E-Commerce-Report 2015 - Zusammenfassung Teil 1
“Sharing is Caring” wie es so schön heisst. Diesen Ansatz hat sich Lehrgangsverantwortlicher für den E-Commerce Professional-Lehrgang Roger Basler zu Herzen genommen und für uns den E-Commerce Report 2015 zusammengefasst. In der 3-teiligen Serie teilt er seine Erkenntnisse mit uns und freut sich auf Feedback.
Wettbewerb der Systeme
Das Wachstum wird sich verlangsamen, aber es wird weitergehen, so die allgemeine Erwartung. Der Trend Mobile entfaltet sich mit hoher Geschwindigkeit.
Auf 5.9 Mrd CHF beziffern der Verband des Schweizer ischen Versandhandels VSV und GfK Switzerland den Wert online bestellter Waren mit Empfängeradresse in der Schweiz. Auf weitere 200 Mio CHF wird der Wert der Onlinebestellungen geschätzt, die Schweizer von ausländischen Anbietern an eine grenznahe Abholstation senden lassen und selbst in die Schweiz einführen. Die 6.1 Mrd CHF liegen um 9.9 % über dem für 2013 ermittelten Wert.
Erwartungen für 2015
Ein Drittel der Anbieter geht davon aus, dass das E-Commerce-Wachstum ihrer Branche zum grössten Teil von wenigen, international führenden Pure Playern getragen wird. Typische Kandidaten dafür sind Amazon im Medienhandel oder Zalando im Modehandel, auch die Reisebranche sieht sich betroffen. E-Commerce wird eben auch als Kanal für bequeme Auslandseinkäufe an Bedeutung gewinnen
Treiber des E-Commerce Wachstums
Als stärkster Treiber, der E-Commerce nochmal einen neuen Schub geben soll, wird Mobile angesehen Der langfristige Trend immer noch zunehmender Kompetenz der Konsumenten im Umgang mit Internet und E-Commerce gilt als ungebrochen und wird durch den demografischen Wandel weiter unterstützt. Als drittstärkster Treiber wird die hohe Leistungsfähigkeit reiner E-Commerce-Anbieter angesehen.
Anhaltende Dynamik
Der Grossteil der Studienteilnehmer sieht sich in einer Branche, in der der Wettbewerb weiter zunimmt. Sinkende Preise oder ein überproportional wachsendes Angebot, manchmal auch beides, beobachten über drei Viertel der Befragten in ihrem Markt. Neben einigen reinen Besitzerwechseln hat es auch im vergangenen Jahr wieder Konsolidierungen gegeben. Über die Reisebranche hinaus Aufsehen erregt hat der bisher erst angekündigte Verkauf des Reiseveranstaltergeschäftes durch Kuoni. Auch der Rückzug der SBB aus dem Reisebürogeschäft wird mit dem seit Jahren rückläufigen Volumen und vermehrten Onlinebuchungen begründet. Ebenfalls bis in die Schweiz auswirken könnte sich der im Februar 2015 angekündigte Kauf der Orbitz Worldwide Gruppe, inkl. ebookers, durch Expedia. Im Juni 2014 wurde der Management Buyout von La Redoute aus der Kering-Gruppe besiegelt. KOALA wird rund vier Jahre nach seiner Gründung von Aeschbach Schuhe in Genf übernommen. Tamedia gab die Übernahme des Premium-Fashion-Shopsstromberg.ch bekannt. Er wird zusammen mit Fashion Friends in der neu gegründeten Swiss Online Shopping AG geführt, womit Tamedia sein Engagement im Fashion-Onlinehandel ausbaut. Im Handel mit IT- und Unterhaltungselektronik übernahm der Onlinehändler PCP.CH die STEG Electronics AG. BRACK.CH übernahm zwei Kleinunternehmen, das OnlineMusikhaus musicplace.ch und den Onlineshop OHC24.ch. Migros übte eine 2012 vereinbarte Option auf eine Aktienmehrheit an Galaxus aus und hält neu 70 % am Kapital.
Entwicklung auf Anbieterseite
Wer jetzt noch in den Markt einsteigen will, muss – sofern er kein Nischenkonzept verfolgt – viel Geld mitbringen. Die Umsatzschwellen, ab denen eine eigenständige E-Commerce-Lösung mit State-of-the-art-Leistungen in der Branche als überlebensfähig angesehen wird, ist für ein Start-up nicht mehr so leicht erreichbar wie noch vor 15 Jahren. 100 Mio CHF sehen die beiden Lebensmittelanbieter einheitlich als erforderliches Volumen an. Für einen Fashion-Anbieter mit breitem Sortiment nennen zwei Brancheninsider 20 Mio CHF.
