Strategieratgeber: Weiterbildung gewinnbringend organisieren

In vielen KMU fehlt eine verantwortliche Person, die sich mit der Abstimmung von Mitarbeiter-Fähigkeiten und Unternehmensstrategie auseinandersetzt. Eine übergeordnete Steuerung des zukünftig unternehmenssichernden Wissens ist damit nur schwierig gewährleistet. Es droht eine Lücke zwischen Strategie und Mitarbeiterfähigkeiten. Wie begegnen KMU in der Schweiz diesem Problem?

Autor Oliver Müller
Datum 18.10.2012
Lesezeit 9 Minuten

In vielen KMU fehlt eine verantwortliche Person, die sich mit der Abstimmung von Mitarbeiter-Fähigkeiten und Unternehmensstrategie auseinandersetzt. Diese Funktion wird an die Linie delegiert, womit eine übergeordnete Steuerung des zukünftig unternehmenssichernden Wissens nur schwierig gewährleistet ist. Es droht eine Lücke zwischen Strategie und Mitarbeiterfähigkeiten. Wie begegnen KMU in der Schweiz diesem Problem?

Unter dem Begriff «Weiterbildung» werden unterschiedliche Lernformen verstanden. Als betriebliche Lehrmassnahmen gelten interne wie externe Seminare, Workshops und Fachtagungen sowie moderne Lernformen wie E-Learning und Blended Learning. Diese strukturierten Lernveranstaltungen werden allgemein als formelles Lernen bezeichnet. Informelles Lernen umfasst dagegen Learning by doing, Training on the Job, Google-Suchen im Internet, selbstorganisiertes Literaturstudium, Stellvertretungen und Jobrotation.

Nur schon diese kurze Aufzählung der verschiedenen Lernformen zeigt, dass eine übergeordnete Steuerung von Weiterbildung mit dem Ziel der erfolgreichen Umsetzung einer Unternehmensstrategie kein simples Vorhaben darstellt. Bedarfsermittlung, Inhalte, Kooperationen, Firmenkultur und Auswertungen als weitere Dimensionen erschweren die Aufgabenstellung.

Zahlen zur betrieblichen Weiterbildung in KMU

Die 2005 erschienene Studie «KMU und die Rolle der Weiterbildung» von Philipp Gonon, Professor für Berufsbildung an der Universität Zürich, beschreibt ausführlich die Situation der betrieblichen Weiterbildung in der Schweiz. Betrachten wir kurz die Ergebnisse dieser Studie.

Die Studie geht davon aus, dass in Grossunternehmen Organisationseinheiten bestehen, die sich dezidiert um Personalentwicklung kümmern. Untersucht wurden daher Schweizer Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitern. Dabei handelt es sich um 99,7% aller Schweizer Betriebe, die zusammengefasst 66,8% aller Arbeitsplätze stellen. Insgesamt sprechen wir von etwas mehr als 300’000 Unternehmen. Davon wurde eine Stichprobe von 1251 Firmen ausgewertet.

In nur 62% der Stichprobe hat in den letzten drei Jahren überhaupt eine Weiterbildung stattgefunden. EDV, Produktionstechniken, Marketing, Sprachen und Management sind dabei die Top-5-Themen. Sozialkompetenzen der Mitarbeiter zum Beispiel wurden nur von 7% als wichtig angesehen. Bei externen Schulungsangeboten führen Kurse die Rangliste an, während bei internen Veranstaltungen Schulung durch andere Mitarbeiter an erster Stelle steht.

Als Hauptgründe für die Investition in Weiterbildung gaben die befragten Unternehmen in erster Linie die Erhöhung der Fachkompetenz, neue Verfahren und technologischer Wandel an. Diese drei Gründe wurden zusammengefasst von fast 60% der Unternehmen genannt. Imagegründe, Sozialkompetenzen und Mitarbeitertreue bilden die Schlusslichter der Beweggründe. Die genannten Motive lassen den Schluss zu, dass Weiterbildung stark von Arbeitsabläufen und Anpassungsdruck geprägt ist.

