Dynamic Publishing: Warum sollen wir dynamisch produzieren in der Mediengestaltung?

Die Zeit wird schnelllebiger. Immer mehr Medienkanäle und Informationsangebote buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Matthias Günther, Keynote-Speaker des Publishing Day 2014, ist deshalb überzeugt, dass man als Publisher optimierte und möglichst automatisierte Vorgänge braucht, um Aktualität (Schnelligkeit) und Konsistenz über alle Kanäle zu erreichen.

Autor Matthias Günther
Datum 25.02.2014
Lesezeit 6 Minuten

Die Zeit wird schnelllebiger. Immer mehr Medienkanäle und Informationsangebote buhlen um unsere Aufmerksamkeit.

Als Publisher – egal ob Agentur, Verlag oder Industrieunternehmen – brauchen wir daher optimierte und möglichst automatisierte Vorgänge, um Aktualität (Schnelligkeit) und Konsistenz über alle Kanäle zu erreichen.

Das wird noch verstärkt durch die Anforderungen des transmedialen Publishings – also das Publizieren nicht nur für Print und Web, sondern auch für Smartphones und Tablets –, denn nun haben wir ein schnelles Medium mehr, das nach hervorragend gestalteten Inhalten verlangt und dies in allen Ausprägungen.

Dabei ist es egal, ob wir von kleinen, teil-automatischen Ansätzen oder von grossen, komplett automatisierten Lösungen sprechen.

Was ist Dynamic Publishing?

Der Begriff «Dynamic Publishing» beschreibt den Publishing-Prozess, der wiederverwendbare Informationsschnipsel nutzt, um diese für unterschiedliche Zwecke zu kombinieren, wie z.B. Medienarten, Formate und Zielgruppen.

Warum machen wir das nicht schon heute?

Viele Workflows und Prozesse sind mit der Zeit gewachsen und dabei immer wieder nur leicht angepasst worden. Die Kluft zwischen den Chancen, die eine grundlegende Änderung unserer technischen Arbeitsweise bieten würde und unserer eigentlichen Publishing-Praxis wurde dabei gar nicht bemerkt.

In den meisten Prozessen sehen wir eine Zweiklassengesellschaft: Personen mit Layoutprogramm und Personen ohne.
Die «ohne Layoutprogramm» fühlen sich zum einen abhängig und oft unverstanden von denen «mit». Auf der anderen Seite verstehen die Teilnehmer ohne Layoutprogramm oft nicht die Komplexität von Gestaltungsänderungen: «Können wir nicht einfach den Schriftgrad vergrössern, ohne dass sich der Umbruch ändert? Und die Bilder können wir gleichzeitig auch noch größer machen!»
So entsteht nicht nur eine Mauer zwischen den beiden Gruppen – die Qualität leidet oft auch. Denn der Wissensarbeiter (Knowledge Worker), der den Text einfach selbst korrigieren könnte, muss durch langwierige Layoutprozesse, die meist verhindern, dass vor Drucklegung noch eine Korrektur durchgeführt werden kann.

In Crossmedia-Publikationen verhindern langwierige Produktionsprozesse die schnelle Produktion von Printmedien. Diese langwierigen Prozesse gelten fürs Web schon lange nicht mehr, da meist auf Basis von Content-Management-Systemen gearbeitet wird. Wenn wir aber schnelle Crossmedia-Produktionen fahren wollen, dann müssen alle unsere Medienkanäle ähnliche Prozesse aufweisen und alle sollten möglichst automatisiert erstellt werden können. Hinzu kommt, dass wir nicht für jedes Medium, das wir bedienen möchten oder müssen, eigene finanzielle oder zeitliche Ressourcen aufbauen wollen oder können. Kurzum: Um ökonomisch crossmedial handeln zu können, ist Automatisierung unerlässlich. Daher brauchen wir Dynamic Publishing.

