Agiles Entscheiden als Erfolgsfaktor im unvorhersehbaren Umfeld

Es braucht eine neue, agile Kultur des Entscheidens, die zum Ziel hat, die Motivation für den Weg zu sichern und Ängste zu eliminieren.

Autor Suzanne Ruf
Datum 06.09.2017
Lesezeit 7 Minuten

Unternehmen stehen in der heutigen Zeit der Digitalisierung vor schwierigen Entscheidungen. Vor Entscheidungen in eine unsichere Zukunft hinaus. Wie agiles Entscheiden im unvorhersehbaren Umfeld Erfolg verspricht, lesen Sie anhand des folgenden Berichts aus Grönland.

Grönland, Sommer 2017, ein Traum wird wahr. Ich wandere den Arctic Circle Trail. Vor mir liegen 170 km Weg durch die Wildnis, fernab von Zivilisation und Mobile Connection. Auf meinem Rücken 23 kg Gepäck mit allem, was ich brauche, inklusive Nahrung für 11 Tage.

Diesem Moment sind viele Stunden der Planung, vor allem aber unzählige Entscheidungen, was ich mitnehmen will, vorangegangen.

Ob alles richtig war, wird sich nach dem Trekk zeigen. In diesem Moment stehe ich hier und bin absolut sicher, dass jede Entscheidung richtig war. Keine Zweifel hindern mich am Loswandern. Und das ist ein grossartiges Gefühl.

9 Minuten nehmen wir uns im Geschäftsleben durchschnittlich Zeit für eine Entscheidung.

Diesen Typ Entscheidungen kann ich rückblickend auch in meiner Planung einfach erkennen. Z.B. die Entscheidung, mich mit gefriergetrocknetem Trekkingfood zu ernähren. Ganze 11 Tage lang. 3-mal am Tag. Entschieden, abgehakt und erledigt. Wenn ich auf die Vorbereitungszeit zurückschaue, dann habe ich wohl fast jede Art der Entscheidungsfindung angewendet. Bewusst entschieden und manchmal auch aus dem Bauch heraus. Risiken abgewogen und Fakten bewertet, aber manchmal habe ich mich auch auf die Körperintelligenz verlassen.

Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidungslage einfach. Es ist Grönland: Es wird kalt sein, wir werden ohne Guide und fremde Hilfe zurechtkommen müssen. Also Beschränkung auf das Lebensnotwendige und Anpassung an die Kälte.

Die Fakten, die ich über den Trekk im Internet gefunden habe, waren ebenso umfangreich wie verwirrend. Was stimmte denn jetzt? Die Klimatabelle aus Dänemark oder die aus Wikipedia? Wie viele Schutzhütten liegen auf dem Weg? Drei oder acht? Wie wird der Untergrund sein? Trocken, sumpfig, schneebedeckt?

Also war ich gezwungen, Entscheidungen zu treffen, ohne sicher zu sein, wie es dann tatsächlich sein wird. Ich musste in die ungewisse Zukunft hinaus entscheiden.

Natürlich hätte ich auch die Option gehabt, nicht zu entscheiden. Doch da war mir die Konsequenz schnell klar. Wenn ich mich nicht entscheide, was in meinen Rucksack kommt, nehme ich jede Option mit und decke jede Eventualität ab – am liebsten doppelt gesichert. So kann ich den Rucksack (> 25 kg) nicht mehr tragen.

Oder ich hätte die Entscheidung auslagern können, im Internet gibt es fixfertige Packlisten. Dann hätte ich mir viele Stunden Vorbereitung sparen können. Doch, wäre ich dann mit dem gleichen Gefühl an den Start der Wanderung gegangen? Wohl kaum! Die Packliste vom Web wäre nicht auf meine persönlichen Bedürfnisse und meine Lebensumstände angepasst gewesen.

Was ist es also, das mich nun sicher macht, dass ich die nächsten 170 km das Richtige im Gepäck habe und die Wanderung nicht abrechen muss? Mit den kleinen Entscheidungen habe ich mich – oft mehr als die 9 Minuten – intensiv auseinandergesetzt. Fakten gesucht, gegeneinander abgewogen, für mich festgelegt, welcher Quelle ich vertrauen will.

