SOMEXCLOUD goes re:publica – Tag 2

Autor Sheila Karvounaki Marti
Datum 06.05.2015
Lesezeit 11 Minuten

Ich muss mich korrigieren: Die Organisatorinnen und Organisatoren der re:publica sind gnädig, nicht nur am ersten Tag. Der zweite Tag begann nämlich auch erst um 10.00 Uhr und liess einem so nochmals Zeit. Um in Ruhe Kaffee zu trinken, den Tascheninhalt nochmals zu überprüfen und gemütlich zur STATION Berlin zu schlendern. Das Ganze erfordert etwas Vorsicht, man könnte sich an den Rhythmus gewöhnen.


Von Schwärmen, Dummheit und Intelligenz – Session Nr. 1

Die Session “Schwarmdummheit” mit Gunter Dueck wurde von vielen re:publikaner_innen heiss erwartet. Bereits am Vortag wurde sie freudig angesprochen. Entsprechend sass ich pünktlich um 9.45 Uhr im Saal – die goldene Regel an der re:publica lautet: Für die Sicherung eines Sitzplatzes eine viertel Stunde früher vor Ort sein.

Dueck schickte eins voraus: Im Publikum sässen sicherlich alles intelligente Menschen, die Gefahr bestehe jedoch aufgrund der Menge, dass sie sich trotzdem der Dummheit hingäben. Wobei…vielleicht auch nicht, da die Voraussetzungen echter Schwarmintelligenz gegeben seien. Diese besagen, dass bei Schwarmintelligenz ein_e jede_r jederzeit kommen und gehen kann, wie es ihr oder ihm passt und so ein stetes “Atmen” des Schwarms möglich sei.

Schwarmintelligenz in Organisationen

In Organisationen sei dies leider nicht gegeben. Als Beispiel nannte Dueck die Einberufung einer Sitzung. Ziel einer solchen sei es ja meistens, helle Köpfe zusammenzubringen und eine bestimmte Sache zu besprechen und voranzutreiben. Und jetzt stellen Sie sich vor, es könnte wer wollte an der Sitzung teilnehmen und alle könnten kommen und gehen, wie es ihnen passt. Wohl keiner von uns hat so etwas schon mal erleben dürfen. Was wiederum bedeutet, dass wir zumindest in Organisationen keine Scharmintelligenz erleben, sondern wenn, dann wohl eher Schwarmdummheit.

Dummheit(en)

Hierzu als erstes eine Definition:

Wobei er hinzufügte, dass Dummheit damit beginnt, das Maxmum dem Optimum gleichzusetzen.

Dueck wies  diesbezüglich auch auf eine Alltagserfahrung hin: Intelligente Menschen rotten sich zusammen und tun dann Dinge, die viel blöder sind, als wenn sie es alleine angedacht hätten.

In seinen Ausführungen zeigte Dueck sodann 3 Beispiele von Dummheit auf:

Diese übersetzte er gekonnt auf alltägliche Situationen im Geschäftsleben und sorgte so sowohl für Lacher als auch spontanen Applaus.

Alles in Allem regte Duecks Vortrag dazu an, sich wieder einmal Gedanken zum eigenen Handeln und dessen zugrunde liegenden Gründen zu machen. Das Ganze mit einer guten Prise Humor und einem schönen Bild zum Abschluss.

Digitale Kompetenz bei Kindern & Jugendlichen – Session Nr. 2

Bestückt mir einem paar Kopfhörern sass ich im Anschluss in der Session “Kinder programmieren?” mit Alexandra Quiring-Tegeder und Julia Kleeberger. Wobei ich insgeheim einen kurzen Moment der Hoffnung hatte, dass ich dort höre, wie ich meine Kinder wenn nötig programmieren kann. Doch es ging um etwas viel wichtigeres und auch produktiveres, nämlich wie es um die digitale Kompetenz von Kindern und Jugendlichen steht.

