Service-Management-Praxis: Was ist ein Service?

In Schulungen und Diskussionen mit Kunden stösst Markus Schweizer immer wieder auf die Frage, was eigentlich ein Service ist. Die Definition spaltet auch Experten in zwei Lager. Eine aktuelle Bestandesaufnahme.

Autor Markus Schweizer
Datum 23.02.2015
Lesezeit 5 Minuten

Als Trainer in ITIL®-Kursen, aber auch als Berater in Kundensituationen stosse ich immer wieder auf die Problematik, genau zu definieren, was ein Service eigentlich ist. Vor allem in Diskussionen mit Kunden ist die Auffassung dessen, was ein Service ist, sehr unterschiedlich.

Die ITIL®-Definition eines Service lautet: «A means of delivering value to customers by facilitating outcomes customers want to achieve without the ownership of specific costs and risks(Quelle: Axelos Glossar) Diese Definition eignet sich gut für Infrastruktur-Services, wie zum Beispiel einen Server-Plattform-Service; sie eignet sich sogar besonders gut für alle Arten von Cloud Services, aber sie bringt wenig Nutzen in der Diskussion über eine intern entwickelte Anwendung, die ein ganzes Bündel von Geschäftsfunktionen unterstützt: Was ist hier «der Service»? Eine einzelne Transaktion? Eine Anwendungsfunktion, die einen Geschäftsprozess unterstützt oder die ganze Anwendung? Diese Diskussion ist schon schwierig genug unter IT-Spezialisten, wenn man damit auf die Businessseite einer Organisation geht, erntet man oft nur Unverständnis.

Die Experten

Ich habe die Ehre, in einer E-Mail-Gruppe mit ein paar Koryphäen des Service Managements verbunden zu sein. Unter anderem dabei sind Brian Johnson, Autor einiger der «ITIL® V1»-Bücher, Majid Iqbal, Co-Autor des «ITIL® V3 Service Strategy»-Buches, Charles T. Betz, Autor des wegweisenden Buches «Architecture and Patterns for IT Service Management, Resource Planning and Governance» und Paul Huppertz, seines Zeichens Service-Management-Guru aus Deutschland. Viele seiner Vorträge und Webinars sind auf Slideshare zu finden.

Das Ziel der Mail-Gruppe ist die Diskussion über die Zukunft des Service Management. Während ein Resultat noch in weiter Ferne ist, sind doch schon einige interessante Diskussionen geführt worden über Art, Beschaffenheit und Konditionen der Service-Erbringung, ohne sich darüber einig zu werden. Ein Exzerpt dieser Diskussion ist hier nachzulesen: http://service-science.info/archives/3666

Die zwei Sichtweisen

Im Wesentlichen lassen sich zwei Lager identifizieren: die «Theoretiker» und die «Pragmatiker». Die Theoretiker – angeführt von Paul Huppertz – stellen sich auf den Standpunkt, dass ohne ganzheitliche Service-Theorie und klar definierte Begriffe keine präzise Diskussion über Services geführt werden kann. Die Pragmatiker hingegen fordern einen einfachen Ansatz, um überhaupt die Diskussion mit Kunden starten zu können.

Ich verstehe den Standpunkt von Paul Huppertz und schätze seine Stringenz in der Einführung einer Service-Begrifflichkeit, allerdings finde ich die Erfindung von Begriffen wie «Servuktion» anstelle von Produktion vor allem in der Diskussion mit Kunden nicht zielführend. So ist zwar seine Definition eines Service sehr präzise, aber kaum praktisch verwendbar.

Auf der Seite der Pragmatiker sind zwei Feststellungen wichtig:

Erstens sind Produkte Waren oder Services. In der heutigen Zeit sind die Grenzen zwischen beiden fliessend: Heute gibts die meisten Waren mit einer Service-Leistung (z.B. 3 Jahre Gratis-Service beim Kauf eines Neuwagens) oder Service-Leistungen setzen Waren voraus (z.B. Gratis-Handy mit einem 2-Jahres-Abo).

Zweitens schlagen die Pragmatiker eher einfache Service-Definitionen vor, mit denen eine Diskussion wesentlich einfacher geführt werden kann. Mir gefällt z.B. folgende Definition von Steve Alter von der Universität San Francisco: «Services are acts or groups of acts performed with the intention of providing outcomes for the benefit of others».

Was funktioniert in der Praxis?

Aufgrund meiner Erfahrung in der Erarbeitung von Service-Katalogen oder Service-Landkarten überfordert dies sogar häufig die Vertreter der Businessorganisationen. Ich gehe deshalb mittlerweile soweit, dass ich Anwendungsservices als «Anwendung plus Leistungspaket» (Utility plus Warranty nach ITIL®) definiere. Das mag zwar sehr unpräzise sein, aber je nach Reifegrad des Kunden kann man es sehr gut als Basis für weiterführende Diskussionen nutzen.

Wenn sich die führenden Servicespezialisten der Welt nicht einig sind, was genau ein Service ist, kann man das kaum von Businessleuten erwarten. Organisationen, die erstmals über die Erstellung eines Servicekatalogs diskutieren, hilft mein vereinfachter Approach durchaus; mit der Zeit kann man dann die Begrifflichkeit verfeinern.

Zum Schluss noch eine schöne Illustration dafür, dass auch im Alltag Waren und Services im geeigneten Verhältnis gemischt werden müssen, um unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen und dass gute Beispiele, die jeder versteht, immer hilfreich sind.

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Über den Autor

Markus Schweizer

Markus Schweizer ist Digicomp Trainer, ITIL®- und Cobit®-Experte und Strategie-Berater bei Plat4mation für alle Belange des IT-Managements. Zuvor arbeitete er für IBM und PwC und verbrachte er neun Jahre in den USA, wo er Grossfirmen beim Einsatz von Service-Management-Konzepten beriet. Seine Beratungsschwerpunkte sind IT Business Management, interne Digitalisierung, Governance und SIAM.