3 häufige Fehler bei der Interpretation von Google-Analytics-Kennzahlen

Time on Site, Bounce Rate, Pages per Visit: Das Tracking von Webseiten ist Standard. Aber interpretieren Sie die gängigstenen Google-Analytics-Kennzahlen auch richtig? Trainer Alex Kereszturi erklärt 3 typische Denkfehler.

Autor Alex Kereszturi
Datum 12.04.2022
Lesezeit 7 Minuten

Ich weiss ja nicht, ob Sie so Situationen auch kennen? Aber als sich meine Frau vor 4 Jahren ein neues Auto kaufen wollte und wir nach gespürt 7 Wochen endlich beim Garagisten vor einem wunderbaren Kleinwagen mit preiswerter Ausstattung standen, sah mich meine besser Hälfte mit einem komischen Blick an.

Ich versuchte fragend zu interpretieren: «Findest du den Verbrauch zu hoch? Ist dir das Auto zu teuer? Der CO2-Ausstoss zu viel? Oder willst du ein Radio mit Sprach-Erkennung?»

Sie entgegnete schlicht, das Auto sei nicht rot.

Damit Ihnen so etwas nicht mit den Zahlen in Ihren Google-Analytics-Reportings passiert, trage ich in diesem Blogbeitrag jene 3 Denkfehler zusammen, die mir bis heute am häufigsten begegnet sind.

1 Kennzahlen lieben Team-Work

Nun, die Situation im Autohaus hatte ich klar falsch interpretiert. Wenn wir an das berühmte halb leere bzw. gleichzeitig halb volle Glas denken, gibt es aber auch Situationen, in denen mehrere unterschiedliche Interpretationen nebeneinander Gültigkeit besitzen. So auch bei Google-Analytics-Kennzahlen.

So ist es z.B. mit der «Time on Site», also jener Anzahl von Minuten und Sekunden, welche die Besucher durchschnittlich auf einer Website verbringen:

Die Besucher verbringen wenig Zeit auf der Site, weil …

  • … sie sofort finden, was sie suchen.
  • … sie sofort überfordert sind und gehen.

Die Besucher verbringen viel Zeit auf der Site, weil …

  • … sie so interessiert an all den tollen Inhalten sind.
  • … sie nicht auf Anhieb finden, was sie suchen.

Alle vier Aussagen können an und für sich (alleine!) richtig sein. Im Gegensatz zum halb vollen oder halb leeren Glas, können aber nicht alle Aussagen gleichzeitig stimmen, oder?

Denkfehler 1: Wir versuchen isolierten Kennzahlen einen Sinn zu geben, statt das Gesamtbild aus allen verfügbaren Daten zu interpretieren.

Nur schon wenn man die Kennzahl der aufgerufenen Seiten pro Sitzung dazu nimmt, lassen sich wahrscheinlich zwei der vier Antworten oben streichen.

Bleiben wir doch grad etwas bei der Kennzahl «Pages per Visit» (Seiten pro Sitzung).

2 Kennzahlen-Interpretation hat definitiv mit technischem Verständnis zu tun

Welche Gründe fallen Ihnen spontan ein, beim Besuch einer Website ganz viele Seiten aufzurufen? Mir vier:

  1. Die gewünschte Information ist auf mehrere Seiten verteilt.
  2. Ich finde die Information nicht auf Anhieb und irre von Seite zu Seite.
  3. Die Navigations-Struktur der Site ist so gemacht, dass ich gar nicht anders kann.
  4. Ich kriege Geld dafür.

Wie finden wir den wirklichen Grund anhand von Kennzahlen in Google Analytics?

Ok, wir wissen bereits, dass wir mit einer isolierten Betrachtung der Kennzahl nicht weiter kommen. Wir müssten weitere Google-Analytics-Daten zu Rate ziehen. Aber auch wenn wir das täten, kann es sein, dass wir falsch interpretieren.

Worauf ich mit der Kennzahl «Pages per Visit» nämlich aufmerksam machen will, ist ein weiterer Denkfehler.

Denkfehler 2: Wir vergessen bei der Interpretation von Google-Analytics-Daten gerne die Technik im Hintergrund.