Die Budget-Diskussion

Die bildungsabstinenten Firmen gaben als Ursache den kleinen Betrieb, fehlende Zeit und fehlende Notwendigkeit an. Finanzielle Gründe wurden nur von 12% als Hinderungsgrund genannt. Offenbar fehlt es also nicht an Geld, sondern vor allem an Personal und zeitlichen Ressourcen. In einem Interview mit der Handelszeitung vom 30. August 2012 stellt jedoch Andrea Schenker-Wicki, Prorektorin der Universität Zürich, fest, dass der Anteil der Selbstzahler an den Nachdiplom-Studiengängen zugenommen hat. Zwar werden nach wie vor über 80% der Teilnehmer von ihren Unternehmen finanziell und zeitlich unterstützt, der Beistand hat aber pro Teilnehmer abgenommen. Die im Artikel zitierten Unternehmen sehen jedoch von einer Kürzung der Weiterbildungsbudgets ab. Die Studie von Gonon stellt fest, dass sich 32% der Unternehmen in vollem Umfang finanziell an der Weiterbildung der Mitarbeiter beteiligen. Jedoch wird nur 23% der Weiterbildungswilligen die volle Zeit angerechnet.

Der Faktor Zeit spielt also in den Weiterbildungs-Überlegungen offensichtlich eine viel stärkere Rolle als Geld. Dies legt nahe, dass sich Unternehmen Gedanken machen sollten über neue Weiterbildungs-Modelle. Mögliche Formen der Kooperation zwischen Mitarbeiter und Firma stellen Bildungsverträge, Selbstlernangebote und Bildungsurlaube dar. So kann das zeitliche Engagement des Arbeitnehmers geregelt werden. Bildungsurlaube können frühzeitig geplant werden. Ebenso bieten Bildungsverträge die Möglichkeit, Abwesenheiten an einem späteren Zeitpunkt zu kompensieren, um so die nötige Zeit für die Weiterbildung abzufedern.

Um solche Kooperationen und Verträge effizient umzusetzen, lohnt es sich, Strategien zur Personalentwicklung und Weiterbildung einzuführen.

Weiterbildungsstrategien

Die befragten Unternehmen sehen Weiterbildung stark in Verbindung mit der Unternehmensstrategie. Auf die Frage, ob Weiterbildung die Marktchancen des Unternehmens positiv beeinflusst, antwortete der Durchschnitt mit «Trifft eher zu». Trotzdem verfügen nur 13% Prozent aller befragten Unternehmen über ein schriftlich festgelegtes Weiterbildungsprogramm.

In der 2006 durchgeführten Folgestudie «Best-Practice-Weiterbildung in KMU» identifizieren Gonon, Weil, Schläfli und Hotz vier Strategietypen, denen die untersuchten Firmen zugeordnet werden (Abb. 1). Die in der Studie 2005 statistisch erhobenen Grundtypen wurden 2006 anhand von Interviews in zwanzig systematisch ausgewählten Unternehmen qualitativ verfeinert. Es handelt sich bei allen Typen um anwendbare Strategien zur Organisation der Weiterbildung. Jedoch bestehen grosse Unterschiede in der Abstimmung zur Gesamtunternehmensstrategie.

  • Typ 1: Organisationsorientierte Strategie
    Dieser Typ orientiert sich an der Gesamtorganisation, Arbeits- und Produktionsabläufen. Können Weiterbildungsbedürfnisse antizipiert werden, plant man sie vorgängig. Die Strategie des Unternehmens beeinflusst die Weiterbildungsentscheide. Da die Weiterbildung jedoch sehr stark an die betrieblichen Abläufe angepasst werden muss, stellt Learning on the Job ein probates Mittel dar. Ebenfalls finden hier viele informelle Ad-hoc-Schulungen statt, wenn es für die Arbeitsabläufe kurzfristig nötig ist.
  • Typ 2: Defizit-ausgleichend, mitarbeiterorientierte Strategie
    Die geplanten Massnahmen erfolgen ohne ausreichende Abstimmung mit der Unternehmensstrategie. Schwächere Mitarbeiter werden gefördert und auf ein höheres Niveau gebracht. In diesen Unternehmen besteht oft ein Leitbild, das den Mitarbeiter stark ins Zentrum rückt. Seine persönliche Entwicklung hat zwar einen hohen Stellenwert, wird aber zu wenig mit den Zielen des Unternehmens koordiniert. Die Orientierung am Leitbild sorgt dafür, dass die Weiterbildungsmassnahmen eher langfristig geplant werden und auch allgemeine Themen in die Planung einfliessen.
  • Typ 3: Problem-lösend, bedarfsorientierte Strategie
    In diesen Unternehmen wird Weiterbildung aktiv und bewusst in die betriebliche Strategie einbezogen. Weiterbildung wird als Imageträger erkannt und bei Mitarbeitern wie Kunden als Qualitätsmerkmal der eigenen Unternehmung kommuniziert. In Absprache mit den Mitarbeitern werden die nötigen Weiterbildungsmassnahmen zur Lösung anstehender Probleme und als Reaktion auf Innovationen aufgesetzt. Dieser Typ kann als der «strategischste»
    der vier Typen bezeichnet werden.
  • Typ 4: Aufgaben- und kundenorientierte Strategie
    Der vierte Typ identifiziert wesentliche Weiterbildungsbedürfnisse für den gesamten Betrieb und ordnet die Massnahmen als Pflicht an. Hintergrund ist jeweils eine zu lösende Aufgabe oder Kundenanforderungen. Es werden gesamte Abteilungen oder Teams gleichzeitig geschult. Regulatorische Anforderungen oder Neueinführungen von Applikationen sind zum Bespiel Auslöser für diese Strategie.