Situation in einzelnen Branchen
Supermarkt
Der Onlinehandel mit Lebensmitteln ist eines der E-Commerce-Segmente, in denen die vertriebsbezogenen Stückkosten höher sind als im Ladenverkauf und der Kanal E-Commerce unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht gewinnbringender ist. LeShop ergänzt das mit der Schweizerischen Post realisierte Konzept der Heimlieferung einerseits durch verschiedene Formen von Pick-up-Übergabepunkten, andererseits durch das eigenständige Konzept LeShop Drive, bei dem Kunden ihre Ware schon zwei Stunden nach der Onlinebestellung mit dem Auto an lokalen Rüstzentren abholen können. coop@home setzt dagegen primär auf Heimlieferung, erhöht den Eigenauslieferungsanteil kontinuierlich und macht dadurch Same Day Delivery in einem Zustellzeitfenster von einer Stunde möglich.
Medienhandel
Der Schweizer Medienhandel ist bereits stark geprägt durch die Transformation, die einerseits durch die Digitalisierung der Medien, andererseits durch die Überlegenheit globaler Player wie Amazon oder Apple ausgelöst wurde. Die Schweizer Tochter der deutschen Weltbild Gruppe musste sich nach Konkurs und Besitzerwechsel des Mutterhauses zusätzlichen Umtrieben stellen. Die Umsetzung der 2013 begonnenen Fusion von Orell Füssli Buchhandlungen und Thalia mit ihren unterschiedlichen Kulturen, IT-Systemen und Marken ist eine anspruchsvolle Change-Aufgabe. Auch Ex Libris befindet sich in einem Transformationsprozess, der 2010 mit der konzeptionellen Neuausrichtung der Kanäle begann, anschliessend zunächst in den digitalen Kanälen und aktuell mit einem Umbau der Filialen umgesetzt wird. Der Marktanteil ausländischer Anbieter, das ist primär Amazon, wird auf 40 % bis 50 % geschätzt. Besonders schwierig ist es für Schweizer Medienhändler, an der digitalen Distribution von Büchern, Musik, Filmen oder Games zu partizipieren.
Modehandel
Die Produkte sind nur beschränkt anhand klarer Kriterien vergleichbar, sie weisen eine hohe und weitgehend stabile Marge auf und Schweizer Anbieter spielen eine untergeordnete Rolle. Führend sind die ausländischen Shops von Zalando, La Redoute und der Otto-Gruppe. Modeartikel weisen im ganzen E-Commerce die höchste Retourenquote auf, was einen hohen Einfluss auf die Rentabil-ität haben kann. Eine aktuelle Untersuchung des E-Commerce-Center Köln (ECC Köln) zum Direktvertrieb von Fashion-Topmarken zeigt, dass zwar in allen zehn untersuchten Onlineshops CrossChannel-Verlinkungen zu stationären Läden erfolgen, dass in sieben Fällen aber ausschliesslich auf eigene Markenläden verwiesen wird. Lediglich drei Anbieter beziehen unabhängige Textileinzelhändler, die die Marke führen, mit ein.
Handel mit IT und Unterhaltungselektronik
Der Handel mit Produkten aus IT und Unterhaltungselektronik unterliegt wie der Medienhandel einer hohen Transparenz und einem scharfem Wettbewerb auch auf der Preisebene. Die Branche arbeitet mit einer so niedrigen Handelsspanne, dass einige Studienteilnehmer glauben, dass diese nicht mehr weiter sinken kann. Im Kontext dieser margenschwachen Branche hat Digitec die Innovation sehr fokussierter Filialen als Teil eines kanalübergreifenden Handelskonzepts hervorgebracht. Microspot treibt Same Day Delivery ohne Kostenaufschlag über Pick-up-Stellen voran. Die führenden Onlineanbieter dieser Branche sehen sich nicht durch internationale Wettbewerber bedroht. Die Leistungsfähigkeit der Branche ist so hoch, dass sie in den letzten Jahren trotz kontinuierlichem Preisverfall ihr Umsatzvolumen steigern konnte. Die traditionellen Anbieter dieser Branche haben es allerdings nicht geschafft, ihre angestammte Marktposition auf den Onlinehandel zu übertragen. Lediglich Interdiscount hat mit seiner als Preisführer positionierten Onlinemarke microspot.ch eine beachtliche Aufholjagd gestartet
Reisen
In der Reisebranche sind die Vertriebskostenvorteile des Onlinevertriebs im Vergleich zu stationären Reisebüros besonders hoch. Aufgrund des fehlenden physischen Fulfillments ist aber auch der internationale Wettbewerb sehr hoch. Kanalübergreifende Handelskonzepte: Die Beurteilung des Potenzials kanalübergreifender Handelskonzepte fällt nochmals positiver aus als im Vorjahr. Die Präsenz der Marke, die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt und mehr Potenzial für Impulskäufe werden als Vorteile stationärer Anlaufstellen genannt. Die Herausforderungen einer Omnichannel-Strategie für ein filialisiertes Handelsunternehmen, das auf allen Kanälen ein einheitliches Leistungsniveau und kanalübergreifende Services anstrebt, sind weiterhin enorm. In den Branchen Verkehr und Tickets haben kanalübergreifende Geschäftskonzepte gar keine Bedeutung.
