Gestern Kollege - heute Vorgesetzter: So schaffen Sie den Rollentausch

Kollegen, die zu Chefs werden, haben es schwer. Die Mitarbeiter hoffen, dass dadurch alles beim «Alten» bleibt oder der zukünftige Boss endlich die Interessen der Gruppe nach «oben» durchsetzt. Die Geschäftsleitung wiederum hofft, dass der ehemalige Mitarbeiter genügend Durchsetzungsvermögen hat und schaut mit Argusaugen auf den Frischgekürten. Kursleiterin Dagmar Kohlmann zeigt auf, was es zu beachten gilt.

Autor Dagmar Kohlmann
Datum 13.05.2014
Lesezeit 7 Minuten

Kollegen, die zu Chefs werden, haben es schwer. Dagmar Kohlmann zeigt in diesem Beitrag auf, worauf es zu achten gilt, wenn jemand «vom Kollegen zum Vorgesetzten» wird.

Zwischen den Stühlen

Die Mitarbeiter hoffen, dass mit dem ehemaligen Kollegen alles beim «Alten» bleibt oder noch besser, der zukünftige Boss endlich die Interessen der Gruppe nach «oben» durchsetzt. Schliesslich weiss er genau, was die Mitarbeiter für Verbesserungen wollen. Z. B.: endlich die neue Pausenregelung! Und Gehaltserhöhungen sind schon lange fällig. Das Erfreulichste am internen Aufstieg ist aber: Es bleibt den Ex-Kollegen erspart, dass ihnen ein «Fremder» vor die Nase gesetzt wird.

Die Geschäftsleitung wiederum hofft, dass der ehemalige Mitarbeiter genügend Durchsetzungsvermögen hat und schaut mit Argusaugen auf den Frischgekürten. Der Zweifel, ob nicht einer von «Aussen» durch «straffere» Führung mehr Erfolg hätte verzeichnen können, wird sie eine Weile begleiten.

So sitzen die frischen Chefs oft zwischen allen Stühlen.

Mit dem Rollentausch ändert sich vieles, vor allem Gefühle

Kaum kontrollierbar sind die innersten Gefühle der «Zurückgebliebenen», also der Kollegen, die ebenfalls auf die Position reflektiert haben – das führt zu Frustration. Diese Mitarbeiter können dem frischgebackenen Chef nicht loyal folgen. Erschwerend kommt hinzu, dass über diese Enttäuschung meist nicht gesprochen wird.

Die Beziehung zu den ehemaligen Kollegen verändert sich klammheimlich. «Der muss sich ja jetzt auf die Seite der Geschäftsleitung stellen – irgendwie ist er doch einer von ihnen …». Skepsis und Misstrauen begleiten die neue Konstellation. Aus ehemaliger «Nähe» wird abwartende «Distanz».

Die neuen Chefs und ehemaligen Kollegen müssen davon ausgehen, dass eine Menge unbekannter Gefühle störend mitmischen. «Was tue ich», fragt sich vielleicht der frische Vorgesetzte, «um meine Beliebtheit zu behalten, auch wenn ich gezwungen bin, schwache Leistungen zu kritisieren und ungeliebte Veränderungen durchzusetzen?»

Gefühle, die unmerklich das Betriebsklima verändern, «Opfer», «Retter» und «Verfolger» auf den Plan rufen. Der ehemalige Kollege, der um die enge Beziehung zum neuen Chef bangt, wird immer eine Warnung auf der Lippe haben. «Du, pass auf, die Kollegen in der Buchhaltung reden über dich ….» ganz in der Rolle des Retters aufgehend. Der Verfolger hingegen wird keine Gelegenheit auslassen, dem Neuen zu beweisen, dass dieser ständig Fehler macht. Bleibt noch die Opferrolle: Hier wird jemand in Not geraten und um Hilfe bitten. «Du, ich bin doch nicht aus dieser Abteilung, deshalb kann ich das noch nicht …»

