B2B-Marketing auf Social Media: Twitter ist tot, lang lebe LinkedIn

Autor André Lendi
Datum 04.10.2016
Lesezeit 6 Minuten

Auf welcher Plattform ist mein Werbefranken besser investiert: Twitter oder LinkedIn? In Zeiten der knappen Budgets stellen sich diese Frage viele Marketingverantwortliche, die vorwiegend Business-to-Business-Angebote in der Schweiz bewerben. Hier eine nicht streng akademische Auslegeordnung und der Versuch einer eindeutigen Antwort.

Die in Grossbritannien sesshafte Nicky Kriel, Social Media Coach und Beraterin (www.nickykriel.com) formuliert den Unterschied zwischen den beiden Plattformen sehr treffend: Eingeloggt auf LinkedIn verhält sich der User wie an einer Sitzung mit Businesspartnern und Kunden. Er denkt, sagt und macht Business. Immer. Nutzt er hingegen Twitter, agiert er wie an einem Networking-Apéro, bei dem sehr wohl auf Business-Themen fokussiert wird, Privates, Small Talk und dergleichen jedoch einen festen Platz einnimmt. Dazu später mehr.

Twitter Timeline vs. LinkedIn Startseite: Inhaltliche Ausrichtung im Vergleich

Twitter ist Twitter, die schnelle, ungefilterte Echtzeit-News- und Trendplattform im Netz. Die Timeline ist gut gefüllt mit Aktualitäten und Themen der Privatpersonen, Journalisten und Medien, denen ich folge, durchmischt mit Fachartikeln und News zu den Fokusthemen der „verfolgten“ Personen und Brands. Aufgelockert wird das Ganze reichlich mit Unterhaltung, Lifestyle und privaten Tweets.

Tatsache ist, dass LinkedIn aktuell immer noch stark auf Recruiting und HR-Themen ausgerichtet ist (die Tweets des offiziellen Twitter Account von LinkedIn @LinkedInDACH zeigen dies deutlich). Meine Startseite zeichnet da allerdings ein ganz anderes Bild. Dort finde aktuell überwiegend Links, Artikel und Updates zu inhaltlichen Themen aus den Branchen, in denen die Nutzer aus meinem Netzwerk tätig sind. LinkedIn etabliert sich langsam aber stetig als Wissensplattform: Innovationen wie das im September 2015 gestartete Blog-Werkzeug und der Nachrichtenkanal LinkedIn Pulse bieten allen Mitgliedern kostenfreien Zugang zu einer Fülle von Know-how, das von Fach- und Führungskräften generiert wird. Bereits 2012 wurde Slideshare aufgekauft, im letzten Jahr kam lynda.com, eine online Learning Plattform dazu. Damit wurde der Mehrwert für jeden einzelnen Nutzer merklich erhöht.

Reichweite

Gemäss des LinkedIn Pressedienstes zählt das Netzwerk in der Schweiz rund 2 Millionen Nutzer. Davon ausgehend, dass – wie das weltweit der Fall ist – rund ein Viertel davon monatlich aktiv ist, beträgt die Anzahl MAU (monthly active user) 500‘000. Etwas weniger klar definiert Twitter diese Zahl. 700‘000 aktive Accounts soll es in der Schweiz geben (Quelle: Einführungsreferat SMSM37 David Schäfer). Gut möglich also, dass die reale Reichweite von LinkedIn in der Schweiz bereits heute höher ist als diejenige von Twitter. Die Wachstumsraten der registrierten Nutzer_innen auf LinkedIn – rund 15 Mio. neue Nutzer_innen kommen pro Quartal weltweit dazu – sprechen eine klare Sprache. Die Zukunft gehört LinkedIn. Oder?

Targeting

Twitter erlaubt die Zielgruppenwahl nach Standort, Sprache, Geschlecht, Interessen, gefolgten Accounts, Keywords und den genutzten Endgerät. Nicht schlecht. Es geht aber viel spezifischer, auf LinkedIn nämlich. Es stehen umfassende Daten zur Person und Ihrer Tätigkeit zur Verfügung, so zum Beispiel das Alter, die Stellenbezeichnung, das Geschlecht sowie die Karrierestufe. Diese Informationen können mit Unternehmensbezogenen Daten kombiniert werden, wie z.B. der Region, Branche und der Grösse eines Unternehmens. (Quelle: http://www.onlinestep.ch).

Wirkung

Die Klickraten für Sponsored Content und Textanzeigen auf LinkedIn sind im Vergleich zu Twitter tief, zeigen zwei Erfahrungsberichte (Quelle: kmu-businessworld.ch, successfulsoftware.net). Im Bewusstsein, dass Klickraten erstens nur die halbe ROI-Wahrheit sind und zweitens stark von Inhalt, Form und Aufmachung abhängig sind, macht es den Anschein, dass sich Twitter User eher im Entdeckungsmodus befinden als die LinkedIn Nutzer. Auf jeden Fall ist zu berücksichtigen: auf beiden Plattformen befindet sich der potenzielle Kunde ganz am Anfang eines Kaufprozesses, also ziemlich sicher viele Reizpunkte, Impressions, Website-Besuche oder Emails entfernt von der gewünschten Conversion, der gewünschten Transaktion.

Empfehlung

Die Auslegeordnung bringt es ans Tageslicht: wenn sich die Marketingverantwortlichen in Zukunft entscheiden müssen, wo sie für ihre Business-Kunden Marketing betreiben, ist es LinkedIn.

Aber erstens ist es nicht gesichert, dass die Prophezeiungen eintreten und zweitens ist das hier noch nicht die Zukunft!

Heute sollen beide Plattformen für das genutzt werden, was die Nutzer erwarten: auf Twitter Branding, leicht verdauliche Fachartikel, schneller Kundenservice und ein wenig Humor; auf LinkedIn ausführliche Fachartikel und Hintergrundberichte, eine Einladung zum Tag der offenen Tür und/oder ab und zu eine Promotion für ein Spezialangebot.

Damit zurück zum Vergleich von Nicky Kriel. Für einen erfolgreichen Geschäftsabschluss braucht es sowohl Meetings als auch Apéros. Effizient und überzeugend muss man an einer Sitzung sein, Leute kennenlernen und nachhaltige (Geschäfts-)Beziehungen aufbauen gelingt meist leichter mit einem Glas Wein in der Hand.

Ps. Lang lebe Twitter, lang lebe LinkedIn. Xing ist tot.


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