Logistik
Logistik gilt weiterhin als eine Schlüsseldisziplin für den Erfolg im E-Commerce. Der Aspekt, der dabei in diesem Jahr die höchste Beachtung fand, ist die kundengerechte Steuerung der Sendungsübergabe. Was nützt dem Kunden eine schnelle Zustellung, wenn er dann einen gelben Zettel im Briefkasten findet und vielleicht tagelang keine Gelegenheit hat, die Sendung an einem Postschalter abzuholen. Kunden wollen ihre Zeit besser disponieren können; sie sollen Übergabezeitpunkt und –ort mitbestimmen können und die tatsächliche Übergabe muss für die Empfänger planbarer und zuverlässiger werden. Die Konsequenz aus dieser Forderung ist weitreichend, sie stellt die Steuerung der Zustelllogistik auf den Kopf: Heute bestimmt indirekt der Versender mit der Übergabe an den Paketdienstleister, wann eine Sendung ankommt.
Unverändert wird das Fehlen einer flächendeckend leistungsfähigen Alternative zur Schweizerischen Post als Logistikpartner als Nachteil angesehen. Der fehlende Wettbewerb unter den Logistikdienstleistern in der Schweiz dämpft die Entwicklung des E-Commerce. Der Grund dafür ist, dass sich die Onlineanbieter im Wettbewerb voneinander unterscheiden wollen. Ein einzelner Logistikanbieter muss aber in standardisierten Logistikprodukten denken. Sowohl in der Migros- als auch in der Coop-Gruppe werden Lösungen für gruppenweite Cross-Channel-Services getestet: Migros lancierte Ende Mai 2015 den Service PickMup – eine Dienstleistung, durch die Kunden Bestellungen aus den grössten Onlineshops der Migros-Gruppe an 25 Pilotstandorten der Migros, von Ex Libris oder Migrolino abholen können. microspot.ch bietet ein Same-Day-Delivery-Angebot via Pick-up-Stellen an.
Mobile
Der Trend zur Verlagerung von Internet-Traffic auf mobile Endgeräte ist stärker und anhaltender als selbst von Protagonisten erwartet. Die zunehmende mobile Internetnutzung gilt im Studienpanel zwischenzeitlich als Wachstumstreiber Nummer eins für E-Commerce. Bereits 2014 erzielten 60 % der Studienteilnehmer über 10 % ihres Umsatzes über mobile Endgeräte, ein Viertel sogar über 30%. Im Übrigen manifestiert sich die Erkenntnis des unterschiedlichen Nutzerverhaltens je nach Gerätetyp. Auf dem Smartphone geht es häufiger um Effizienz und schnelle Lösungen, auf dem Tablet lassen sich die Leute Zeit, surfen und nutzen den angebotenen Mediencontent intensiver. Die hohe Bedeutung der Zahlungslösung in den mobilen Bestellkanälen ist den Teilnehmern bewusst. Viele verfolgen die Entwicklung bei den aktuell zahlreich neu lancierten Initiativen für mobile Bezahlung und Wallets aufmerksam, nehmen aber noch überwiegend eine abwartende Haltung ein. Es ist noch zu schwierig abzuschätzen, welche Lösung sich am Markt durchsetzen wird. Als Erfolgsmerkmale gelten Einfachheit und Benutzerakzeptanz. Einige Personen kritisieren zu hohe Kommissionsforderungen der Systembetreiber. Wenn die Mobile-Bezahlung einmal auch bei einem Erstkauf einfach, schnell und sicher geht, könnte Mobile Commerce richtig durchstarten.