10 Thesen zur Zukunft von Social Media

Autor Administrator
Datum 09.11.2012
Lesezeit 18 Minuten

Thesen werfen einen Blick auf die Zukunft und helfen bei der Formulierung von Prognosen. Dieser Blogbeitrag nimmt sich den Raum, zehn echte Thesen zur Zukunft von Social Media zu formulieren, basierend auf dem Blogbeitrag auf Kommunikation Zweinull von Kai Heddergott.

These 1: Social Media ist kurzfristig kein herausgehobenes Phänomen mehr und wird eine von vielen Spielarten der Online-Kommunikation – wenn auch eine Leitfunktion.

In mancher Hinsicht ist Social Media der Wiedergänger von Multimedia oder E-Learning – beides Begriffe und Themenfelder, die eine Zeit lang hervorragend geeignet waren, um neue Tätigkeitsfelder, Dienstleistungen und Trendveranstaltungen als innovativ und zukunftsweisend annoncieren und vermarkten zu können. Von Multimedia und E-Learning spricht heute keiner mehr bzw. es gibt keine Fördermittel mehr für Innovationsprojekte in diesen Feldern – das Geld muss man sich schon beim Kunden abholen; Webinare sind längst Alltag geworden, auch im B2B-Mittelstand und niemand käme auf die Idee, das als „innovatives E-Learning“ mehr zu bezeichnen.

Und Multimedia? AppleTV und IPTV, YouTube via Smartphone und SoundCloud sind die Enkel dieses Begriffes, den niemand mehr ernsthaft benutzt – außer Wegweiser zu den Elektronik-Abteilungen von Karstadt. 
So wird es kurzfristig auch Social Media widerfahren – ohne das die starken Veränderungsimpulse von Social Media an Wirkung verlieren werden.

These 2: Unternehmen, die den kommunikativen Paradigmenwechsel, der mit Social Media einher geht, nicht verstehen und umsetzen, werden an der Wertschöpfung des 21. Jahrhunderts nicht teilhaben.

Natürlich werden Stahlhersteller ihre Coils nicht in einem Social Commerce-Portal anbieten und natürlich gibt es Pizza-Online-Orderdienste schon seit graumer Zeit. Aber ganz gleich, ob es um servicelastige Dienstleistungen, B2B-Kommunikation oder Konsumprodukte geht – die Kraft, die Social Media als „Game Changer“ mit sich bringt, ist von vielen noch nicht erkannt worden, wenngleich die Orientierungsphase in Bezug auf Social Media sicherlich vorbei ist und die Anwendungsphase derzeit absolviert wird.

Aber völlig branchenunabhängig und unabhängig davon, welche Vorkenntnisse oder Affinität Entscheider mit sich bringen, müssen sie sich intensiv mit den nachhaltigen Auswirkungen von Social Media auf Kommunikation generell und insbesondere in Bezug auf Unternehmenskommunikation, Vertrieb und Marketing und Kundenbeziehungen auseinandersetzen. Es ist eigentlich eine Plattitüde, aber Social Media ist Chefsache – die nicht damit erledigt ist, dass Vorstände ein Wochenendseminar besuchen, um zu sehen, was „meine Kinder und mein Pressesprecher da so machen“. Management bedeutet auch Kommunikationsmanagement – und im jahre 2012 ist Social Media da eingeschlossen.

These 3: Für eine Übergangsphase braucht es noch dezidierte Social Media-Manager und entsprechende Qualifizierungsprogramme – mittelfristig wird die professionelle Social Media-Kommunkationsarbeit aber lediglich ein Tätigkeitsfeld sein, das sich in als Aufgabe in bestehende Berufsbilder integriert.

In den vergangenen 15 Jahren mussten Kommunikationszuständige unternehmensseitig in Marketing- und Presseabteilung sowie medienseitig in Redaktionen und Agenturen den Einsatz des Internet als neues Arbeitsfeld „oben drauf packen“ und in den Arbeitsalltag und die eigenen Routinen und schließlich in das eigene Aufgabenspektrum integrieren.

