ITIL® Practitioner – so profitiert Ihr Unternehmen am meisten von ITIL

Der ITIL® Practitioner hilft dabei, das ITIL-Wissen in die Realität der Organisation zu bringen. Markus Schweizer erklärt die 9 Prinzipien anhand derer ITIL® implementiert werden kann.

Autor Markus Schweizer
Datum 16.01.2017
Lesezeit 5 Minuten

Der ITIL® Practitioner ist die neuste ITIL®-Publikation und adressiert eine Frage, die ich oft am Ende von ITIL®-Kursen gefragt werde:

«Wie macht man es denn nun? Wie bringe ich die wunderbare ITIL®-Theorie in die Realität meiner Organisation?»

Der ITIL® Practitioner schlägt dafür eine Mischung von «Continual Service Improvement», «organisatorischem Change» sowie den «9 Prinzipien» vor. Die Anwendung von CSI und organisatorischem Change entspricht auch meinen Erfahrungen. Sehr interessant finde ich die 9 Prinzipien. Sie sind eine Mischung von Grundsätzen aus der agilen Welt und von verschiedenen Qualitätsmanagement-Ansätzen wie Kaizen und Kanban.

Die 9 Prinzipien des ITIL® Practitioners

  1. Focus on value
  2. Design for experience
  3. Start where you are
  4. Work holistically
  5. Progress iteratively
  6. Observe directly
  7. Be transparent
  8. Collaborate
  9. Keep it simple

Die 9 Prinzipien in der praktischen Anwendung

In einem Beratungsmandat hatte ich die Gelegenheit, die 9 Prinzipien praktisch anzuwenden. Der Kunde hat die IT in ein Shared Service Center ausgelagert und hat nur noch eine kleine IT-Service-Management-Abteilung von 10 Mitarbeitern. Die Hauptaufgaben sind die Unterstützung der Mitarbeiter bei Incidents, Service- und Change Requests sowie die Sicherstellung, dass Änderungen beim Shared Service Provider keine negativen Auswirkungen auf die kundenspezifischen Anwendungen haben.

Es gibt keine grossen Budgets für Prozessverbesserungen, aber trotzdem möchte man sich stetig verbessern. Die 9 Prinzipien ermöglichen hier die Identifikation und Implementierung stufenweiser Verbesserungsschritten, die die IT-Service-Organisation nicht überfordern und trotzdem stetig Kundennutzen generieren.

  1. Focus on value
    Was bringt eine spür- und messbare Verbesserung für den Kunden? Was steigert die Effizienz der IT-Service-Organisation? Nach der 20/80-Regel werden Ziele und Prioritäten gesetzt.
  2. Design for experience
    Die Zusammenarbeit mit der IT-Service-Organisation soll für den Kunden einfacher werden. Papierformulare sollen durch Tickets ersetzt und wo möglich und sinnvoll automatisiert werden.
  3. Start where you are
    Die IT-Service-Organisation hat erfahrene Mitarbeiter, aber wenig klare Strukturen (alle machen alles). Die Einführung eines vereinfachten Prozesses für Change- und Releasemanagement wird als erster Schritt geplant, um Prozessmanagement-Fähigkeiten zu entwickeln.
  4. Work holistically
    Der vereinfachte Change- und Releasemanagement-Prozess wird mit einem Ticketing-Tool abgebildet, die IT-Mitarbeiter werden mit Kurzschulungen in ITIL® und Cobit sensibilisiert.
  5. Progress iteratively
    Die erste Prozessimplementierung wird rudimentär sein, aber einen spürbaren Unterschied machen. Dann kann entschieden werden, ob der Prozess verfeinert werden soll oder ob andere Prozesse in gleicher Weise entwickelt werden sollen.
  6. Observe directly
    Die Abläufe werden vor Ort bei den Kunden und den IT-Mitarbeitern beobachtet und analysiert. Die Prozessumsetzung orientiert sich an der gängigen Praxis und nutzt ITIL® nur als Ideenlieferant für gezielte Verbesserungen.
  7. Be transparent
    Die Verbesserungen werden laufend mit dem Shared Service Provider, dem Management und mit Kundenvertretern diskutiert, Umsetzungserfolge und Quickwins werden regelmässig kommuniziert.
  8. Collaborate
    Andere Service-Einheiten der Kundenorganisation (Kundendienst, HR, Gebäudetechnik) werden in die Aktivitäten einbezogen, um Synergien zu erzeugen und die Ticketing-Plattform besser auszulasten.
  9. Keep it simple
    Es werden keine umfassenden Konzepte entwickelt. Man verzichtet vorerst auf Service Levels. Es wird lediglich sichergestellt, dass die Zusammenarbeit mit dem Shared Services Provider (mit dem man SLA»s hat) zugunsten des Anwenders optimiert wird.

Mit dem ITIL® Practitioner in die agile Welt

Die Grundidee des ITIL® Practitioners ist es, von der Vorstellung der «ITIL®-Implementierung» weg und hin zu einem Ansatz von «adopt and adapt» zu kommen: zum Einsatz von ITIL®-Konzepten zur schrittweisen Verbesserung der IT-Leistung. Damit schafft der ITIL® Practitioner auch sehr elegant eine Verbindung in die agile Welt: Verbesserungen können in Sprints umgesetzt werden – ITIL® bildet das Rahmenwerk, das sicherstellt, dass die Verbesserungen am Ende zusammenpassen.

Die 9 Prinzipien repräsentieren diesen Anspruch sehr schön. Sie sind auch für ITIL®-Laien einfach verständlich und deshalb gerade auch in kleineren Organisationen sehr gut anwendbar.


Über den Autor

Markus Schweizer

Markus Schweizer ist Digicomp Trainer, ITIL®- und Cobit®-Experte und Strategie-Berater bei Plat4mation für alle Belange des IT-Managements. Zuvor arbeitete er für IBM und PwC und verbrachte er neun Jahre in den USA, wo er Grossfirmen beim Einsatz von Service-Management-Konzepten beriet. Seine Beratungsschwerpunkte sind IT Business Management, interne Digitalisierung, Governance und SIAM.