Reichweite durch Nähe? Gestern – heute – morgen

Organische Reichweite erzielen wird auf Facebook immer schwieriger. Wer zu Themen etwas zu sagen hat, die die Menschen betreffen und bewegen hat Vorteil.

Autor Elena Ibello
Datum 26.01.2018
Lesezeit 4 Minuten

Organische Reichweite auf Facebook tendiert definitiv gegen Null. Zumindest bis vor Kurzem gab es offensichtlich eine Ausnahme: Inhalte zu Themen, die die Menschen bewegen, weil sie sie selber betreffen.

Photo by William Iven on Unsplash
Reichweite auf Facebook erzielen wird immer schwieriger. Im Vorteil ist, wer zu Themen etwas zu sagen hat, die bewegen. (Photo by William Iven on Unsplash)

Ein Thema, das alle Menschen betrifft und viele bewegt scheint auf der Plattform Facebook hohe Reichweiten zu schaffen. Zumindest lässt meine Erfahrung mit der Facebook-Seite von «palliative zh+sh» darauf schliessen. Die Organisation palliative zh+sh setzt sich in ihrer Region für eine flächendeckende palliative Versorgung ein. Sprich: Sie will, dass alle Menschen an ihrem Lebensende adäquat betreut sind. Es geht also hier um Krankheit, Lebensqualität, Verletzlichkeit, Verlust. Es geht ums Sterben.

Überdurchschnittliche Reichweiten

Bis vor Kurzem war ja zu hören: Rund sechs Prozent organische Reichweite sind die Regel. Soll heissen: Wer 100 Facebook-Likes für seine Seite hat, erreicht mit einem ganz normalen Facebook-Post etwa sechs Personen. So hörten wir das auch im Lehrgang #smcm0417.

In den vergangenen rund vier Jahren war dieser Wert bei den allermeisten Posts, die palliative zh+sh auf seiner Seite veröffentlichte, um ein Vielfaches höher. Und zwar regelmässig zwischen 300 und 500 Prozent. Die Erklärung dafür ist vermutlich nicht ganz so simpel, weil im Hintergrund von Facebook Mechanismen mitspielen, die nur bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar sind. Trotzdem liegt der Schluss nahe, dass Geschichten von Menschen am Lebensende und ihren Begleiterinnen und Begleitern die Menschen bewegen. – Auch dazu, diese Geschichten weiterzuverbreiten und darauf zu reagieren. Das zeigen auch die erfolgreichen Blogs und Social-Media-Seiten von jungen Menschen, die von ihren Leben mit schwerer Krankheit erzählen (siehe dazu «Bloggen über Krebs» auf pallnetz.ch).

Je mehr Likes, desto tiefere Reichweite

Seit die Seite von palliative zh+sh mehr als 600 Likes hat, nimmt die Reichweite der Posts kontinuierlich ab. Das wiederum ist eine Entwicklung, die sich mit dem im #smcm0417 Gelernten deckt. Die meisten Posts erreichen nun nicht mehr 300 bis 500 Prozent der Likes auf organischem Weg, sondern meist irgendetwas zwischen 40 und 50 Prozent. Das ist aber immer noch signifikant besser als die «üblichen» 6 Prozent.

Natürlich soll das nun nicht heissen, dass alle, die «irgendwas mit Sterben» in ihren Postings bringen hohe Reichweiten erzielen. Der Kontext muss passen, die Organisation muss für das Thema kompetent sein. Für Social-Media-Auftritte gilt wohl ganz allgemein: Nichts gilt allgemein. Aber vielleicht heisst es, dass Organisationen und Unternehmen, die mit existenziellen Themen zu tun haben, auf Facebook mit verhältnismässig wenig Aufwand viel Aufmerksamkeit erhalten können. Dass sich für sie der Aufwand besonders lohnt.

Nicht heissen soll diese Erkenntnis auch, dass Tristesse auf Facebook gut ankommen würde. Authentische Geschichten enthalten bei aller Tragik immer etwas Positives oder Hoffnungsvolles. Auch Humor hat hier seinen Platz.

Um Aufmerksamkeit immer mehr kämpfen (bzw. zahlen)

Klar ist zudem: Mit solchen organischen Reichweiten ist in Zukunft grundsätzlich nicht mehr zu rechnen. Schon gar nicht, seit Mark Zuckerberg ganz offiziell verlauten lassen hat, dass Posts von Seiten von Unternehmen und Medien künftig viel weniger in den Newsfeeds landen werden (guter Artikel dazu in der «Süddeutschen»). «Unternehmen müssen begreifen, dass sämtliche organische Reichweite nur ein Geschenk ist», predigt allfacebook.de schon seit einiger Zeit.


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Elena Ibello