internet.org: Fluch oder Segen?

Autor Ricardo Schranz
Datum 06.10.2016
Lesezeit 4 Minuten

Der Chef und Gründer von Facebook, Mark Zuckerberg, präsentiert sich in der Öffentlichkeit immer wieder ganz gerne als grosszügiger Mensch. Es herrscht der Eindruck, der Mann fühle sich berufen, unsere Welt besser zu machen.

Natürlich, es ist völlig unbestritten, dass sein Baby – das soziale Netzwerk Facebook – einen beispiellosen Siegeszug hingelegt hat. Die Facebook Gemeinde ist mit monatlich rund 1.7 Milliarden aktiven Nutzer_innen inzwischen grösser als jedes Land dieser Welt. Und Facebook hat es in der Tat geschafft, Menschen aus allen Ecken dieser Erde miteinander zu verbinden. Es ist beeindruckend, wie einfach wir unsere Gedanken und Ideen dank dem sozialen Netzwerk mit der Welt teilen können. Und es ist rührend, wie wir mit Bekannten stets in Verbindung bleiben, ihre schönen und traurigen Momente teilen können, und seien wir noch so weit voneinander entfernt.

Ein schönes Beispiel für Mark Zuckerbergs Bestreben, unseren Planeten noch lebenswerter zu machen, ist die Initiative internet.org, welche Facebook gemeinsam mit Unternehmen wie Samsung, Ericsson, Nokia oder Opera Software ins Leben gerufen hat und unlängst unter dem Namen „Free Basics“ operiert. Mit internet.org sollen jene zwei Drittel der Menschheit, welche bis dato von der vernetzen Welt abgeschnitten waren, ebenfalls Zugang zum Internet erhalten. Mark Zuckerberg deklariert den Zugang zum Internet gar als ein Menschenrecht. Diese Aussage soll seinem Projekt so denn auch die nötige Legitimität verleihen.

Im Sommer 2014 wurde der Dienst schliesslich gestartet. Verfügbar ist der Service inzwischen insbesondere in verschiedenen Ländern Afrikas und Südostasiens. Neben einzelnen Ländern Lateinamerikas kamen zudem auch noch Pakistan, Bangladesh und schliesslich Indien hinzu. In letzterem folgte jedoch prompt Widerstand und zwar von niemand geringerem, als von der im Land zuständigen Regulationsbehörde für Telekommunikation. Der Vorwurf: Die Netzneutralität sei gefährdet!

Die Bedenken sind in der Tat nicht ganz unbegründet. Selber habe ich ebenfalls schon die Erfahrung gemacht, dass Facebook in Ländern mit anderem Entwicklungsstand gerne mit dem Internet gleichgesetzt wird. Soll heissen: Die Benutzer_innen von Facebook sind sich nicht selten überhaupt nicht bewusst, dass es neben dem sozialen Netzwerk auch noch „andere Bereiche“ des Internets gibt. Oder – das ist noch viel verblüffender – es gibt in diesen Ländern auch Leute, die von sich glauben, kein Internet zu haben, während sie Dienste wie Facebook und WhatsApp sehr wohl nutzen.

Schaut man noch etwas genauer hin, lässt sich erkennen, dass es nicht wenige Benutzer_innen sind, welche ihre Informationen resp. den eigentlichen Nachrichtenkonsum de facto ausschliesslich aus dem Newsfeed von Facebook beziehen. Nun ist das mit dem berühmt berüchtigten Algorithmus eine Sache und die Geschichte mit der Filter-Bubble eine andere. Doch die Gefahr von internet.org reicht weiter. Durch den Umstand, dass mit dem kostenlosen Dienst eben nur eine bestimmte Auswahl an Services zugänglich gemacht wird, während andere Angebote aussen vor bleiben, kann eigentlich nicht von einem diskriminierungsfreien Zugang zum Internet gesprochen werden. Es ist zudem nicht auszuschliessen, dass bestimmte Informationen dereinst bewusst nicht den Weg in dieses kastrierte Internet finden. Ganze Bevölkerungsschichten würden also bevormundet – um jetzt nicht das Wort “manipuliert” zu verwenden. Es ist wohl viel mehr der diskriminierungsfreie Zugang zum Internet, was zu einem Menschenrecht deklariert werden müsste.


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Ricardo Schranz