Natürlich sind da auch Spezialisten entstanden, deren Arbeit nötig ist und nicht vollständig durch die klassischen Berufsbilder abgedeckt wird. Aber es ist schon heute so, dass professionelle Medienarbeit und Außenkommunikation das Verständnis der Funktionsweise von Social Media voraussetzt und die Kenntnis der Vielfalt der Angebote und Einsatzmöglichkeiten unabdingbar ist. Perspektivisch wird der Spezialfall Social Media sich einreihen in eine Phalanx von Instrumenten der Kommunikation.

These 4: Der Kampf um die Köpfe findet überwiegend im digitalen Dialog statt – Arbeitgebermarken, die Online-Kommunikation nicht in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen um Nachwuchs und neue Mitarbeiter stellen, sind bereits jetzt abgeschlagen.

Online-Suche nach Produkten, Herstellern und Informationen über die Qualität von Gütern ist die Regel im kommunikativen Alltag der Bevölkerung geworden. Informations- und Suchort Nummer 1 ist das Internet. Das gilt demnach auch für die Suche nach einem interessanten oder passenden Arbeitgeber. Die Möglichkeiten, die sich durch die Realisierung von crossmedialen Angeboten – z.B. ein Blog zum Unternehmen als Arbeitgeber, Mitarbeiter-Testimonials bei YouTube, Stellen-Infos per Twitter, Unternehmensprofil bei XING – für die Präsentation von Unternehmen als Arbeitgeber bieten, entsprechen der Zielsetzung „An möglichst vielen Kommunikationsorten die Zielgruppe ansprechen und erreichen können“.

Aber nicht nur die Verbreitung spielt hier eine wichtige Rolle – auch die Art der Ansprache gestaltet sich deutlich vielfältiger, mitunter auch authentischer und interaktiver als in klassischen Stellenanzeigen. Der Konkurrenzkampf um gute Mitarbeiter findet nicht nur in der Industrie, sondern auch im mittelständisch geprägten Handwerk oder Handel vor Ort in der Region statt. Und nicht erst 2012 haben Personalverantwortliche in Unternehmen diese Potenziale erkannt und bedienen mögliche Suchanfragen mit mehrkanaligen Angeboten. Wer sich der Konkurrenz stellen muss und will, kommt kurz- bis mittelfristig nicht darum herum, sich als Unternehmen mit interessanten Stellen und Arbeitsplätzen via Social Web zu präsentieren.

These 5: Dialog-Kommunikation in sozialen Netzen ist künftig die Säule für Kundenbetreuung, Service & Support sowie Marktforschung und Produktentwicklung

Schnelle Kontaktmöglichkeiten, zeitnahes Feedback bei individuellen Support-Anfragen, die zeitnahe Bereitstellung aktueller Produkt-Infos und -Updates – all das sollte ein serviceorientiertes Unternehmen heutzutage bieten. Idealer Weise gebündelt in einem Servicekanal. Leider hat sich das Konzept Hotline zwar durchgesetzt, genügt aber nicht immer den Anforderungen der Kunden; Erreichbarkeit, Kompetenz des Servicemitarbeiters und Reaktionszeiten sind nach wie vor große Herausforderungen.

Die werden nicht durch den Einsatz von Social Media per se bewältigt, nach wie vor ist ein gutes Konzept mit dahinter liegenden nötigen Ressourcen das Wichtigste. Aber mindestens die Empfehlung zufriedener Servicekunden lässt sich via Social Media ohne eigenes Zutun schnell in der relevanten Zielgruppe verbreiten, das Empfehlungsmarketing der Nutzer im Social Web kann sich schnell und wertschöpfend verbreiten.

Der Dialog mit diesen Kunden zu Zufriedenheit, Wünsche an Produktentwicklungen und -features sowie das Feedback zu im Markt befindlichen Produkten lassen schnelle und vergleichsweise kostengünstige Maßnahmen der Marktforschung zu. Ansätze wie Open Innovation lassen sich hervorragend online abbilden und die Einbeziehung externer Innovatoren lässt sich via Social Media sogar noch besser gestalten – die Konversation der Kunden kann verfolgt und genutzt werden, der Kunde sieht sich eingebracht und ernstgenommen.

Natürlich gehört hier auch der Mut dazu, sich der – unter Umständen berechtigten – Kritik der Kunden zu stellen. Aber das ist mehr oder minder alternativlos, denn die Kommunikation über Produkte und Dienstleistungen findet ja ohnehin in hohem Maße online statt. Da ist es besser, dieser Konversation eine eigene kommunikative Heimat zu geben. (Siehe in diesem Zusammenhang zur Vorläufigkeit bestimmter Aufgaben und Tätigkeitsfelder auch These 3).

