Interview: Barbara Schwede über Community Management

Autor Administrator
Datum 16.11.2012
Lesezeit 10 Minuten

Barbara Schwede ist Lehrgangsverantwortlich Community Management bei SOMEXCLOUD und bei MAZ, der Schweizer Journalistenschule. Die Germanistin und leidenschaftliche Kommunikatorin arbeitet zudem als Texterin und Community Managerin in ihrem Unternehmen Die Schwedin.

Im Interview erläutert die Fachfrau, welches Potenzial Community Management für Schweizer Unternehmen bereit hält und weshalb Dialog und nicht Content der wahre König von Social Media ist.

SOMEXCLOUD: Sich aus der Masse abheben – ein Wunsch jedes Unternehmens! Kommt man diesem Ziel mit professionellem Community Management näher?
Barbara Schwede: Professionelles Community Management bedeutet eine saubere und umfassende Betreuung der Fanpage eines Unternehmens. Da steckt eine ganze Menge Handwerk dahinter, das aber noch nicht automatisch zur Differenzierung ausreicht. Den Usern fällt es zwar auf, wenn ihre Fragen und Kommentare schnell und sympathisch behandelt werden und  wenn der Redaktionsplan vielfältig und kreativ ist, aber eigentlich sehe ich das eher als Must denn als USP. So, wie wenn ein Unternehmen professionelle Werbung macht – nur weil die Anzeigen in Print und TV ordentlich gemacht sind, kann sich ein Unternehmen heute nicht mehr abheben, das ist Standard. Differenzierungspotenzial liegt eher in den Inhalten: Kann ich eine aussergewöhnliche Kampagne durchführen? Biete ich ein wirklich überraschendes, einmaliges Gewinnspiel? Diese Dinge zu entscheiden, liegen nur sehr selten in der Hand des Community Managers.

Wo schlummert das grösste Potenzial im Community Management, welches von Schweizer Unternehmen noch zu wenig oder gar nicht ausgeschöpft wird?
Das wahre Potenzial der 2.0-Kommunikation liegt im ernsthaften Einbezug der Fans in die Gestaltung der Produkte und des Sortiments. Wir stellen nicht nur ein neues Produkt vor, sondern wir lassen die Fans vorher über seine Beschaffenheit mitreden: Was braucht ihr wirklich? Welchen Vorschlag findet ihr besser? Welchen Duft habt ihr lieber? Welche Features sind euch wichtiger? Dies verlangt aber auch überlegte und bewusste Kunden. Bekannt ist ja zum Beispiel, dass die Schweizer seit Jahren mehr Bioprodukte fordern, dann aber oft nicht bereit sind, den teureren, nicht ganz so makellosen Bio-Apfel seinem konventionellen Bruder vorzuziehen. Es braucht also noch viel Entwicklung auf beiden Seiten. Aber erste Schritte in diese Richtung werden gemacht.

Wie viel Zeit sollte ein Unternehmen in sein Community Management investieren, um damit nachhaltig Erfolg zu erzielen?
Das  hängt mit der Unternehmensgrösse und der Fanbasis zusammen. Ein kleines Altstadtlädelchen kann sicherlich mit einer Viertelstunde täglich einen nachhaltigen Erfolg erzielen. Wenn Grossfirmen mit mehreren Zehntausend oder Hunderttausend Fans agieren, müssen auch andere Dimensionen bedacht werden: Bis hier schon allein alle Infos an einer Stelle zusammenfliessen, all die internen Abstimmungsprozesse abgehakt, sowie das Monitoring und der Dialog einer aktiven Fanseite abgedeckt sind… Da kann man schnell eine Vollzeitstelle damit besetzen.

Ausserdem muss dann auch die Umsetzung in anderen Abteilungen gewährleistet sein: Die Durchführung eines gross angelegten Wettbewerbs, fordert eine Logistikabteilung mit dem Versand vieler Päckchen, zusätzlich zum laufenden Geschäft. Das ist nicht zu unterschätzen.

Das Monitoring stellt einen wichtigen Bestandteil der Social Media-Strategie eines Unternehmens dar. Wie verläuft ein solches Monitoring optimal?
Zuerst definiert ein Unternehmen die Kennzahlen, welche für die eigenen Ziele relevant sind. Dann sucht man die passende Monitoring-Software und lässt sie sich korrekt einrichten. Damit ist die Arbeit aber nicht zu Ende: Monitoring nützt nur etwas, wenn es aktiv ausgewertet wird – wenn also die Reports gelesen und dann auch Konsequenzen daraus gezogen werden. Monitoring kann als Warnsystem für Krisen fungieren, aber auch bei der Umgestaltung von Produkten und Dienstleistungen helfen oder die Servicequalität verbessern.

