Verändert in die Zukunft

Die Digitalisierung verändert unser Leben. Unter neuen Rahmenbedingungen müssen Firmen ihre Unternehmenskultur modernisieren.

Autor Martin Bialas
Datum 04.10.2016
Lesezeit 6 Minuten

Die Digitalisierung verändert unser Leben. Unter neuen Rahmenbedingungen müssen Firmen ihre Unternehmenskultur modernisieren.
Quelle: Computerworld Nr.10, 23. September 2016, Leadership & Karriere, S. 60/61

Die Digitalisierung bringt neue Produkte und Geschäftsmodelle. Organisationsstrukturen müssen dem Innovationsdruck und der Schnelllebigkeit gerecht werden. Ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor dabei sind die Menschen und ihr Zusammewirken, denn jede erfolgreiche Veränderung wird durch die Akzeptanz der beteiligten Personen getragen. Zudem ist die Digitalisierung kein rein technologiebasiertes, sondern auch ein kulturelles Thema. Führungskräfte einer Organisation stehen vor der Herausforderung, eine neue Unternehmenskultur zu etablieren, um sich erfolgreich in dieser Ära behaupten zu können.

Worauf man reagieren muss

Diese Ära wird auch als VUCA-Welt bezeichnet. Das Akronym VUCA steht dabei für:

  • Volatility: Unberechenbarkeit. Schwankungen, Unbeständigkeiten, zum Beispiel im Markt, machen es unabdingbar, sich schnell und flexibel an neue Situationen anzupassen (Agilität), also mit verschiedenen Optionen in unterschiedlichen Situationen zu agieren.
  • Uncertainty: Ungewissheit. Hierbei müssen Führungskräfte in Varianten und Szenarien denken können und sich mit der Vielzahl an Information massgeblich auseinandersetzen.
  • Complexity: Komplexität. Interne und externe Komplexität muss erkannt, bearbeitet und eventuell reduziert werden.
  • Ambiguity: Ambivalenz. Da die reale Situation häufig nicht eindeutig und scharf identifiziert werden kann, müssen Führungskräfte Annahmen aufstellen können. Diese gilt es umzusetzen und aus den gemachten Erfahrungen zu lernen.

VUCA fasst die Herausforderungen zusammen, mit denen die Unternehmen heute konfrontiert werden. Führungskräfte müssen fortlaufend Entscheidungen treffen und den Kurs an geänderte Rahmenbedingungen anpassen. Dies obwohl aufgrund der Komplexität einzelner Sachverhalte immer eine Restunsicherheit bezüglich der Konsequenzen bestehen bleibt. Die Entscheidungen müssen daher stets reflektiert, hinterfragt und bei Bedarf umgehend angepasst werden.

Was heisst dies nun für die Unternehmenskultur? Eine Antwort auf VUCA ist das von Petry und Buhse definierte Modell VOPA+. Es definiert die Eckpfeiler der Unternehmenskultur in Zeiten der Digitalisierung und somit die Bereiche, in denen digitale Führungskräfte aktiv werden müssen. Die Voraussetzung ist dabei das Vertrauen in jeden einzelnen Mitarbeiter und vice versa das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungskräfte selbst als Basis.

Agile Unternehmen benötigen Führungskräfte, die sich vernetzen und auch die Vernetzung ihrer Mitarbeiter intern und über die Unternehmensgrenzen hinaus fördern. Führungskräfte also, die eine Kultur der Offenheit aktiv pflegen und fördern, Mitarbeitern echte Beteiligung ermöglichen und sie selbstständig arbeiten lassen. Kontrolle aufgeben und dadurch Überblick und Führung behalten, lautet das Motto. Somit trägt VOPA+ dazu bei, die kollektive Intelligenz des Unternehmens durch die Beteiligung eines jeden einzelnen Mitarbeiters zu nutzen und zu fördern.