These 6: Social Media-Verantwortliche in Unternehmen und in Agenturen müssen lernen, die längst evidente Wirkung und Effizienz von Social Media noch stärker herauszustellen und zu nutzen.

Die Diskussionen um nötige und einheitliche Kennziffern, bessere Monitioring-Tools, und das Problem des „ROI bei Social Media“ verwässern den Blick aufs Wesentliche: Es geht nicht bei Social Media nicht – nur – um metrisch messbare Effekte, es geht um die Entwicklung von Beziehungsmanagement. Die öffentlichen Beeinflusser sind aber nicht mehr allein Fachjournalisten. Multiplikatoren in Wirtschaft und Politik und Prominente. Vielmehr geht es um ein massenhaft individuell wahrgenommenes Reputationsmanagement mit all den Nutzern da draußen, die mitunter auf dem bereitgestellten Kanal unabhängig Meinungen äußern.

Das bedeutet Aufwand, das hat auch Umstrukturierungen und neue interne als auch externe Kommunikations- und Abstimmungsprozesse zur Folge. Die Mühen, dies zu bewältigen, werden oft mit dem Argument gescheut, dass der Aufwand nicht lohne und zudem die Effekte von Social Media nicht genau zu messen seien.

Fakt ist: Der Nutzen ist längst herausgearbeitet und die Relevanz ist längst eveident – ein Viertel der Deutschen hat ein Facebook-Profil und unabhängig, welche Qualität die einzelnen Beiträge der Nutzer aufweisen, so ist doch zu konstatieren, dass ein nicht wegzudiskutierender Teil der Bevölkerung seit Jahr und Tag auf Social Media-Kanälen kommunikativ aktiv ist und Angebote und Performance erwartet. Und zwar Performance mit Gehalt. Daher stimmt auch die Feststellung, dass 350 gute „Freunde“, „Fans“ oder „Follower“ mehr wert sind als 30.000 Nutzer, die nur einmal im Rahmen einer iPad-Verlosung ein Social Media-Angebot wahrgenommen haben – und eben auch nur wegen der Aktion und des damit verbundenen Benefits.

Wenn dieser aber mit der eigentlichen Dienstleistung oder den Produkten des Betreibers eines Social Media-Angebots nichts zu tun hat, ist für niemanden ein nachhaltiger Mehrwert signalisiert oder realisiert, ein Wiederkommen nicht garantiert. Um den Standard der Nuller-Jahre „Content is king“ fortzuführen: „Dialog und Kundennutzen sind König(e)“ heißt die neue Leitlinie. Und da zählt Qualität deutlich mehr als Quantität.

These 7: Die großen Player und Marktanteile scheinen ausgemacht, tatsächlich ist aber im Internet nichts wirklich sicher. Einige relevante Stakeholder im Social Media-Business werden sich mittelfristig neu aufstellen, verschwinden und durch neue Anbieter ergänzt. Facebook muss als derzeitiger Platzhirsch langfristig nicht zwingend die wichtigste Rolle spielen.

Die Nutzungsintensität der derzeit erfolgreichsten Plattformen im Social Web lässt die Überlegung zunächst nicht zu: Wer anderes als Facebook soll den bitte schön den Takt vorgeben, wer sonst liefert die Vorlagen für Anwendungsszenarien und die Kommunikation „unter Freunden“? Wer genauer hinschaut, stellt fest, dass sich das kritische Bewusstsein in puncto Bündelung der Marktmacht, Umgang mit Nutzerdaten und Datenschutz sowie Plattformqualität durchaus auch außerhalb Europas entwickelt.

Die Nutzer sind nicht bereit, jedes noch so pfiffig wirkende Feature zur Vernetzung mit Freunden oder zur Protokollierung der eigenen (Lebens-)Aktivität mitzumachen, hier drohen Anbieter wie Facebook die Sache zu überreizen. Und auch die Professionalität und Verlässlichkeit darf angezweifelt sein; bei Facebook sind die durch die so genannten Insights bereitgestellten Nutzungsdaten zu Seiten bei weitem noch nicht auf dem Niveau angelangt, wie man es vom Instrumenten für Web-Statistiken gewohnt ist.