Dynamic Publishing schafft so die systemische Grundlage für agiles Publizieren und bringt uns auch technisch in die neue Zeit der Medienproduktion.

Wie publizieren wir dynamisch?

Die Ansatzpunkte für eine neue Form der Medienproduktion hat drei Schwerpunkte: Zusammenarbeit, wiederholbare Qualität und Automatisierung.

Gerade beim letzten Punkt stossen wir oft auf Ängste:

  •  Jede Seite ist ein individuelles «Gesamtkunstwerk». Sie soll so aussehen, wie sie bewusst gestaltet ist.
  • Tools zur Automatisierung sind oft recht teuer. Dabei wird meistens nur die Kostenseite betrachtet – obwohl in unserer Informationsgesellschaft Zeit immer mehr das grössere Problem darstellt. Wie bekomme ich Informationen möglichst personalisiert und in ansprechendem Layout rechtzeitig zu meinen Nutzern? Wirklich noch mit handgemachten Layouts?
  • Oft ist auch die Angst vor «Schraubenkatalog-Design» das Problem: Grafiker befürchten, das Layout könnte zu simpel, zu gleichartig, langweilig aussehen, wenn es automatisiert würde.

Wir brauchen Automatisierung nicht nur, um Kosten zu sparen – die Hauptmotivation dahinter ist oft Time-to-Market. Also die Zeit, die wir brauchen, um auf dem Markt sichtbar zu sein. Wenn wir z. B. an Web-Nachrichtenportale denken, an personalisierte Statusberichte von Aktienportfolios oder an Produktdatenblätter, dann wird schnell klar, dass wir gar nicht mehr die Zeit haben, alles per Hand zu layouten oder zu setzen.

Wenn dann noch Personalisierungen und mehrere Medienkanäle ins Spiel kommen, müssen wir automatisieren.

Und bitte keine «falschen» Emotionen beim Begriff «Automatisierung»: Wir automatisieren doch schon eh und je – mit Musterseiten, Objekt- oder Textstilen oder bedingten Textformaten.

Trennung von Form und Inhalt

Im Dynamic Publishing gehen wir in der Automatisierung noch eine Stufe weiter: Idealerweise ist die gesamte Erstellung der Seite, ja des gesamten Mediums automatisiert. Ähnlich wie bei Web-Content-Management-Systemen müssen wir dazu Form und Inhalt trennen. Das bedeutet: Wir erstellen eine hochwertige Gestaltung in Form von intelligenten Vorlagen und füllen die Inhalte (Text, Bilder, auch Videos etc.) da hinein.

Dazu brauchen wir Lösungen, die

  • unsere Kunden direkt einbinden,
  • hochgradig automatisiert Layouts umsetzen,
  • dabei wiederholbare und personenunabhängige Qualität abliefern und
  • verbunden mit evtl. nötigen manuellen Anpassungen in alle Kanäle publizieren können.

Dynamic Publishing schafft so die systemische Grundlage für agiles Publizieren und bringt uns auch technisch in die neue Zeit der Medienproduktion.

Mathias Günther

Mathias Günther

Matthias Günther ist Dozent (FH), Fachbuchautor und im Hauptberuf derzeit Produktmanager des HTML5 basierten App Studio für Mobile Publishing. Er beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit digitalem Publishing und Print. Matthias ist aktiv in der Ghent PDF Workgroup und hat gerade das Kompendium «Agiles Publishing» veröffentlicht. Matthias Günther ist weltweit als Referent auf Seminaren und Tagungen tätig und hilft einzelnen Designern wie auch grossen Unternehmen, Chancen und Auswirkungen im Bereich Digital Publishing zu erkennen, Business-Modelle zu eruieren und Implikationen für Design- und Technologieentscheidungen zu identifizieren.

Mehr zu Dynamic Publishing und anderen agilen Publishingmethoden finden sich auch im neuesten Buch von Matthias Günther.

WebseiteTwitterQuark ForumYouTube

 


Über den Autor

Matthias Günther