Wer braucht noch ITIL®? Jetzt kommt DevOps!

DevOps ist grossartig und wird bald einmal unerlässlich sein für jede IT-Organisation. Nur wird es nicht auf den Ruinen von ITIL® entstehen, sondern kann nur auf dem robusten Fundament von ITIL® gedeihen!

Autor Markus Schweizer
Datum 22.08.2016
Lesezeit 6 Minuten

«If you think DevOps and ITIL® aren’t compatible then you don’t understand either»

DevOps ist eine relativ neue Entwicklung in der IT, die viele Hoffnungen weckt: Die Vorteile der agilen Ansätze für Anwendungsentwicklung und Projektmanagement sollen nahtlos bis in die Produktion hinaus verlängert werden können. Damit könnten endlich die starren Prozessregeln, die in aufwändigen ITIL®-Programmen über Jahre aufgebaut wurden, leicht ausgehebelt werden. Manche denken nun, man könnte in die schönen alten Zeiten zurückkehren, wo die Entwickler noch selbst schnell einen Patch auf dem Produktionssystem einspielen konnten – ohne dass man irgendwelche Change-Tickets ausfüllen und Rollbacks sicherstellen musste!

Im Ernst: DevOps ist grossartig und wird bald einmal unerlässlich für jede IT-Organisation werden. Nur wird es nicht auf den Ruinen von ITIL® entstehen, sondern kann nur auf dem robusten Fundament von ITIL® gedeihen!

Was ist DevOps?

DevOps ist ein Resultat der grossen Umwälzungen in der IT der letzten 10 bis 15 Jahre, die in der Summe völlig neue Möglichkeiten für das Prozessfeld Change-, Release-, Configuration- und Deployment-Management eröffneten.

Abbildung 1 zeigt diese Umwälzungen im Überblick:

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Abbildung 1: Sechs Trends, die DevOps treiben, eigene Grafik

Während die beiden «roten» Trends nach agileren Möglichkeiten der Delivery, also DevOps verlangen, liefern die anderen die technischen Voraussetzungen dazu.

ITIL® als Überbau für DevOps

Für ITIL® bedeutet dies nun nicht einfach Obsoleszenz, sondern eine dramatische Änderung der Schwerpunkte im Prozessfeld Change-, Release-, Deploy- und Configuration-Management:

  • Im Change-Management verschiebt sich der Fokus vom «Normal Change» (mit Change Advisory Board, individueller Risikoprüfung, manuellem Review) zum «Standard Change» (pauschale Risikoprüfung, bekannte Verfahren, prä-autorisiert, automatisiert)
  • Die unterstützenden Prozesse Release-, Test-, Configuration- und Deployment-Management werden auf Basis einer pauschalen Risikoprüfung und eingebauten elektronischen Controls vollständig automatisiert
  • Die Phase «Early Life Support» und der «Post Implementation Review» werden durch Monitoring Tools abgedeckt

Agile Trainings

Mit der digitalen Transformation ändert sich insgesamt die Art und Weise, wie Projekte in Unternehmen bearbeitet werden. Von starren Prozessen gelangen wir mit Hilfe von agilen Methoden wie Scrum, Holacracy etc. immer mehr zu Organisationsformen, in der sich Teams selbst organisieren und dynamisch funktionieren.

Mit der digitalen Transformation ändert sich insgesamt die Art und Weise, wie Projekte in Unternehmen bearbeitet werden. Von starren Prozessen gelangen wir mit Hilfe von agilen Methoden wie Scrum, Holacracy etc. immer mehr zu Organisationsformen, in der sich Teams selbst organisieren und dynamisch funktionieren.

Solche fundamentalen Veränderungen in der IT können nicht ohne robusten Bezugsrahmen wie z.B. ITIL® oder COBIT® realisiert werden. Denn Anforderungen an das Risikomanagement, die Governance und vor allem an die Compliance bestehen nach wie vor und werden eher zu- als abnehmen.