Die kurzfristige Änderung von Seitenlayouts hin zur neuen Timeline innerhalb von vier Wochen zeugt auch nicht davon, dass man mit Blick auf die Kunden mit dem nötigen zeitlichen Vorlauf agiert – das sorgt schon eher für Ablehnung. Es wird sich langfristig also das Angebot durchsetzen, dass die meiste Wertschöpfung nachweisbarer Weise realisieren hilft, dass sich als verlässlicher Partner präsentiert und nicht nur Machbarkeiten, sondern vielmehr Nutzererwartungen durchsetzt. Oder an diesen Punkten vorbei einen anderen Benefit massenhaft so vermitteln kann, dass die Nutzer mitmachen. Anders gefragt: Kennen Sie noch Alta Vista?

Abzuwarten bleibt zudem, welche Plattform die derzeit 900 Millionen Nutzer vorfinden, wenn Facebook an die Börse gegangen ist – der Monitarisierungsdruck einer Plattform, die dann deutlich dem Shareholder Value verpflichtet und einem steigenden Werbedruck ausgesetzt ist, könnte dafür sorgen, dass die Angebote aus Nutzersicht an mancher Stelle weniger spannend werden als gewohnt. Sorgt eine derartige Kommerzialisierung der Inhalte dafür, dass der Dialog nicht mehr so in den Mittelpunkt gesetzt wird, wäre das eine falsch verstandene Quadratur des Kreises von Social Media.

These 8: Unternehmenskommunikation wird kurzfristig die Grenze zwischen Individual- und institutioneller Kommunikation auflösen, Privates und Geschäftliches vermengen sich.

Längst nehmen Mitarbeiter auch in eher als konservativ wahrgenommenen Unternehmungen und öffentlichen Institutionen Kontakt mit ihrer Zielgruppe auf und benutzen dafür auch schon einmal das private Profil – schließlich weiß die Welt da draußen, dass sich hinter einem bestimmten Namen der Sparkassen-Berater verbirgt und dass er ansprechbar ist. Diese besondere Entwicklungslinie von post privacy – „bring your own profile“ ist zum einen die pragmatische Umgehensweise mit tatsächlich und trotz aller berechtigten Datensicherheits-Bedenken nicht mehr zeitgemäßen Richtlinien zum Einsatz von IT.

Wenn der Dienstherr es im Jahre 2012 nicht bewerkstelligt, die Rahmenbedingungen für dialogorientierte Kundenkommunikation zu schaffen, suchen Mitarbeiter nach eigenen Wegen. Viel weniger ist hierbei die Frage zu stellen, ob ein Unternehmen bereits aktiv Social Media-Plattformen bespielt – viel wichtiger ist die Klärung der Frage, ob zwischenzeitlich interne Vereinbarungen und Leitlinien definiert wurden, die die Mitarbeiter über Potenziale und Fallstricke von Social Media informieren und darüber hinaus deutlich machen, bis zu welchem kommunikatives Verhalten unter Einbeziehung persönlicher Zugänge oder privater Accounts/Profile für beide Seiten arbeitsrechtlich unbedenklich ist.

Mitarbeiter, die sich sicher und unterstützt wähnen, werden gerne zu kommunikativen Fürsprechern des eigenen Unternehmens und somit zu „first influencers“. Kundenseitig wird das mit dem Eindruck belohnt, es mit einem zeitgemäß agierenden Unternehmen zu tun zu haben. Unzufriedene Mitarbeiter können auf der anderen Seite für Kommunikationsverantwortliche eine Herausforderung werden – hier machen Richtlinien erst recht Sinn.

These 9: Social Media wird das präferierte Instrument sein, um Unternehmenskultur und interne Kommunikation zeitgemäß zu entwickeln.

Durch den hohen Anteil an Social Media-Nutzern in der Bevölkerung und damit auch in Bezug auf die eigene Belegschaft kann schon heute davon ausgegangen werden, dass bei einer nicht unerheblichen Anzahl an Mitarbeitern Social Media zum kommunikativen Alltag gehört und das hier erlernte Anwenderwissen für die Optimierung der internen Kommunikation genutzt werden kann.