Hintergründe erspüren, wenn der Wind auffrischt

Es weht ein frischerer Wind in der Abteilung, der – für die einen merklich, für die anderen unmerklich – rote Bäckchen malt. Bitte mehr schützende Creme auftragen, bis Sie spüren, dass die Temperaturen sich wieder normalisiert haben. Sollte Ihnen auffallen, dass viel (für Sie unnötig) kritisiert und debattiert wird, treten Sie nicht in die Falle, sofort alles sachlich lösen zu wollen. Menschen reagieren auf Veränderungen häufig mit Widerständen. Sie befürchten, dass ihnen liebe Gewohnheiten genommen werden und das führt zu Verunsicherung. Gerüchte entstehen, die Mobbing-Gefahr steigt (man braucht ein gemeinsames Feindbild, um sich wieder stark zu fühlen) und es keimt Angst auf. Jede Abweichung von Erwartungen wird als Bedrohung aufgefasst und dies führt zu Ablehnung. Das erklärt auch, weshalb es oft so schwierig ist, neue Ideen, Visionen, Ziele in eine bestehende Ordnung zu installieren. Blicken Sie hinter die Kulissen und erspüren Sie die Hintergründe der Ablehnung. Das erfordert ein wenig Übung, denn wir haben nicht gelernt, mit unvorhersehbaren Gefühlen umzugehen, wir sind eher darauf getrimmt, uns sachlichen Dingen zuzuwenden.

Es werden «Nebenkriegsschauplätze» entstehen und daraus unnötige Diskussionen über Konzepte, unsinnige Anordnungen etc.

Der richtige Lösungsansatz

Erst wenn Sie verstehen, dass die Ablehnung Ihrer neuen Ideen nichts mit I H N E N zu tun hat (sondern mit der Angst vor Veränderungen), können Sie gelassen und «richtig» reagieren.

Sie können die Gerüchteküche in Schach halten, indem Sie möglichst viele Informationen fliessen lassen. Je mehr die Menschen über Pläne und Projekte wissen, desto weniger müssen sie darüber spekulieren und rätseln. Transparenz heisst das Zauberwort.

Manche «Probleme» bedürfen keinerlei Reaktion Ihrerseits, vieles legt sich nach einiger Zeit von selbst. Lassen Sie Ihren neuen Mitarbeitern Spielraum für Konflikte, für negative Emotionen. Greifen Sie zu früh ein, wird der Konflikt «öffentlich» und Sie sind gezwungen zu handeln: Gespräche führen, lenken, beschwichtigen. Zu spüren, was «los» ist, den richtigen «Riecher» fürs Eingreifen, Handeln oder Lenken zu bekommen, wird eine Ihrer neuen Aufgaben sein.

Aber Achtung! Vergessen Sie nicht Ihren eigenen Vorgesetzten

Auf eine Gefahr am Rande möchte ich Sie noch aufmerksam machen: Sollten Sie in Ihrem neuen Job zu «gut» werden, kann das bei Ihrem nächsthöheren Vorgesetzten ebenfalls Ängste auslösen. Vielleicht hört er bereits «Sägegeräusche» an seinem Stuhl. Er glaubt eine «Natter an seinem Busen zu nähren» und muss deshalb sein Terrain schützen. Das macht sich dadurch bemerkbar, dass er z.B. Ihre Ideen boykottiert oder ablehnt, bzw. Sie kaum mehr informiert (Sie erfahren erst während der Sitzung, dass über das und jenes bereits Entscheidungen getroffen wurden und Sie sind der Blamierte: «Wie, Sie wussten nicht, dass …? Naja, Sie müssen eben noch viel lernen»).

Wenn Sie die Anzeichen früh genug erkennen, können Sie gegensteuern – und Ihrem Erfolg steht nichts mehr im Wege.


Über den Autor

Dagmar Kohlmann

Dagmar Kohlmann selbstständige Trainerin für Reden, Kontern und Verkaufen. Ihre Bücher «Gestern Kollege – heute Vorgesetzter» und «Kontern - aber wie?» erschienen im Gabal Verlag. 1996 gründete sie die heutige DKS-Akademie GmbH.