Du leitest das Unternehmen Barbara Schwede Businesstexte. Hier bietest du unter anderem Content Creation für Firmen an. Welches ist die goldene Regel, wenn es um die Texterstellung für Social Media geht und ist Content immer King?
Die goldene Regel ist die Relevanz für den Kunden oder Fan. Noch überlegen Unternehmen zu sehr, was sie den Usern bieten können, was man für Social Media ausschlachten kann. Die Frage lautet eher: Was will der Kunde von mir wissen? Was beschäftigt ihn in seinem Leben, das einen Bezug zu meinem Produkt hat. Wenn ich Schokolade verkaufe, geht es nicht nur um Süssigkeiten, sondern auch um den Kontakt zu geliebten Menschen, um einen schnelle Geschenkidee, um Trost, um Belohnung, um Kalorien… Aber das gilt natürlich nicht nur für Social Media. Wenn ich Texte für die „Wer sind wir“-Seite eines Unternehmens schreibe, frage ich mich, warum ein User diesen Screen aufruft: Doch deshalb, weil er wissen will, ob er mit diesem Unternehmen zusammenarbeiten will, ob ihm die dort vorgestellten Menschen und Leitsätze sympathisch sind. Der Titel der Page könnte also – einmal spielerisch gedacht – auch „Na, wie wär’s mit uns?“ lauten und der Inhalt könnte sich bei einem humorvollen Unternehmen am Stil von Dating-Profilen orientieren…

Ist Content immer King? Auf Social Media sind die Aktionen der User – ihre Fragen, Provokationen und Kommentare – genauso aber auch ihr Nicht-Reagieren – mindestens genauso wichtig, denn Dialog gibt es nur im Zusammenspiel beider Seiten. Also könnten wir für Social Media vielleicht umschreiben: Dialog is King.

Du hast bereits Facebook-Seiten von Unternehmen wie NIVEA, McDonald’s, Toyota, Axa Winterthur und Emmi Caffee Latte betreut oder beraten. Wie kam es dazu, dass dein Herz, wie du es auf deiner Homepage schreibst, für die Facebook-Kommunikation schlägt?
Ich durfte bei Goldbach Interactive dabei helfen, die Seite von Emmi Caffee Latte aufzubauen als es in der Schweiz noch wenig professionell geführte Unternehmensseiten auf Facebook gab. Mir gefiel von Beginn an die Gratwanderung zwischen lockerem Ton und Professionalität. Sich so nah wie möglich der Sprache der Fans anzupassen, trotzdem dem Unternehmensimage treu zu bleiben und nicht in Beliebigkeit abzugleiten ist eine Herausforderung, die immer spannend bleibt. Ausserdem mag ich das direkte Feedback der Fans. Jede Aktion ist messbar und wir können ständig optimieren. Und dann war die Krisenkommunikation schon immer eine meiner Lieblingsdisziplinen. Auf Social Media haben wir es ständig mit Mini-Krisen zu tun, wenn Fans ihrer Unzufriedenheit oder ihrem Ärger Luft machen. Im klassischen Kundendienst wurde das am Telefon 1:1 geklärt, auf Social Media können uns Tausende dabei zuhören, also ist eine besondere Sensibilität gefragt. Nicht zuletzt bleibt die Sache dauerhaft herausfordernd, weil sich die Plattform ständig verändert…

Was macht einen Community Manger zu DEM Community Manager?
Eine gute Community Managerin oder ein guter Community Manager (die grosse Mehrheit ist weiblich) bringt Sprachgefühl und Diplomatie, eine hohe Servicebereitschaft und Krisensicherheit mit. Flexibilität und Zuverlässigkeit, Kreativität, Freude an sozialen Medien und regem Austausch sowie Interesse am Produkt sind ebenso unverzichtbar wie ein Grundverständnis für IT, Know-how im Bedienen von Social-Media-Plattformen und Basiswissen in Bildbearbeitung.

Mit welchen Herausforderungen sieht sich das Community Management konfrontiert und auf welche Trends dürfen wir uns zukünftig einstellen?
Aktuell sehen wir uns mit einer stärkeren Kommerzialisierung der Plattformen konfrontiert. Facebook muss seit dem Börsengang verstärkt Geld verdienen und schraubt die Impressions herunter, damit die Firmen mehr Geld in die Bewerbung ihrer Seiten investieren. Das löst eine gewisse Frustration aus, denn darauf haben wir als Community Manager keinen Einfluss. Eine andere, immer aktuelle Herausforderung  besteht darin, im Unternehmen selbst die zeitlichen Erwartungen der Plattform durchsetzen zu können. Gerade im Krisenfall muss in sozialen Medien schnell und konkret reagiert werden – hier räumen die Führungsetagen oft zu wenig Priorität ein und man kämpft dann zwischen dem eigenen Anspruch, wie eine Seite geführt sein sollte, und der unternehmerischen Realität…

Ein wichtiger Trend wird wohl eine neue Sensibilität der User im Umgang mit ihren Daten sein. Sie werden – nach einer Phase grosser Offenheit – wieder mehr fragen, was denn damit passiert und wer Zugriff darauf hat. Ausserdem sind Jugendliche gar nicht mehr gerne bereit, einem Unternehmen zu folgen und brav alle Infos aufzunehmen, die ihnen da geboten werden, sondern sie erwarten von Firmen, dass diese per schlauem Monitoring dann kommen und ihre Probleme lösen, wenn diese auftauchen – also zum Beispiel, wenn sich jemand in einem Forum mit einer Frage meldet, dass sich dann Firmen einschalten und ihre Unterstützung anbieten. Die Kommunikation wird also umgedreht, die Firmen werden mehr zu reagierenden Empfängern. Das fordert neue Formen der Kundeninteraktion und die wirkliche Bereitschaft zum Dialog.


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