Im Zuge interner Maßnahmen des Crowd Sourcings, Ideenmanagements oder der ganz „normalen“ Mitarbeiterinformation bieten sich eigene Kommunikations-Lösungen, die die Prozesse der Social Media-Kommunikation abbilden, als geeignete Instrumente an. „Social Intranet“ ist der Begriff hierfür und steht für einen diskursiven Austausch über dokumentlastige Intranets hinaus zu den alltäglichen Themen im Unternehmen, in Bezug auf Kundenmanagement oder Ideen- und Produktentwicklung.

Eigene Plattformen, die zwar wie z.B. Facebook aussehen und so funktionieren, aber auf eigenen Servern laufen, bieten die höchstmögliche Datensicherheit und Nachhaltigkeit – wer kann schon garantieren, dass die geheime Gruppe, in der Mitarbeiter zu einem Projekt auf einer gängigen Social Media-Plattform kommunizieren, morgen noch fortgeführt wird? Unabhängigkeit wird hier zu einem zentralen Faktor – ohne die gelernte Kommunikation im Social Web und ihre Vorteile können sich eigene Plattformen aber nicht etablieren und legitimieren sich quasi durch ihren Abtrag gegenüber den „großen“ Angeboten.

These 10: Die Politik wird auf den Feldern Bildung und Einbeziehung der Bürger ihre Gestaltungshoheit in dem Maße abgeben, in dem sie nicht begreift, dass soziale Medien eine neue Kulturtechnik darstellen, deren Vermittlung schon heute Priorität in Schule und Weiterbildung haben sollte.

Ereignisse wie Stuttgart21, das viel diskutierte Erstarken der Piraten-Partei und eine ganze Reihe von Social Media-Fails und -phänomenen (z.B. Thessas „Facebook-Party“, „Gefällt mir“-Unterstützung für den ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg, die verbale Lynch-Justiz im Falle der Emdener Kindstötung) hat so manchen kompetenten oder auch nicht kompetenten Politiker aus der ersten oder einer hinteren Reihe auf den Plan gerufen und sich kritisch zur so genannten „Netzgemeinde“ äußern lassen.

Das jüngste Vorgehen der aktuellen Bundes-Familienministerin Kristina Schröder, missliebige Twitterer dem BKA zu melden, zeigt das Problem des politischen Mainstreams: Man achtet die kommunikative Teilhabe der Menschen nicht sonderlich und spricht auch eigentlich dem Internet die Relevanz ab – im Moment einer „Störung“ wird aber über Gebühr ein politisch-ordnungsrechtliches Instrumentarium aufgefahren, um der Kritik Herr zu werden. Dies kommt stellenweise einer Entmündigung der Bürger gleich, die auf der gleichen gesetzlichen Basis zur Meinungsäußerung berechtigt sind wie Politiker.

Hier herrscht also akuter Weiterbildungsbedarf (auf oberster Ebene) – auch in der Richtung, dass vor allem die bildungspolitisch Verantwortlichen begreifen müssen, dass im elften Jahr des 21. Jahrhunderts Social Media und Web 2.0 faktisch längst eine etablierte Kulturtechnik der Generation unter 25 darstellen, die diese auch für die politische Willensbildung und Meinungsartikulation einsetzt. Entzieht sich die Politik der Beobachtung, dass Online-Dialog-Kommunikation ein zentrales und funktionierendes Instrument der Bürgerteilhabe sein kann, wird eine Abkehr von der Politik eine mögliche Folge sein – oder, wie aktuell, die Abwanderung in Richtung neuer politischer Kräfte erfolgen, deren Nachhaltigkeit und Expertise über das Thema Internet hinaus diskutiert werden kann.

Autoren:
Kai Heddergott & Tim Krischak

Nachtrag (28.4.2012): Nach einem anregenden Netzwerktreffen@diefirma in Wiesbaden und einem Gespräch mit Frank Hamm sollte eine ergänzende Basis-These nachgereicht werden, die streng genommen von Anfang an Teil der Liste hätte sein müssen – wir haben den Gedanken schlicht vergessen aufzunehmen:

Social Media ist ständiges ausprobieren: Social Media ist – einmal gestartet – ein kontinuierlicher, zyklischer Prozess, der immer wieder auf Tauglichkeit geprüft und gegebenenfalls angepasst werden muss. Social Media ist keine einmalige Angelegenheit.


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