E-Commerce-Report 2015 - Zusammenfassung Teil 1

Autor Sheila Karvounaki Marti
Datum 26.07.2015
Lesezeit 11 Minuten

“Sharing is Caring” wie es so schön heisst. Diesen Ansatz hat sich Lehrgangsverantwortlicher für den E-Commerce Professional-Lehrgang Roger Basler zu Herzen genommen und für uns den E-Commerce Report 2015 zusammengefasst. In der 3-teiligen Serie teilt er seine Erkenntnisse mit uns und freut sich auf Feedback.

Wettbewerb der Systeme

Das  Wachstum  wird  sich  verlangsamen, aber  es  wird  weitergehen,  so  die  allgemeine  Erwartung. Der  Trend  Mobile  entfaltet  sich  mit  hoher  Geschwindigkeit.

Auf  5.9  Mrd  CHF  beziffern  der  Verband  des  Schweizer ischen  Versandhandels  VSV  und  GfK  Switzerland  den Wert online bestellter Waren  mit  Empfängeradresse  in der Schweiz.  Auf weitere 200 Mio CHF wird der Wert der  Onlinebestellungen  geschätzt,  die  Schweizer  von ausländischen Anbietern an eine grenznahe Abholstation senden  lassen  und  selbst  in  die  Schweiz  einführen. Die 6.1 Mrd CHF  liegen um  9.9 % über  dem für 2013 ermittelten  Wert.

Erwartungen für 2015

Ein Drittel der Anbieter geht  davon  aus,  dass  das  E-Commerce-Wachstum  ihrer Branche  zum  grössten  Teil  von  wenigen,  international führenden  Pure  Playern  getragen  wird.  Typische  Kandidaten dafür sind Amazon im Medienhandel oder Zalando im Modehandel, auch die Reisebranche sieht sich betroffen. E-Commerce wird eben auch als Kanal für bequeme Auslandseinkäufe an Bedeutung gewinnen

Treiber des E-Commerce Wachstums

Als  stärkster  Treiber,  der  E-Commerce  nochmal  einen neuen  Schub  geben  soll,  wird  Mobile  angesehen Der langfristige Trend immer noch zunehmender  Kompetenz  der  Konsumenten  im  Umgang mit  Internet  und  E-Commerce  gilt  als  ungebrochen  und wird  durch  den  demografischen  Wandel  weiter  unterstützt.  Als drittstärkster Treiber wird die hohe Leistungsfähigkeit  reiner  E-Commerce-Anbieter  angesehen.

Anhaltende Dynamik

Der Grossteil der Studienteilnehmer sieht sich in einer Branche,  in der der Wettbewerb  weiter  zunimmt.  Sinkende  Preise oder  ein  überproportional  wachsendes  Angebot, manchmal auch beides, beobachten über drei Viertel der Befragten in ihrem Markt. Neben einigen  reinen  Besitzerwechseln  hat  es  auch  im  vergangenen Jahr wieder Konsolidierungen gegeben. Über  die  Reisebranche  hinaus  Aufsehen  erregt  hat der  bisher  erst  angekündigte  Verkauf  des  Reiseveranstaltergeschäftes  durch  Kuoni.  Auch  der  Rückzug  der  SBB  aus  dem Reisebürogeschäft  wird mit dem seit Jahren rückläufigen  Volumen  und  vermehrten  Onlinebuchungen begründet.  Ebenfalls  bis  in  die  Schweiz  auswirken  könnte  sich  der  im  Februar  2015  angekündigte Kauf der  Orbitz Worldwide  Gruppe, inkl.  ebookers, durch Expedia. Im Juni 2014 wurde der Management Buyout von  La Redoute  aus  der  Kering-Gruppe  besiegelt. KOALA  wird  rund  vier Jahre  nach seiner Gründung  von  Aeschbach  Schuhe in  Genf  übernommen.  Tamedia gab die Übernahme des Premium-Fashion-Shopsstromberg.ch  bekannt.  Er  wird  zusammen  mit Fashion Friends in der neu gegründeten Swiss Online Shopping AG geführt, womit Tamedia sein Engagement im Fashion-Onlinehandel ausbaut.  Im Handel mit IT- und Unterhaltungselektronik übernahm  der  Onlinehändler  PCP.CH  die  STEG  Electronics  AG. BRACK.CH  übernahm  zwei  Kleinunternehmen,  das  OnlineMusikhaus  musicplace.ch  und  den  Onlineshop OHC24.ch.  Migros  übte eine  2012 vereinbarte Option auf eine Aktienmehrheit an Galaxus aus und  hält neu  70 %  am  Kapital.