Ein Rahmenwerk kann die Entscheidungsgrundlagen liefern, wo und in welchem Umfang DevOps eingesetzt werden kann. Mainframe-Anwendungen mit Hunderten von Modulen und Schnittstellen werden wohl auf absehbare Zeit kaum ein vollautomatisiertes Release-Management erlauben. Nicht nur aufgrund der technischen Komplexität, sondern auch wegen den immer höheren Anforderungen bezüglich Regulierungen und den entsprechenden Kontrollmechanismen (lesen Sie dazu auch meinen Beitrag «Die Rolle des IT-Service-Managements in der bimodalen IT»).

DevOps wird wohl noch für einige Zeit den modernen Technologie-Umgebungen (Cloud, Web, Apps) vorbehalten bleiben, die weniger Interdependenzen aufweisen und isolierte Businessfunktionen unterstützen.

Die in Abbildung 1 dargestellten sechs Trends in der IT beschleunigen einen weiteren Paradigmenwechsel: Die IT muss sich gerade für diese modernen Anwendungsumgebungen vom Konzept, Anwendungsentwicklung und Betrieb zu trennen, entfernen. Sie muss sich vom Projektmanagement zum Produktlebenszyklus-Management hinbewegen. DevOps, das Entwickler und Betriebsleute zusammenbringt, bildet hierzu den kulturellen Kristallisationspunkt. ITIL® als Konzept für Service (=IT-Produkt) Lifecycle-Management bietet dazu den übergeordneten Rahmen. Ohne robuste Prozesse für Demand, Service-Portfolio und Katalog-Management, ohne Integration in Finanz- und Governance-Prozesse, ohne kontinuierlichen Verbesserungsprozess können weder DevOps noch Produktlebenszyklus-Management erfolgreich sein. Viele dieser Punkte vermisse ich oft in DevOps-Diskussionen.

Fazit

Ich habe in diesem Blog in früheren Beiträgen schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es nicht sinnvoll ist, ITIL® buchstabengetreu zu «implementieren». ITIL® ist ein umfassender, flexibler Baukasten, der hilft, Herausforderungen an die IT mit Best Practices flexibel zu adressieren. Im Zuge der hier beschriebenen Umwälzungen in der IT ist es umso wichtiger, ITIL®-Konzepte bewusst und gezielt anzuwenden. Axelos, der Herausgeber von ITIL® hat dazu mit dem ITIL® Practitioner einen wunderbaren Leitfaden publiziert.

Bisher wurde ITIL® oft als Rahmenwerk für den IT-Betrieb missverstanden. Oft wurden auch nur die entsprechenden Teile aus Service Transition und Service Operation angewandt.

DevOps ist der erste Weckruf, dass es nun an der Zeit ist, endlich auch die komplexeren Konzepte aus Service Strategie, Service Design und Continuous Service Improvement einzusetzen, um sich auf der Reise von der klassischen IT-Organisation zum digitalen Enabler über die Stationen bimodale IT und Produktlebenszyklus voranzutasten.

Beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Reise bieten die bewährten ITIL®– und DevOps-Kurse der Digicomp, die ausschliesslich von erfahrenen Praktikern unterrichtet werden.

Mit freundlicher Unterstützung meiner geschätzten Kollegen Walter Weibel und Wolfgang Heil, Senior Solution Architects CSC.


Über den Autor

Markus Schweizer

Markus Schweizer ist Digicomp Trainer, ITIL®- und Cobit®-Experte und Strategie-Berater bei Plat4mation für alle Belange des IT-Managements. Zuvor arbeitete er für IBM und PwC und verbrachte er neun Jahre in den USA, wo er Grossfirmen beim Einsatz von Service-Management-Konzepten beriet. Seine Beratungsschwerpunkte sind IT Business Management, interne Digitalisierung, Governance und SIAM.