Ich bin nicht davor zurückgeschreckt, Entscheidungen zu hinterfragen und neu zu treffen. So z.B. mit der Verpflegung. Zwei Wochen vor der Abreise habe ich das ganze Food-Dispositiv geändert. Weg vom Trekking-Food hin zu einer für mich stimmigen Nahrung. ‹Was brauche ich, um mich satt zu fühlen?› war die Leit-Frage, nicht mehr – ‹Wie viele kcal verbrenne ich am Tag?›

Es gab auch Momente, in denen ich mich verunsichern liess, weil mir alle meine Bekannten und Freunde noch einen guten Tipp mitgeben wollten oder weil ich einen neuen Reisebericht gefunden habe. So z.B. als ich den ersten Bericht las, der von 8 Hütten sprach. ‹Warum also soll ich noch ein Zelt mitnehmen›, war mein Gedanke, und ‹3 kg Gewicht gespart›. Doch sehr schnell, als ich die Risiken dazu abwog, war mir klar, dass dies keine Option ist. Die Konsequenz wäre, dass ich, falls die Hütte besetzt gewesen wäre, im Freien hätte schlafen müssen, egal bei welchem Wetter und bei welcher Temperatur.

Also war das Durchdenken der Konsequenzen des Handelns ein weiterer Erfolgsfaktor für meine Entscheidungen. Und schliesslich habe ich wirklich bei jeder Entscheidung nochmal mit mir gegengeprüft, ob da noch irgendwelche Zweifel im Hirn herumspuken, und diese bearbeitet, bis sie ruhig waren.

Unternehmungen in der heutigen Zeit der Digitalisierung stehen vor der gleichen Entscheidungslage. Sie müssen in eine unsichere Zukunft hinaus entscheiden. Es gibt viele Expertenmeinungen, das ist klar. Doch welche ist für die Unternehmung die Verlässlichste?

Es wäre am einfachsten, gar nicht zu entscheiden und schlicht zuzuwarten, bis die Fakten klarer sind. Doch was wäre die Konsequenz? Die Digitalisierung passiert dann ohne die Unternehmung, rauscht an der Unternehmung und ihren Mitarbeitenden vorbei. Es gibt so keine Gestaltungsmöglichkeiten, sondern nur ein Leben mit den Konsequenzen von aussen.

Auch hier könnten die Entscheidungen ausgelagert werden, dafür gibt es ja die Experten, dann wäre die Schuldfrage wenigstens geklärt, falls es schief läuft.

Fazit

Es braucht eine neue Kultur des Entscheidens, gerade in den Organisationen. Weg von den in Stein gemeisselten Entscheidungen mit dem Anspruch, die einzig richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Hin zu einer agilen Entscheidungsfreude, die vor allem eines zum Ziel hat: die Motivation für den Weg zu sichern und die Ängste zu eliminieren.

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In unseren Kursen werden Sie fit für die vielfältigen Führungsaufgaben in der Digitalisierung. Sie finden bei Digicomp Seminare für Einsteiger, in denen Sie die Grundlagen der Mitarbeiterführung erlernen und auch Seminare für spezielle Situationen – wie z.B. zum Thema Change Management oder Führung im agilen Projektumfeld.

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Über den Autor

Suzanne Ruf

Suzanne Ruf begleitet seit vielen Jahren und mit grossem Erfolg Menschen und Organisationen in Veränderungen. Sie ist Motivationscoach, Organisationsentwicklerin und erfahrene Trainerin. Mit ihrer breaksru gmbh unterstützt sie KMU in deren kontinuierlicher und nachhaltiger Weiterentwicklung. Dabei verliert sie nie aus den Augen, welche Auswirkungen die geplanten Veränderungen für die betroffenen Menschen haben. Die Verknüpfung der menschlichen Ebene mit den organisatorischen Fakten sind ihr Erfolgsrezept.