Es gibt einiges zu tun

Quiring-Tegeder zeigte Ergebnisse einer Studie und diverser Umfragen und legte dar, dass die Zahl der digital kompetenten Kinder und Jugendlichen noch grosses Erhöhungspotential birgt. Sie wies gleichzeitig darauf hin, warum es relevant wäre, Kinder und Jugendliche diesbezüglich zu befähigen und ihnen die notwendigen und ausreichenden Kenntnisse in diesem Bereich zu vermitteln. Ihr Hauptargument: Um künftig im Arbeitsmarkt zu bestehen, sind Kenntnisse zu digitaler Kommunikation Voraussetzung. Es wird in Zukunft immer weniger Berufe geben, welche ohne solches Wissen zu bewältigen sind.

Die Zuständigen und ihre Hürden

Doch wer soll den Kindern und Jugendlichen die digitale Welt näher bringen? Eine Schlüsselrolle dabei spielen einerseits die Eltern, aber auch die Lehrpersonen. Doch diese haben zurzeit noch mit ihren eigenen Problemen und Befürchtungen zu kämpfen.

Elternteile haben oft noch Angst davor, dass ihre Kinder nur noch vor dem Computer sitzen, den Bezug zur Realität verlieren und lauter Gefahren im Netz sehen.

Lehrpersonen hingegen fühlen sich oft schlicht nicht kompetent genug, Wissen zu Programmieren und dem Bewegen in der digitalen Welt zu vermitteln. Hinzu kommt, dass sie oft vor Problemen organisatorischer Natur stehen. Sei es, dass Schulen weiterhin oft “under equiped” sind oder die Organisation der Benutzung kompliziert ist.

Quiring-Tegeder betonte in ihrem Vortrag jedoch, dass Lehrpersonen sich oft gerne dem Thema widmen würden und nach entsprechender Anleitung suchen, diese jedoch nicht erhalten und sich mit dem Thema allein gelassen fühlen.

Was und warum etwas getan werden muss

Fakt bleibt: Um Dinge zu verändern und Zukunft zu gestalten, brauchen Kinder und Jugendliche digitale Kompetenz. Wenn wir ihnen eine erfolgreiche Zukunft ermöglichen möchten, werden wir uns Gedanken dazu machen müssen, wie wir sie befähigen können.

Ein wichtiger und einfacher Anfang wäre, ihnen die Thematik nicht alleine aus der Sicherheitsperspektive näher zu bringen, sondern vielmehr auch aufzuzeigen und ein Gefühl dafür zu geben, dass Programmieren und sich im digitalen Bereich bewegen auch Spass macht.

Den Eltern und Lehrpersonen sollte man vermehrt aufzeigen, dass die Benutzung von Computern durchaus ein kreativer Prozess ist und es insbesondere nicht so ist, dass Kinder und Jugendliche durch dessen Benutzung nur noch “kopieren” – eine weit verbreitete Befürchtung.

Wichtig ist, dass digitale Kompetenz als Grundfertigkeit anerkannt wird, die Kinder und Jugendliche für die erfolgreiche Gestaltung ihrer Zukunft brauchen. Und wer stellt sich diesem Wunsch schon gerne bewusst entgegen?

Zahlen Leser_innen für Content? – Session Nr. 3

 

Noch etwas unsicher darüber, welche Session ich als nächstes besuchen sollte, überzeugte mich Barbara Müry davon “Independent… and paid. Über Micropayment zum zahlenden Leser” zu besuchen.

Vorgestellt wurde hier das Projekt Laterpay, welches vor einem Jahr gestartet ist und nun erste Erkenntnisse präsentieren konnte.

Allen voran stand die Frage im Raum, ob sich mit Journalismus im Internet Geld verdienen liesse. Die Antwort lautete klar: Ja! Cosmin Ene, Founder und CEO von Laterpay, zeigte in seinem Vortrag anhand des realen Beispiels auf, wie sich dies bewerkstelligen lässt, was funktioniert und was nicht.

Sein Résumé nach dem ersten Jahr:

  • steigende Nutzerzahlen
  • gute Kundschaftsfeedbacks
  • gute Anbietervielfalt
  • immer mehr Nutzende, die die 5-Euro-Grenze überschreiten
  • positive Berichterstattung in den Medien
  • zunehmende Akzeptanz.

Wobei Beiträge zu Crime und Bundesliga am besten verkauft wurden.