Entwicklung auf Anbieterseite

Wer jetzt noch in den Markt einsteigen  will, muss  –  sofern er kein Nischenkonzept verfolgt  –  viel Geld mitbringen.  Die Umsatzschwellen, ab denen eine eigenständige E-Commerce-Lösung  mit  State-of-the-art-Leistungen  in der  Branche  als  überlebensfähig  angesehen  wird,  ist  für ein Start-up nicht mehr  so leicht erreichbar  wie noch vor 15  Jahren. 100  Mio  CHF sehen  die  beiden  Lebensmittelanbieter  einheitlich  als  erforderliches  Volumen  an.  Für einen  Fashion-Anbieter  mit  breitem  Sortiment  nennen zwei  Brancheninsider  20  Mio  CHF.

Situation in einzelnen Branchen

Supermarkt

Der  Onlinehandel  mit  Lebensmitteln  ist  eines  der E-Commerce-Segmente,  in  denen  die  vertriebsbezogenen Stückkosten höher sind als im Ladenverkauf und  der Kanal  E-Commerce  unter  den  gegebenen  Rahmenbedingungen  nicht  gewinnbringender  ist.  LeShop  ergänzt  das  mit  der  Schweizerischen Post  realisierte  Konzept  der  Heimlieferung  einerseits durch  verschiedene  Formen  von  Pick-up-Übergabepunkten,  andererseits  durch  das  eigenständige  Konzept LeShop  Drive,  bei  dem  Kunden  ihre  Ware  schon  zwei Stunden nach der Onlinebestellung mit dem Auto an lokalen  Rüstzentren  abholen  können. coop@home  setzt  dagegen  primär  auf  Heimlieferung, erhöht  den  Eigenauslieferungsanteil  kontinuierlich  und macht  dadurch  Same  Day  Delivery  in  einem  Zustellzeitfenster  von  einer  Stunde  möglich.

Medienhandel

Der  Schweizer  Medienhandel  ist  bereits  stark  geprägt durch die Transformation, die einerseits durch die Digitalisierung  der  Medien,  andererseits  durch  die  Überlegenheit  globaler  Player  wie  Amazon  oder  Apple  ausgelöst wurde.  Die  Schweizer  Tochter  der  deutschen  Weltbild Gruppe  musste  sich  nach  Konkurs  und  Besitzerwechsel des  Mutterhauses  zusätzlichen  Umtrieben  stellen.  Die Umsetzung der 2013 begonnenen Fusion von Orell Füssli Buchhandlungen  und  Thalia  mit  ihren  unterschiedlichen Kulturen,  IT-Systemen  und  Marken  ist  eine  anspruchsvolle  Change-Aufgabe. Auch Ex Libris befindet sich in einem  Transformationsprozess,  der  2010  mit  der  konzeptionellen  Neuausrichtung  der  Kanäle  begann,  anschliessend  zunächst  in  den  digitalen  Kanälen  und  aktuell  mit einem Umbau der Filialen umgesetzt wird. Der  Marktanteil  ausländischer  Anbieter,  das  ist  primär Amazon, wird auf 40 % bis 50 % geschätzt. Besonders schwierig ist es für Schweizer Medienhändler, an  der digitalen Distribution  von Büchern, Musik, Filmen oder  Games  zu  partizipieren.

