Blick in die Werkstatt: Sozialdemokratische Leitplanken im digitalen Zeitalter

Projekt SP-Internetpolitik: sozialdemokratische Leitplanken im digitalen Zeitalter. Edith Graf-Litscher, Nationalrätin SP Thurgau, gewährt einen Blick in die Werkstatt.

Autor Edith Graf-Litscher
Datum 19.01.2015
Lesezeit 6 Minuten

Die SP Schweiz hat sich in verschiedenen Bereichen rund um das Internet mit Vorstössen in die politische Debatte eingebracht. Aktuell arbeitet die Sozialdemokratische Partei der Schweiz an einer umfassenden Strategie für eine Politik des Internets, die ihre Ziele und Werte umfasst. Die Herausforderung beim Erarbeiten einer solchen Strategie ist, dass es sich um ein Querschnittthema handelt, das in fast alle Gesellschaftsbereiche wirkt und parlamentarisch verschiedene Kommissionen betrifft.

Ein Leben ohne Internet ist nicht mehr denkbar. Unser beruflicher und privater Alltag sind stark digitalisiert. Zwei Zahlen: Weltweit werden pro Minute 186 Millionen Mails verschickt und rund 700’000 Anfragen gestartet. «Hashtag» ist das Wort des Jahres 2014. Das Internet ist eine Chance, unsere Grundwerte zu stärken, zu vermitteln und zu gestalten. Es kann einen wichtigen Beitrag leisten zur Erreichung unseres Ziels: eine offene, demokratische und solidarische Gesellschaft, die alle integriert, niemanden diskriminiert und Wahlfreiheit ermöglicht.

Die Kernfrage lautet: Wie sieht eine Internetpolitik basierend auf unseren sozialdemokratischen Grundwerten wie Solidarität, Chancengerechtigkeit, Mitbestimmung, Service public oder Schutz der Grundrechte konkret aus?

Wie können wir die Menschenrechte auch im Internet etablieren bzw. verteidigen? Das Internet verändert auch die Arbeitswelt auf vielfältige Weise. Weiterbildung, Arbeitsbelastung, Erreichbarkeit und Kontrolle verändern sich schleichend, aber radikal. Hier braucht es politische Antworten.

Das Projekt «SP-Internetpolitik»

Im Bewusstsein, dass die SP in diesem zentralen Politikfeld gestaltend aktiv werden muss, hat der Fraktionsvorstand auf Antrag der SP-Fachkommission Verkehr und Kommunikation in der Herbstsession 2014 beschlossen, einen Bericht zum Thema «Internetpolitik für die SP» in Auftrag zu geben. Wir haben einen von Leo Keller, Blue Ocean – Semantic Web Solution, Managing Director, und Matthias Stürmer, Geschäftsführer parlamentarische Gruppe digitale Nachhaltigkeit, parldigi, erarbeiteten Entwurf eines Grundlagenberichts ein erstes Mal am 1. Dezember in der Fachkommission Verkehr und Kommunikation diskutiert und am 9. Dezember der Fraktion präsentiert. In diesen Bericht sind bereits Inputs von verschiedenen Expertinnen und Experten eingeflossen.

Der Grundlagenbericht umfasst 20 Themenfelder: Internet als Service public, Netzneutralität, Suchneutralität, Internet-Governance, Datennutzung und Datenschutz, Urheberrechte, Internet Security, Internet Crime, Umweltbelastung, Wirtschaft, Finanzindustrie, Bildung, Gesundheit, Medienpolitik, Kulturpolitik, Open Government, Open Source, Open Access, Sharing Economy, Internet der Dinge.          

Zurzeit arbeiten wir an einer Vertiefung der Themen. Wir nehmen eine Priorisierung vor und bei unterschiedlichen Haltungen, die bei einzelnen Themen und Fragestellungen bestehen, diskutieren und überlegen wir, wie wir damit umgehen.

Am 24. Januar 2015 findet ein Workshop statt, zu dem Expertinnen und Experten von SP und Juso sowie die Fraktion eingeladen wurden. Er wird von André Golliez und Hanna Muralt Müller moderiert. Die Ergebnisse dieses Workshops bieten die Grundlage für die weitere parteiinterne Diskussion. Basierend darauf soll eine Position der SP Schweiz erarbeitet werden für eine Internetpolitik aus sozialdemokratischer Sicht. Nach der Auswertung des Workshops werden wir mit der Parteileitung das weitere Vorgehen besprechen.

Wie jede Technologie birgt das Internet Chancen und Risiken. Wir betonen die Chancen, ohne die Risiken zu verneinen. Ziel ist, das Potenzial des Internets zu nutzen, ohne die Augen vor den Risiken zu verschliessen: Überwachung, Aufruf zu Hass und Gewalt in sozialen Medien, totalitäre Kontrolle jeder einzelnen Person und ganzer Gruppen durch Internet-Monopole, Zugriff und Weitergabe von Daten, immer grösserer Datentransfer, Energieverbrauch, Gesundheitsrisiken, Cybermobbing, Kinderpornografie etc. Diese Risiken gilt es frühzeitig zu erkennen, und, wo nötig, regulierend einzugreifen. Dabei gibt es natürlich gewisse Spannungsfelder: Einerseits baut der Staat im Namen der Strafverfolgung bzw. der Sicherheit die Überwachung aus, andererseits soll er Grundrechte, Selbstbestimmung und persönliche Daten schützen.

Für mich steht im Vordergrund, dass wir das Internet in seiner gesamten volkswirtschaftlichen Bedeutung erfassen und wo nötig rechtzeitig politische Leitplanken setzen. Diese gesamtgesellschaftliche Sichtweise stellt die mit dem Internet verbundenen Chancen und Risiken in einen Zusammenhang mit der sozialen Frage, insbesondere auch mit der Bildung.

Die Dynamik der Digitalisierung soll allen und nicht nur wenigen etwas bringen. Deshalb möchte ich die digitale Zukunft mit meinen sozialdemokratischen Grundwerten mitgestalten. Dabei geht es u.a. um folgende Fragen:

  • Welche Rolle spielt der Mensch?
  • Was passiert mit unseren Daten und Spuren, die wir hinterlassen?
  • Welche Regeln und Standards brauchen wir, um unsere Privatsphäre zu retten?

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind wir aufgefordert, das digitale Zeitalter mit unseren Grundwerten aktiv mitzugestalten. Ich danke allen Fachpersonen und unseren Mitgliedern, die mit uns zusammen die Weichen in die richtige Stellung bringen, damit nicht nur einzelne profitieren.

Ziel ist es, dass sich die SP als erste Partei in der Internetpolitik positioniert. Wir sind auf gutem Weg dazu.

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Über den Autor

Edith Graf-Litscher

Edith Graf-Litscher ist Nationalrätin der SP Thurgau, Projektleiterin SP Internetpolitik und Co-Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe digitale Nachhaltigkeit sowie  Mitglied des Kernteams ePowerinitiative. Weitere Informationen: www.edith-graf.ch