Schreibe ich. Oder werde ich geschrieben?

Autor Administrator
Datum 09.11.2012
Lesezeit 5 Minuten

12. Juni fand im Bourbaki-Kino in Luzern die Konferenz «Partizipatives Storytelling mit Social Media & Co» statt. Der Anlass des «Center for Storytelling» in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern und der Zürcher Hochschule der Künste stand unter dem Motto «Geschichten erzählen, die unser Publikum zu aktiven Beteiligten machen».

Am Ende der Veranstaltung sollte Prof. Dr. Jörg Huber, Leiter des Instituts für Theorie der ZHdK eine Zusammenfassung zum Besten geben. Stattdessen blickte er «über alles» und stellte dabei den Teilnehmenden in Zusammenhang mit den Mechanismen von Social Media die provokative Frage «Schreibe ich oder werde ich geschrieben?» (http://vimeo.com/44060894). Mit dieser Frage lancierte er eine Diskussion, die bis jetzt wenig oder gar nicht geführt wurde: Welche Auswirken haben die Social Media Plattformen auf unsere eigene Geschichte?

Wurden zurzeit von «Web 1.0» noch mehr als 90 % der Informationen, die man im www über ein Unternehmen finden konnte, auch tatsächlich von diesem bereitgestellt, sind es im «Web 2.0» gerade noch 50 % – Tendenz stark sinkend. Firmen, welche die Zeichen der Zeit erkannt haben, bilden deshalb Social Media Manager aus und nehmen an diesen Diskussionen teil. Damit können sie diese Diskussionen zwar nicht vermeiden. Aber zumindest moderieren.

Privatpersonen wird es über kurz oder lang genau gleich ergehen: Die Beiträge im Netz werden in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Und nicht jeder Beitrag ist erwünscht. Das stellt vor allem Selbständige vor grosse Herausforderungen. Denn professionelles Moderieren auf Facebook, Twitter & Co braucht Zeit. Und wenn es mit einem professionellen Monitoring verbunden wird, auch noch eine schöne Stange Geld.

Dabei ist der Aufwand für einen Freiberufler in Relation zu einem Grossunternehmen erst noch um ein vielfaches Grösser. Denn Posts von Freiberuflern für 100 Fans müssen genau so sorgfältig geplant und erstellt werden wie Posts für ein Grossunternehmen mit 100’000 Fans. Und einen eigenen Social Media Manager werden sich wohl die wenigsten Freiberufler leisten können.

Doch damit nicht genug der Knacknüsse: Während eine starke Präsenz von Firmen auf allen Social-Media-Kanälen in der Regel als «dynamisch» und «positiv» empfunden wird, kann das bei Freiberuflern durchaus ins Gegenteil kippen: Bei einer –zu– starken Präsenz werden sich potenzielle Kunden schnell einmal die Frage stellen, ob diese Person «nichts anderes zu tun hat.»

Auch Angestellte, die sich in Zukunft erfolgreich bewerben wollen, stehen vor grossen Herausforderungen: Was denk eine HR-Verantwortliche, wenn sie eine Bewerberin im Netz nicht findet? Das ist eine vertrauenswürdige Person?» Oder «Das ist eine introvertierte Person, die sich ständig abgrenzen muss?» Auch hier legen «positiv» und «negativ» sehr nahe beieinander.

Privatpersonen nutzen Social Media Plattformen auf Augenhöhe mit Unternehmen. Während Social Media für Firmen professionell und mit grossem Erfolg @somexcloud unterrichtet wird und auch immer mehr Hochschulen und Anbieter von Berufsausbildungen wie das SPRI das Thema entdecken, ist von einer zeitgemässen Ausbildung für Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende weit und breit nichts in Sicht.

Journalisten und Pädagogen werden nicht müde, negative Beispiele über Social Media zu erzählen. Zum Beispiel die Geschichte des 16jährigen Mädchens, das seine Lehrstelle bei der Gemeinde –trotz Zusage– am Ende doch nicht bekam, weil es sich auf Facebook negativ über eine Lehrperson geäussert hatte. Solche Einzelschicksale sind für die betroffenen Personen zwar ärgerlich. Am Ende haben sie aber genau so wenig Relevanz wie die oft zitierte Geschichte des Schweizer Outdoor-Ousrüsters «Mammut», die am Ende eben auch kein richtiger Shitstorm, sondern im besten Fall ein Shitstörmli war.

Wer zeigt Privatpersonen die positiven Seiten von Social Media? Wer bietet –endlich– einen Lehrgang «Erfolgreiches Selbstmarketing mit Social Media» an? Denn wenn wir nicht selber schreiben, werden wir definitiv geschrieben.


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