Social Commerce: Nur keine Hemmungen!

Autor Ricardo Schranz
Datum 29.09.2016
Lesezeit 4 Minuten

Kleider machen Leute. Wirklich viel habe ich mir aus diesem Satz nie gemacht. Jahrelang deckte ich meinen Bedarf an verarbeiteten Textilien vornehmlich bei den einschlägigen Retailern. Die zur Auswahl angebotenen Kleidungsstücke lagen bei diesen Anbietern einigermassen im Trend, die Qualität war soweit in Ordnung, der Preis gerechtfertigt.

Irgendwann kam es jedoch zum Schlüsselerlebnis. Es war die Zeit der gemusterten Hemden. Damals ganz okay, doch aus heutiger Sicht wirklich schrecklich. Stil der 90er Jahre eben. Jedenfalls waren die Läden mit dem französischen „Und“ im Namen voll davon. Auch ich deckte mich regelmässig damit ein.

Und es kam wie es kommen musste: Ein Incentive Event mit einem Lieferanten war angesagt. Viele unserer Kunden, aber auch unsere Mitbewerber waren anwesend. Ich trug bei Anreise eines der besagten gemusterten Hemden und wie ich bei Besammlung am Treffpunkt feststellen musste, war ich damit nicht alleine! Wow. Im Boden hätte ich versinken wollen. Erst am späten Abend wird es wieder Gelegenheit dazu geben, mich umzuziehen. Einen ganzen Tag soll ich mich nun also mit dem selben Outfit wie ein anderer Teilnehmer unserer Gruppe zeigen. Und zumindest der andere Teilnehmer des Events wusste haargenau, wo ich das besagte Hemd erworben habe.

Für mich habe ich gleichentags den Entschluss gefasst, bei der Wahl meiner Kleiderläden fortan selektiver vorzugehen. Keine national oder gar international operierenden Ketten mehr. Und wenn doch, dann lediglich Retailer, welche sich bloss im Ausland niedergelassen haben. Ich kaufte meine Kleider seither ausschliesslich bei unbekannten Läden oder – wenn immer sich die Gelegenheit bot – irgendwo im Ausland.

Heute habe ich dank e-commerce ganz andere Möglichkeiten. Meine Polo Shirts kommen entweder direkt von meinem bevorzugten Hersteller oder ich stöbere bei Amazon USA, was für die meisten Konsumenten in der Schweiz wegen den vergleichsweise hohen Lieferkosten doch eher ein No-Go darstellt. Fakt ist aber, dass mich das erwähnte Ereignis doch einigermassen traumatisiert hat.

Nun sind wir im Zeitalter von Social Media angekommen. Schon vor ein paar Jahren habe ich dabei Gefallen an den Möglichkeiten gefunden, welche die neuen Technologien mit sich bringen. Besonders beeindruckt war ich von der Vision, dass ich dereinst einen Film oder eine Show am Fernseher betrachten kann, während ich mir die ergänzenden Informationen dazu auf dem Second Screen – gemeint ist das Tablet – betrachten kann. Ich werde mir zum Beispiel anschauen können, wo das karierte Jackett des Moderators bestellbar ist! Und damit nicht genug. Diese Experience darf ich auch gleich mit meinen Freunden teilen!

Ganz beeindruckend wird dies Video zum GOAB Project von SYZYGY dargestellt:

GOAB. A TV Experience Concept from SYZYGY Deutschland GmbH on Vimeo.

Willkommen in der schönen neuen Welt von Social Commerce! Empfehlungsmarketing heisst das Zauberwort. Es kann zwar durchaus hilfreich sein, wenn ich erfahre, mit welchen Produkten meine Freunde gute Erfahrungen gemacht haben. Doch gerade wegen der geschilderten Erfahrung – und damit werde ich bestimmt nicht alleine sein – stösst die Entwicklung mit all ihren wunderschönen Möglichkeiten eben doch an ihre Grenzen. Zugegeben, Social Commerce kann natürlich in dieser Hinsicht auch ganz hilfreich sein, sehe ich doch bereits im Vorfeld, wer aus meinem Freundeskreis das gute Stück auch schon gesehen oder gar erworben hat. In der Folge lasse ich es dann eben bleiben. Doch ob das wirklich im Sinne des Erfinders ist?


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Ricardo Schranz