Als kritische Punkte zählte er die folgenden auf:

  • das Modell funktioniert nicht für Jede_n
  • Laterpay kann fehlende Bekanntheit nicht ersetzen, eine eigene bestehende Community ist unabdingbar
  • teils komplexe Integration des Systems in die bestehenden IT-Strukturen der Unternehmen.

Spannend waren auch die von Ene präsentierten Ausblicke. In ein paar Wochen geht der Laterpay Connector live, welcher einige der oben erwähnten Probleme löst. Seine Integration ist einfach, kostengünstig und schnell und gewährt der Kundschaft eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der eigenen IT-Abteilung. Und auch die Möglichkeit das System direkt in Video-Streams einzubauen klingt sehr vielversprechend.

Wenn Datenbanken unsere Existenz bestimmen – Session Nr. 4

Als letzte Session für diesen Tag besuchte ich “Nutella, Kittens and a friend Request from ISIS”, eine Diskussion mit Ben Wagner, Kavé Salamatian und Lea Gimpel.

Die Diskussion war sehr interessant und regte zum Nachdenken an. Salamatian berichtete von einem Experiment auf Facebook, bei dem es darum ging, in Kontakt zur ISIS zu treten. Dabei wurden über einen bestimmten Zeitraum alle Empfehlungen von Facebook zu Freunden angenommen, wobei die Versuchsgruppe gemeinsam hatte, dass alle Beteiligten eine gewisse Art von Unzufriedenheit bzw. Unsicherheit mit sich selbst oder dem Leben hatten. Salamatian ging es darum aufzuzeigen, wie aufgrund von Daten bestimmte Muster entstehen und entsprechend weitertradiert werden.

Wie wir uns von Maschinen leiten lassen

Dabei strichen Salamatian als auch Wagner heraus, wie wir auf System-Empfehlungen reagieren. Denn obschon wir meist nicht wisse,n aufgrund welcher Merkmale Empfehlungssysteme uns Empfehlungen unterbreiten, glauben wir ihnen. Wir vertrauen den Daten und deren Verwertung durch ein digitales System, durch eine Maschine und nehmen entsprechende Empfehlungen an, ohne sie zu hinterfragen.

Dass dies ein gewisses Risikopotential birgt, zeigt folgendes genanntes Beispiel: Wenn Sie heutzutage mit dem ausgedruckten Flugticket am Flughafen einchecken möchten und Sie aus irgendwelchen Gründen nicht im System erfasst sind, stehen Sie vor einem Problem. Obschon Sie das ausgedruckte Ticket vorweisen können. Es wird zumindest einige Zeit und Abklärung benötigen, den Flug antreten zu können. Ihre “Nicht-Existenz” im digitalen System wird Sie an der Teilhabe im realen Leben hindern.

Im Zeitalter von Big Data gilt es sich Gedanken dazu zu machen, ob und wie wir zwischen digitaler und offline Realität unterscheiden. Welche Realität gilt? Die, welche wir real erleben oder die, die wir digital erfasst haben?

Einen Satz fand ich hierzu prägend: Big Data can not replace critical analysis!

Guten Abend, gut Nacht…doch zuerst noch ein Foto

Ein wichtiger Termin stand am heutigen Tag noch an: Das alljährliche Foto der Schweizer_innen an der re:publica! Und sie alle folgten erneut dem Ruf von Barbara Schwede. Pünktlich wie es nur Schweizer_innen sein können, standen sie bereit und liessen sich von Mike Flam, dem heimlich offiziellen Fotografen der Gruppe, ablichten:

 

…und so ging der zweite re:publica-Tag zu Ende, die Hallen leerten sich und der Hof draussen füllte sich – mit schwatzenden, diskutierenden, lachenden und zufriedenen Re:publicaner_innen, die in der Abenddämmerung ihre Erlebnisse und Erkenntnisse austauschten und dem diesjährigen Motto “Finding Europe” alle Ehre gaben.

Für mehr hier auch unsere Zusammenfassung zum heutigen Tag via Storify.

Ihr habt die Informationen zu Tag 0 und Tag 1 verpasst? Kein Problem, einfach auf dem SOMEXCLOUD-Blog nachlesen.

 


Über den Autor

Sheila Karvounaki Marti