Was ist eigentlich Design Thinking?

Design Thinking ist eine Innovationsmethode, die den Kunden ins Zentrum stellt und sich schrittweise der Optimierung dessen Bedürfnis nähert. Leseen Sie, wie’s funktioniert!

Autor Chris Brügger und Jiri Scherer
Datum 09.02.2017
Lesezeit 9 Minuten

Ein Begriff macht in der Wirtschaft die Runde: Design Thinking heisst das Wort der Stunde. Die von der Designagentur IDEO und der Stanford-Universität entwickelte Innovationsmethode durchläuft sechs Phasen und führt oft zu überraschenden Resultaten von hoher Qualität.

Design – da denkt man meist an die Form und Gestaltung von Möbeln, Lampen oder Küchengeräten. Dieses Verständnis ist ganz klassisch für den deutschen Sprachraum. Es greift allerdings zu kurz, um den Design-Thinking-Ansatz zu erfassen. Orientiert man sich am englischen Gebrauch des Verbs «to design», kommt dies der Sache näher: Damit ist nämlich heute der umfassende Prozess des bewussten und planmässigen Gestaltens von Produkten, Dienstleistungen und Strukturen gemeint.

Die sechs Phasen des Design-Thinking-Prozesses

Der Design-Thinking-Prozess der Universität Stanford gliedert sich in sechs aufeinander abgestimmte Arbeitsschritte:

  • Verstehen
  • Beobachten
  • Standpunkt definieren
  • Ideen finden
  • Prototypen entwickeln
  • Testen

Arbeitet man sich seriös durch diesen Prozess, steht am Ende ein funktionierendes Ergebnis da: Eine brauchbare und manchmal auch überraschende Lösung von hoher Qualität für das anfangs formulierte Problem.

  1. Verstehen

    Wie muss man sich den Prozess konkret vorstellen? Beginnen wir mit dem ersten Schritt, dem Verstehen: Das Design-Thinking-Team – optimalerweise bestehend aus Mitgliedern der unterschiedlichen Disziplinen – definiert und beschreibt hier das Problem und die Aufgabenstellung. Viele sind der Meinung, dass dieser Schritt der wichtigste ist. Fehler, die hier gemacht werden, wirken sich auf den gesamten Prozess aus. Zentral sind eine auf die Zielgruppe ausgerichtete Beschreibung des Problems, Hinweise zur Messbarkeit des Erfolgs sowie inhaltliche und zeitliche Prioritäten. Oft kann es passieren, dass die Aufgaben im ersten Schritt entweder zu allgemein angelegt werden, oder aber sie fallen bereits zu spezifisch aus. Beides ist für den weiteren Prozess kontraproduktiv und sollte vermieden werden.

  2. Beobachten

    Ist das Problem ausformuliert, beginnt die zweite Phase, das Beobachten. Nun werden bereits vorhandene Lösungen analysiert und Beteiligte und Betroffene definiert. Der Blick soll in alle Richtungen schweifen. Der Schwerpunkt liegt auf qualitativer Forschung. Die Teammitglieder – die in dieser Phase nun in kleinen Gruppen oder gar alleine arbeiten und möglichst schnell zu Experten in ihrer Aufgabe werden sollen – betätigen sich sowohl als Detektiv als auch als Journalist. Die eigentliche Arbeit beginnt im direkten Kontakt mit den zukünftigen Anwendern, Nutzern oder Kunden. Diese werden interviewt und beobachtet. Natürlich wird alles genau dokumentiert, und zwar nicht nur schriftlich, sondern auch durch aussagekräftige Fotos, Videos oder Sprachaufnahmen. Das Denken in Bildern ist wichtig und soll übrigens im ganzen Prozess angewendet werden. Es erhöht die Chance, dass man sich besser an die Informationen erinnern kann. Sprechen, Schreiben, Zeichnen und Gesten sind in der Kombination also die idealen Instrumente, um den eigenen Denkprozess, aber auch denjenigen der anderen anzuregen.

  3. Standpunkt definieren

    In der nun folgenden dritten Phase wird der Standpunkt definiert. D.h. die gesammelten Erkenntnisse werden ausgewertet, interpretiert und gewichtet. Die Spreu wird vom Weizen getrennt, relevante Fakten werden von nicht relevanten unterschieden. Ziel ist es, den richtigen Blickwinkel auf das Problem zu finden. In dieser Phase arbeitet wieder das gesamte Team zusammen, damit alle genau und gleichermassen mit dem Problem und dem Stand der Dinge vertraut werden.