Modehandel

Die Produkte  sind  nur  beschränkt  anhand  klarer  Kriterien vergleichbar, sie weisen eine hohe und weitgehend stabile Marge auf und Schweizer Anbieter spielen eine untergeordnete  Rolle.  Führend  sind  die  ausländischen  Shops von Zalando, La Redoute und der  Otto-Gruppe. Modeartikel weisen im ganzen E-Commerce die höchste Retourenquote auf, was einen hohen Einfluss auf die Rentabil-ität haben kann.  Eine  aktuelle  Untersuchung  des  E-Commerce-Center  Köln  (ECC  Köln) zum  Direktvertrieb  von  Fashion-Topmarken  zeigt,  dass zwar  in  allen  zehn  untersuchten  Onlineshops  CrossChannel-Verlinkungen  zu  stationären  Läden  erfolgen, dass in sieben Fällen aber ausschliesslich auf eigene  Markenläden  verwiesen  wird.  Lediglich  drei  Anbieter  beziehen unabhängige Textileinzelhändler, die die Marke  führen,  mit  ein.

Handel mit IT und Unterhaltungselektronik

Der  Handel  mit  Produkten  aus  IT  und  Unterhaltungselektronik  unterliegt  wie  der  Medienhandel  einer  hohen Transparenz  und  einem  scharfem  Wettbewerb  auch  auf der  Preisebene. Die  Branche  arbeitet  mit  einer  so  niedrigen Handelsspanne,  dass  einige  Studienteilnehmer  glauben, dass diese nicht mehr  weiter sinken kann. Im Kontext dieser margenschwachen Branche hat Digitec die Innovation sehr fokussierter Filialen  als  Teil  eines  kanalübergreifenden  Handelskonzepts  hervorgebracht.  Microspot  treibt  Same  Day  Delivery  ohne  Kostenaufschlag  über  Pick-up-Stellen  voran. Die führenden Onlineanbieter dieser Branche sehen sich nicht  durch  internationale  Wettbewerber  bedroht. Die Leistungsfähigkeit  der  Branche  ist  so  hoch,  dass  sie  in den letzten Jahren trotz kontinuierlichem Preisverfall ihr Umsatzvolumen steigern konnte. Die  traditionellen  Anbieter dieser Branche haben es allerdings nicht geschafft, ihre  angestammte  Marktposition  auf  den  Onlinehandel zu übertragen.  Lediglich Interdiscount hat  mit seiner  als Preisführer  positionierten  Onlinemarke  microspot.ch  eine beachtliche Aufholjagd gestartet

Reisen

In der Reisebranche sind die Vertriebskostenvorteile des Onlinevertriebs  im  Vergleich  zu  stationären  Reisebüros besonders hoch. Aufgrund des fehlenden physischen Fulfillments  ist  aber  auch  der  internationale  Wettbewerb sehr  hoch. Kanalübergreifende Handelskonzepte: Die  Beurteilung  des  Potenzials  kanalübergreifender Handelskonzepte fällt nochmals positiver aus als im Vorjahr. Die Präsenz der Marke, die Möglichkeit  zum  persönlichen  Kontakt  und  mehr  Potenzial für  Impulskäufe  werden  als  Vorteile  stationärer  Anlaufstellen genannt. Die Herausforderungen einer Omnichannel-Strategie  für ein  filialisiertes  Handelsunternehmen,  das  auf  allen  Kanälen  ein  einheitliches  Leistungsniveau  und  kanalübergreifende Services anstrebt, sind weiterhin  enorm. In  den  Branchen  Verkehr  und  Tickets  haben  kanalübergreifende Geschäftskonzepte gar keine Bedeutung.

