Wer braucht denn Chatbots?

Chatbots sind in der IT-Welt in aller Munde. Wozu können wir diese digitalen Assistenten brauchen, und machen sie uns gar arbeitslos?

Autor Rinon Belegu
Datum 20.09.2017
Lesezeit 6 Minuten

Chatbots sind nicht nur in der IT-Welt in aller Munde. Handelt es sich bei Chatbots um ein Modewort wie IoT (Internet Of Things) oder die langanhaltende «Cloud»-Welle? Verschaffen Sie sich in diesem Beitrag einen Überblick.

Warum brauchen wir Chatbots?

Seit Jahren gibt es in der IT Versuche, virtuelle Abbilder von Menschen zu kreieren. Meistens kleine Helferlein, die einem das Leben erleichtern sollen. Der erste grosse Held dieser Serie war für viele PC-Anwender eine kecke «Büroklammer».

Die nette Büroklammer konnte mit den Augen zwinkern und uns bei der Textverarbeitung unter die Arme greifen, egal ob frühmorgens oder spätabends. Öffnungs- oder Bürozeiten gab es keine und die Büroklammer ermüdete auch nie beim «Klopfen» auf unserem Bildschirm. Ihrer Flexibilität waren jedoch strikte Grenzen gesetzt.

Die Büroklammer wurde abgeschafft und viele trauerten ihr nach. Die Idee hinter den Chatbots ist es, dem Benutzer rund um die Uhr helfen zu können – und dies zu einem zahlbaren Preis. Wir nutzen Chatbots schon heute unbewusst in unseren Mobiltelefonen, indem wir ein SMS schreiben oder für uns einen Termin erfassen lassen. Wenn wir es erlauben, lesen Chatbots unsere Mails und geben uns Ratschläge oder Hinweise.

Wie helfen Chatbots meinem Business?

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Kino- oder sonstige Tickets heutzutage nicht online buchen und der Besuch am Schalter wäre unabdingbar. Dies wäre mit einem Zeitaufwand Ihrerseits verbunden und es setzt einen bedienten Schalter voraus, an dem Sie die Tickets beziehen könnten, idealerweise zu jeder erdenklichen Zeit.

Ein weiteres Beispiel: Sie kommen nach dem Besuch am Schalter oder nach der Arbeit spät nach Hause und hätten noch Fragen an Ihre Krankenkasse, ob die Rechnung, die im Briefkasten lag, nun gedeckt ist oder nicht. Doch leider hat die Hotline geschlossen und auf der Website werden Sie auch nicht fündig.

Hier könnte ein Chatbot helfen. Ein Versicherungsanbieter könnte einen Service zur Verfügung stellen, entweder per Texteingabe z.B. auf Basis des Facebook Messengers oder in Whatsapp, der für die Kunden rund um die Uhr erreichbar ist und ihnen hilft. Je «dynamischer» und intelligenter dieser Chatbot ist, umso besser fühlt sich der Kunde beraten und findet die Versicherung plötzlich viel besser, da ihm rund um die Uhr geholfen wird.

Allenfalls könnte der Chatbot ja noch auf eine nette Zusatzversicherung hinweisen, die die Kosten und Risiken besser decken würde.

Sie fragen sich wohl zurecht, warum denn nicht schon überall Chatbots im Einsatz sind.

Das erste Problem war die Entwicklung der «Intelligenz», die sehr aufwendig und teuer war. Denn nur ein extrem flexibler und einigermassen «intelligenter» Chatbot hilft dem Benutzer weiter. Die andere Herausforderung war, wie man die Ressourcen im Rechenzentrum skalieren kann, damit man dem Benutzeransturm standhalten kann und wie man Ressourcen skaliert, um den Chatbot überhaupt zum Laufen zu bringen.

Frameworks und Cloud leisten grosse Hilfe

Für das erste Problem haben wir jetzt von diversen Anbietern wie Amazon Web Services (AWS), Facebook, Google oder Microsoft (alphabetische Aufzählung) Frameworks zur Verfügung, die uns bereits eine Grundfunktionalität anbieten, auf der wir aufbauen können.

Das zweite Problem nimmt uns die Cloud ab, das heisst, wir können dank der Cloud die Ressourcen endlich «unlimitiert» skalieren. Meist gliedert sich das Framework des Cloud-Anbieters nahtlos in dessen Infrastruktur ein.

Machen uns die Chatbots arbeitslos?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Theoretisch ist denkbar, dass Bots in naher Zukunft einige Jobs in der Hotline vielleicht zufriedenstellend erledigen können. Persönlich sehe ich es jedoch weniger als Risiko oder Gefahr, sondern vielmehr als eine Chance und Möglichkeit: Ich kann mich als «Mensch» auf interessantere Aufgaben fokussieren, während sich der Chatbot der eher repetitiven Aufgaben annimmt.

Es gibt Aussagen, dass Chatbots in kurzer Zeit Versicherungsberater oder Bankfachkräfte ersetzen werden. Technisch gesehen ist dies vielleicht wirklich machbar, die Frage ist jedoch, inwieweit sich ein Bot in den Menschen, den er vor sich hat, hineinversetzen und sinnvoll mit ihm interagieren kann.

Der Mehrwert für das Business ist, dass man z.B. seine Frequently Asked Questions durch diese Bots in sehr naher Zukunft bewältigen kann, und zwar rund um die Uhr.

Machbar wäre allenfalls auch der Ersatz von Verkaufspersonal in Lebensmittelläden. Die Akzeptanz der Selbstbedienungskassen ist in den USA schon länger und in der Schweiz seit einigen Jahren gegeben.

Die wichtigste Frage der Transformation

Chatbots sind eine Ausprägung der digitalen Transformation, die uns umtreibt. Das «Problem» der ganzen Automatisierung und künstlichen Intelligenz usw. ist, was die Gesellschaft mit den Personen anstellt, die durch diese Maschinen ersetzt werden und vielleicht keiner anderen Beschäftigung nachgehen können.

Die nächste «Industrielle Revolution», ob man sie jetzt Industrie 4.0 oder wie auch immer nennt, wird von mir aus gesehen viel mehr «Opfer» fordern als die Förderbänder usw. in den Fabriken damals. Viele sehen der Transformation deshalb verhalten entgegen. Ich hingegen sehe darin eine Chance, viele neue und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, mehr zu erreichen und mich interessanteren Aufgaben annehmen zu können. In diesem Sinne: «Cortana, Windows herunterfahren.»


Über den Autor

Rinon Belegu

Bereits während seiner Ausbildung zum Informatiker Systemtechnik hat sich Rinon Belegu konsequent mit den neusten Technologien von Microsoft und VEEAM auseinandergesetzt und sich unter anderem als einer der ersten Personen in der Schweiz als MCSE 2012 Private Cloud zertifiziert. Seine Spezialität sind Virtualisierung und System Center, wobei er auch auf die Backup-Problematik stiess. Hier hat er bereits einige Projekte mit VEEAM umgesetzt. Sein umfangreiches Wissen gibt er heute einerseits in verschiedensten Kundenprojekten, andererseits als MCT (Microsoft), VMCT (Veeam) und als erster AWS Certified Instructor weiter.