollegen kompensiert, ggf. durch Aushilfen abgedeckt oder von der erkrankten Person im Anschluss aufgearbeitet werden. Die Absenzenquoten in Unternehmen sind sehr unterschiedlich und auch branchenspezifisch, wobei sie allgemein zwischen 1 bis 8% liegen.

Bei einem KMU mit 50 Beschäftigten würde ein Ausfall von 3% pro Beschäftigtem zu Kosten von bis zu 350’000 Franken im Jahr führen. Der Hauptteil der Kosten entfällt auf die sogenannten indirekten Kosten, die bis zu 2/3 ausmachen. Hierzu zählen u.a. organisatorische Umtriebe, Produktionsausfall, Verlust von Kunden, Kosten für Vertretungen, Minderung der Arbeitsqualität durch Stress, Unzufriedenheit, zusätzlicher administrativer Aufwand im HR etc.

Von der Erfassung und Auswertung von Absenzen hin zur Verbesserung

Aufgrund der betriebswirtschaftlichen Seite setzen viele Unternehmen auf die Erfassung und Auswertung von Absenzen ihrer Beschäftigten, um so Verbesserungen für den Einzelnen sowie für die Organisation einzuleiten. Zu den Verbesserungsmassnahmen und dem Absenzenmanagement zählen u.a. die fünf Aufgaben des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM):

  • Gesundheitsförderliche Strukturen und Prozesse entwickeln und erhalten
  • Eine partnerschaftliche Führung herstellen
  • Eine Vertrauenskultur aufbauen
  • Gemeinsame Überzeugungen und Werte stärken
  • Das Wohlbefinden verbessern
  • Persönliche Gesundheitspotenziale nutzen

Augenmerk Gesundheitsressourcen und -potenziale der Verhaltensprävention

Die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) verfolgt den Grundansatz des salutogenetischen bzw. potenzialorientierten Aspekts – sie beschäftigt sich damit, was die Gesundheit fördert. Im BGF geht es also darum, dass dort, wo Abwesenheitstage zu hoch sind, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen unter Ausnutzung der Ressourcen geschaffen werden bzw. dort, wo Absenzen kaum ein Thema sind, diese Bedingungen erhalten werden. Der Nutzen der Gesundheitsförderung soll erkannt und die Gestaltungsmöglichkeiten wahrgenommen werden – dies ist das Ziel der Verhaltensprävention.

Welche praxisorientierten Ansätze fördern die Gesunderhaltung?

Der bekannte Managementberater Dr. Reinhard Sprenger sagt: «Menschen gehen zu Unternehmen (aufgrund ihres Corporate Brands). Menschen bleiben dort, wo sie gesehen und gehört werden, sich einbringen können und Anerkennung finden. Sie verlassen Unternehmen aufgrund fehlender Eigenschaften der Führungskräfte.»

Indirekte und direkte Führung

Es geht also gleichermassen um die indirekte Führung, also die Strategie, Struktur und Kultur des Unternehmens sowie um die direkte Führung, die den Zusammenhang zwischen Führungsperson, Beschäftigen und Aufgaben beinhaltet. In der Verbindung mit Absenzmanagement und BGM setzt dieses bei der indirekten Führung an, wobei die BGF-Massnahmen – zur Absenzenminderung und Gesundheitsförderung – mit in das Ressort der direkten Führung fallen.

Indirekte und Direkte Führung im Zusammenhang mit Absenzmanagement

Welche Art der Führung ist die richtige? Ziel- oder werteorientiert?

Führung ist immer individuell und personenbezogen. Der Begriff «richtig» sollte sich also individuell orientieren und damit den situativen Führungsstil nach Hersey und Blanchard in Betracht ziehen. Dieser folgt dem Satz: «Ungleiche Menschen gleich zu behandeln, ist nicht Gerechtigkeit, sondern Gleichmacherei.»

Des Weiteren empfiehlt es sich, Brücken zu bauen zwischen transaktionaler und transformationaler Führung. Es geht also darum, den transaktionalen, sachlichen Aspekt der Führung – durch Ziele, Aufgaben, Übertragung von Verantwortung sowie die Kontrolle des Erreichungsgrads und damit verbundenen Belohnungen oder Sanktionen zu führen – mit dem transformationalen Führungskonzept zu verbinden, bei dem es um eine gemeinsame Basis und das Transformieren von Werten geht. Denn genau um diese intrinsisch-motiviert gerichtete Arbeits- und Lebensweise geht es auch im Salutogenesemodell (Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Machbarkeit) und bei Frederic Laloux’s Ansatz (Reinventing Organizations), der Ganzheitlichkeit.

Hier schliesst sich der Kreis

Wer Absenzen mindern möchte, schafft Raum, in dem sich Menschen als Mit-Wirkende – mit Weitblick – sehen. Ein Raum, in dem sich Mitarbeitende gemäss ihrer Fähigkeiten einbringen können, um so den Sinn in ihrer Tätigkeit für und mit dem Unternehmen zu gestalten. Das Absenzenmanagement hilft Auswirkungen von Belastungsüberschreitungen aufzuzeigen, um so Lösungen für die Minderung der menschlichen wie auch betriebswirtschaftlichen Belastungen zu finden.


Über den Autor

Alexandra Meures

Während ihrer 20-jährigen Führungs- und Managementlaufbahn war Alexandra Meures für mehre internationale Firmen im Auf- und Ausbau neuer Geschäftsbereiche zuständig. Ihr lösungsorientiertes, unternehmerisch-soziales Denken und Handeln setzte sie besonders in der Verbindung der Verhältnis- und Verhaltensoptimierung für Mitarbeitende und Unternehmen ein. Dazu zählten u.a. Struktur- und Prozessentwicklung sowie der Aufbau neuer Abteilungen in Gründungs- und Veränderungsphasen. Nicht zuletzt durch ihre internationale Erfahrung mit wertschätzender Arbeitskultur und achtsamer Kommunikation ist sie heute als Consultant und Trainerin im betrieblichen Gesundheitsmanagement tätig. Dies inklusive Analyse, Budgetierung, Entwicklung und Begleitung in der Umsetzung. Qualifizierungen: Executive International MBA, Coach, Trainerin, Gesundheitsberaterin, betriebliche Gesundheitsmanagerin, auch auf Basis «Friendly Workspace» (Label Gesundheitsförderung Schweiz).