Logistik

Logistik gilt weiterhin als eine  Schlüsseldisziplin  für den Erfolg im E-Commerce. Der Aspekt, der  dabei  in diesem Jahr die  höchste Beachtung fand, ist die  kundengerechte Steuerung der  Sendungsübergabe.  Was  nützt  dem  Kunden  eine  schnelle  Zustellung,  wenn  er  dann  einen  gelben  Zettel  im  Briefkasten findet und vielleicht tagelang keine Gelegenheit hat, die Sendung an einem  Postschalter  abzuholen.  Kunden wollen ihre Zeit besser disponieren können;  sie  sollen Übergabezeitpunkt  und  –ort  mitbestimmen  können  und  die tatsächliche Übergabe muss für die Empfänger  planbarer und  zuverlässiger  werden.  Die  Konsequenz  aus  dieser Forderung  ist  weitreichend,  sie  stellt  die  Steuerung  der Zustelllogistik auf den Kopf: Heute bestimmt indirekt der Versender  mit  der  Übergabe  an  den  Paketdienstleister, wann eine Sendung ankommt.

Unverändert  wird  das  Fehlen  einer  flächendeckend  leistungsfähigen  Alternative  zur  Schweizerischen  Post  als Logistikpartner  als  Nachteil  angesehen. Der  fehlende  Wettbewerb  unter  den  Logistikdienstleistern in der Schweiz  dämpft  die Entwicklung des E-Commerce. Der Grund dafür ist, dass sich die  Onlineanbieter im  Wettbewerb  voneinander  unterscheiden  wollen.  Ein einzelner  Logistikanbieter  muss  aber  in  standardisierten Logistikprodukten denken.  Sowohl in der  Migros-  als auch  in der  Coop-Gruppe  werden Lösungen  für  gruppenweite  Cross-Channel-Services  getestet:  Migros  lancierte  Ende  Mai  2015  den  Service PickMup  –  eine Dienstleistung,  durch die Kunden  Bestellungen  aus den grössten Onlineshops der Migros-Gruppe an 25 Pilotstandorten der  Migros, von Ex Libris oder Migrolino abholen  können.  microspot.ch  bietet  ein  Same-Day-Delivery-Angebot  via Pick-up-Stellen  an.

Mobile

Der Trend zur Verlagerung von Internet-Traffic auf mobile  Endgeräte  ist  stärker  und  anhaltender  als  selbst  von Protagonisten  erwartet.  Die  zunehmende  mobile  Internetnutzung  gilt  im  Studienpanel  zwischenzeitlich  als Wachstumstreiber  Nummer  eins  für  E-Commerce.  Bereits  2014  erzielten  60 %  der  Studienteilnehmer  über  10 %  ihres  Umsatzes  über  mobile  Endgeräte, ein Viertel sogar über 30%. Im  Übrigen  manifestiert  sich  die  Erkenntnis  des  unterschiedlichen  Nutzerverhaltens  je  nach  Gerätetyp.  Auf dem  Smartphone  geht  es  häufiger  um  Effizienz  und schnelle Lösungen, auf dem Tablet lassen sich die Leute Zeit,  surfen  und  nutzen  den  angebotenen  Mediencontent  intensiver.  Die hohe Bedeutung der  Zahlungslösung  in den mobilen Bestellkanälen  ist  den  Teilnehmern  bewusst.  Viele  verfolgen die  Entwicklung bei den aktuell zahlreich neu lancierten  Initiativen  für  mobile  Bezahlung  und  Wallets aufmerksam,  nehmen  aber  noch  überwiegend  eine  abwartende  Haltung  ein.  Es  ist  noch  zu  schwierig  abzuschätzen,  welche  Lösung  sich  am  Markt  durchsetzen wird. Als Erfolgsmerkmale gelten Einfachheit und Benutzerakzeptanz.  Einige  Personen  kritisieren  zu  hohe  Kommissionsforderungen der Systembetreiber. Wenn die Mobile-Bezahlung einmal auch bei einem Erstkauf  einfach,  schnell  und  sicher  geht,  könnte  Mobile Commerce richtig durchstarten.


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Sheila Karvounaki Marti