Zeit einplanen und Verantwortung übernehmen

Zwei Punkte werden deutlich: Es fehlt oft an Zeit und klaren Verantwortlichkeiten. Die Auswertung nach Strategietypen verdeutlicht, dass eine in die Unternehmensstrategie integrierte Weiterbildungsplanung eher selten ist. Eine Digicomp Recherche zeigt, dass in 1500 Schweizer Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern nur gerade 110 dezidierte Personalentwickler tätig sind. Die Studie von Gonon aus dem Jahre 2005 geht ebenfalls davon aus, dass die Personalentwicklung in kleineren Unternehmen in der Personalabteilung oder der Geschäftsleitung verortet ist.

Eine Lösung dieser beiden Probleme kann über Kooperationen gefunden werden. KMU können sich Berufsverbänden, Grossunternehmen oder privaten Weiterbildungsinstitutionen anschliessen. Die Einpassung der Unternehmensstrategie wird mit einem flexiblen Weiterbildungsinstitut am optimalsten erreicht. Hier muss sich das KMU fragen, welche Weiterbildung für die Umsetzung der Strategie erfolgskritisch ist und mit welchem Partner diese Weiterbildung am effizientesten und kostengünstigsten realisiert werden kann. Auf jeden Fall muss eine Person im Unternehmen den klaren Auftrag haben, diese Analyse in die Hand zu nehmen.

Eine solche Kooperation bietet auch Digicomp. Unsere Beratung beinhaltet die gesamte Weiterbildungswertschöpfung: Strategieberatung, Kursportfolio-Zusammenstellung, Angebot an informellen Lernformen, Kommunikation an die Mitarbeiter, Administration der einzelnen Weiterbildungsmassnahmen, Durchführung von Assessmenttests sowie Auswertung der Resultate. Damit erhalten Sie eine auf Ihre strategischen Bedürfnisse angepasste Weiterbildung ohne grossen internen Zeitaufwand. Wir beraten Sie gerne auch über Vertragsformen für Ihre Mitarbeiter, mit denen Sie die notwendige Zeit für Weiterbildung für alle Beteiligten optimal organisieren.


Über den Autor

Oliver Müller

Seit Juni 2012 ist Oliver Müller für das Business Development bei Digicomp verantwortlich. Er führte in dieser Funktion die Geschäfte der Somexcloud seit dem Zusammenschluss mit Digicomp und verantwortete den Aufbau neuer Lehrgänge und Kurse in Digitalem Marketing und Social Selling. Als Scrum Master hat er für Digicomp das Framework auf Unternehmensweiterbildungen adaptiert und leitet nun agile Lernsprints in Firmen mit dem Ziel "Mastering Digital Change". Mit seiner eigenen Kommunikationsfirma «King Content GmbH» berät Unternehmen in der strategischen Verwendung von digitalem Content zur Leadgenerierung oder Marketing Automation. Privat verbringt er seine Zeit in den Bündner Bergen bei Skifahren, Tennisspielen und Wein trinken vor dem Kaminfeuer.