Was ich damit meine, versteht man auf Anhieb, wenn man schon einmal mit JavaScript-Daten asynchron in eine Website geladen hat. Aber gern vereinfacht:

Wenn eine Webseite Daten wie ähnliche Produkte, den Wetterbericht oder das nächste Bild einer Bildergalerie automatisch lädt, so dass nur ein Teil der Seite (z.B. der Wetterbericht von heute mit jenem von morgen) ausgetauscht wird und nicht die ganze Seite neu geladen wird, kann der User ganz viele Informationen erreichen, ohne mehrere Seiten aufrufen zu müssen.

Um es mit einem – bekanntlich hinkenden – Vergleich zu verbildlichen: Google Analytics würde bei Radios nur zählen, wie häufig Sie den Radio-Kanal wechseln, nicht aber welches Lied Sie wie viel mal hören.

3 Wissen wir eigentlich, warum wir interpretieren?

In einem Lied heisst es: «Heute hier, morgen dort. Bin kaum da, muss ich fort!»

Der zweite Satz beschreibt wunderbar, was man mit der sogenannten «Bounce-Rate» (Absprungrate) ausdrücken will: Wie viele Besucher verlassen Ihre Website gleich nach der Ankunft wieder?

Nennen wir jene Besucher, die lediglich eine einzige Page des gesamten Web-Auftritts besuchen und dann die Site wieder verlassen «A», und nennen wir jene, welche weiter surfen und mehrere Seiten aufrufen «B», dann ist die Bounce-Rate das Verhältnis von A zu B.

Eine Bounce-Rate von 50% sagt also, dass jeder zweite Besucher der Site wieder geht, ohne weitere Seiten aufzurufen.

Was brauchen wir, damit uns eine hohe Bounce-Rate nicht traurig macht?

Würde ich diese Frage in einem meiner Google-Analytics-Kurse stellen, gäbe es Teilnehmende, welche die Antwort von der Decke abzulesen versuchten, jene die in den Unterlagen blättern würden, um die Antwort bei Denkfehler 1 oder 2 zu finden und jene die noch daran herum denken würden, dass meine Frau mit dem Einwand bezüglich der Farbe des Autos eigentlich absolut recht hatte.

Wir brauchen den nächsten Denkfehler!

Denkfehler 3: Wir vergessen vor den Analysen von Google-Analytics-Kennzahlen zu definieren, was wir mit unserer Website eigentlich erreichen wollten.

Erstelle ich zum Beispiel eine Landingpage (also einen Webauftritt mit effektiv nur einer Seite) mit dem Ziel, dass die Besucher sich über einen bevorstehenden Event informieren und sich ganz unten auf der Seite für einen Newsletter eintragen, dann ist eine Bounce-Rate von 100% kein Wunder. Sie ist sogar wünschenswert!

Tipp: Wenn Sie von Anfang an SMART-Ziele definieren, haben Sie es hier viel viel viel leichter.

Zusammenfassung

  • Betrachten Sie Kennzahlen nur im Kontext mit (wenn möglich) allen anderen Daten.
  • Interpretieren Sie Daten erst, wenn Sie (technisch) verstehen, wie sie entstanden sind.
  • Analysieren Sie Daten mit einer sinnvollen Fragestellung, welche Sie im Voraus definiert haben.

Und fragen Sie andere, welche Farbe sie bei Autos mögen, bevor Sie ihnen eins schenken. 🙂

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Über den Autor

Alex Kereszturi

Alex Kereszturi ist Web Solution Developer der ersten Stunden, Trike-Fahrer und Hobby-Psychologe. Als einer der ersten «Webpulisher SIZ» und als «Adobe Certified Instructor» entwickelt er seit seinem 15. Lebensjahr Lösungen für das WWW, Mobilgeräte und andere Lebenslagen. Er ist seit bald 25 Jahren Kursleiter bei Digicomp, liebt das Sein in der Natur und setzt bei seinen Schulungen auf einen guten Mix aus Information, Praxisübungen und Unterhaltung. Als Inhaber und CEO führt er die Smilecom GmbH als ein kleines aber feines Software-Entwicklungs-Unternehmen und immer wieder ein turbulentes Familienleben mit drei Töchtern.