  4. Ideen finden

    Die Ideenfindung, die vierte Phase, dient dazu, Lösungen zu entwickeln, zu sammeln und zu bewerten. In relativ kurzer Zeit sollen möglichst viele Ideen produziert werden. Üblicherweise wird die Brainstorming-Methode dafür verwendet. In der Praxis ist diese Phase besonders schwierig. Das liegt allerdings meist entweder daran, dass die vorangehenden Schritte nicht ernsthaft genug angegangen worden sind oder weil die Ideenfindung durch Hierarchien und Expertentum gehemmt wird.

  5. Prototypen entwerfen

    Gelingt es, diese Klippen zu umschiffen, kann die fünfte Phase folgen: das Entwerfen von Prototypen. Dies ist eine ziemlich ungewöhnliche Vorstellung für jemanden, der noch nicht mit dem Design-Thinking-Prozess vertraut ist. Allerdings ergibt es bei näherem Hinschauen Sinn: Die Ideen sollen damit sichtbar und kommunizierbar gemacht werden, damit Anwender sie testen und Feedback geben können. Denn jede Art von Prototyp ist besser als eine blosse Beschreibung. Die Prototypen müssen nicht komplex oder teuer sein. Eine kleine Bastelarbeit oder ein kurzer Film einer entsprechenden Situation genügen. Die Idee soll ganz einfach erlebbar gemacht werden. Nur dann kann man sie in die nächste Phase geben.

  6. Testen

    Wichtig bei der sechsten Phase, dem Testen, ist, dass nicht nur die Design Thinker ihre Lösungen erproben, sondern dass dies gemeinsam mit den späteren Nutzern statt findet. Nur so kommt man zu praxisnahen Ergebnissen. Der Nutzer muss verstehen, worum und wie es geht. Beim Testen können Stärken und Schwächen einer Idee zum Vorschein kommen und dies hilft, die Richtung für die weitere Entwicklung festzulegen. Fehler sind willkommen und dazu da, daraus zu lernen. Es geht also nicht darum, hier Lorbeeren für eine Idee zu gewinnen. Es ist lediglich eine Tatsache, dass der Lernprozess viel einfacher in Gang kommt, wenn man einen Prototypen in der Hand halten und ihn ausprobieren kann.

Früh und oft scheitern

Am Ende der sechsten Phase ist man nicht etwa fertig. Denn eine wichtige Regel beim Design-Thinking-Prozess ist die Iteration, das Zurückgehen zu früheren Schritten. So führen die Erkenntnisse aus der sechsten Phase zum Beispiel oft zur fünften Phase zurück, nämlich zur Produktion eines weiter verfeinerten Prototypen. Auch frühes oder häufiges Scheitern ist sehr sinnvoll. Einen Schritt zu wiederholen, ist keinesfalls ein Verlust an Zeit und Aufwand, sondern ein Erkenntnisgewinn und deshalb als Lernerfolg zu werten.

Nichtsdestotrotz gilt auch dem Faktor Zeit besondere Aufmerksamkeit: In unserer heutigen Wirtschaft schlucken meist nicht mehr die Grossen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Die Lebenszyklen von Produkten werden immer kürzer und der Preisverfall setzt immer früher ein, weil Wettbewerber mit ähnlichen Produkten nachziehen. Es reicht also nicht mehr, nur grossartige Lösungen zu entwickeln. Dies muss auch möglichst schnell geschehen. Zeitknappheit bietet aber auch Vorteile: Sie fördert die Spontaneität und verhindert die immer wiederkehrende Zensur im eigenen Kopf. Und wenn es um die Ideenfindung geht, wirken sich Marathon-Sitzungen eher ermüdend als kreativitätsfördernd aus. Das Motto lautet also: Gute Resultate durch knappe Zeit. Nicht trotz knapper Zeit.

Richtig angewendet, ist Design Thinking viel mehr als ein modischer Begriff! Es ist eine Menschen-zentrierte, kreative, iterative und praktische Herangehensweise, um die besten Ideen und Lösungen zu einer Fragestellung zu finden. Wer das entsprechende Denken verinnerlicht, besitzt zwar nicht gerade eine Wunderwaffe, aber ein ideales Werkzeug für die Entwicklung von wahren Innovationen. Und zwar nicht nur im Produktbereich, sondern auch für Dienstleistungen, ja auch für soziale Fragestellungen.

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Über den Autor

Chris Brügger und Jiri Scherer

Chris Brügger und Jiri Scherer sind Gründer von Denkmotor. Sie sind Experten für die Vermittlung von kreativen Denktechniken. Sie leiten in Zusammenarbeit mit Digicomp die Kreativitässeminare.