Neue Führungsaufgaben

Capgemini (2015) definiert folgende Hauptaufgaben einer Führungskraft in Zeiten der Digitalisierung: Veränderungen vorantreiben, Leistung anerkennen, Zusammenarbeit fördern, Mitarbeiter entwickeln, Entscheidungen treffen und Orientierung geben. Man erkennt schnell, dass alte Führungsmuster über Bord geworfen werden müssen: Hierarchisches Denken ist out, Autonomie und Selbstständigkeit ist in. Die Führungskraft wird hauptsächlich zum Koordinator von Organisation und Mitarbeitern. In Krisen und Konfliktsituationen steht sie ihren Mitarbeitern als Coach beratend zur Seite. Sie fördert die Leidenschaft und Innovationslust sowie die Lernbereitschaft bei jedem einzelnen.

Unterstützende Tools

Um die Zusammenarbeit der Mitarbeiter zu fördern und zu ermöglichen, haben sich partizipative Workshop-Methoden wie Jam, Open Space, BarCamp, Hackathon, FedExDay und Daily-Stand-up-Meeting bewährt. Sie unterstützen Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität. Empfehlenswert ist es, sich auf zwei bis drei Tools zu fokussieren, um Wildwuchs zu vermeiden und den eigentlichen Sinn der Tools – Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit und Förderung von Innovationsdenken – nicht aus den Augen zu verlieren. Die Anwendung der aufgeführten Konzepte und Modelle macht letztlich bewusst, dass neue Arbeitswelten entstehen. Laut «Digital Leadership» von Thorsten Petry (Hrsg.) werden Organisationsstrukturen zukünftig geprägt sein von: Flachen Hierarchien, zunehmender Demokratisierung und Selbstbestimmung sowie flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten.

Dazu gehört verteilte, mobile und flexible Arbeit, mobile Workforces und kollaborative Netzwerken sowie temporäre Projektorganisationen.

Standortbestimmung

Vor weiteren Schritten ist es hilfreich, die Ist-Situation im Unternehmen aufzunehmen: zu sehen, wo man steht, welche Kräfte wirken und sich mit dem bestehenden Reifegrad der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Nur so wird es möglich sein, die Stärken und Schwächen, aber auch Unterstützer und Gegner für das Vorhaben zu identifizieren. Einer der Vordenker der digitalen Transformation, George Westerman vom MIT, hat hierzu ein Standortbestimmungsmodell der digitalen Reife von Organisationen in vier Kategorien unterteilt (vgl. Grafik). Dieses Modell kann herangezogen werden, um die Organisation und deren Beteiligte zu klassifizieren. In Abhängigkeit der angestrebten Ziele kann anschliessend mit passenden Mitteln der Change-Prozess aktiv eingeleitet und auch gesteuert und überwacht werden.

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Die vier Kategorien digitaler Reife, Quelle: G. Westerman et al, 2011

Fazit: Vertrauen als Basis

Die digitale Transformation erfordert eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen basiert und somit Offenheit, Vernetzung, Partizipation und Agilität fördert. Prozesse werden ergebnisoffen begleitet, Hierarchien laufend einer prüfenden Betrachtung unterzogen werden. Soziale Kompetenzen sind dann von höherer Bedeutung als klassische Fachkompetenzen.


Über den Autor

Martin Bialas

Martin Bialas, Geschäftsführer der diventis GmbH, Arlesheim (BL), hat über 25 Jahre Praxiserfahrung im Bereich Projektmanagement. Mit Leidenschaft und Herzblut beschäftigt er sich mit der Integration von Projektmanagement Methodik und Softwareunterstützung in Unternehmen unterschiedlicher Grösse. Er begleitet Projektbeteiligte sowohl auf der strukturellen als auch auf der kulturellen, verhaltensorientierten Ebene. Er ist NLP Master und Mediator. Martin Bialas ist IPMA-zertifizierter «Programme und Portfolio Management Consultant (PPMC)», Fachgruppenleiter der Fachgruppe «Software für PM-Aufgaben» sowie Assessor für den Deutschen Project Excellence Award 2016 der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. und Assessor für IPMA Delta.