Digitale Transformation: entscheidend für die Zukunft jedes Unternehmens

162 Unternehmen wurden im Rahmen des «Digital Transformation Report 2015» befragt. Bramwell Kaltenrieder präsentiert erste Insights daraus in seinem Beitrag.

Autor Bramwell Kaltenrieder
Datum 28.05.2015
Lesezeit 7 Minuten

Unternehmen aller Branchen stehen vor der Herausforderung, sich strategisch an die neue digitale Realität anzupassen und zu diesem Zweck Strategie, Geschäftsmodell und Kultur des Unternehmens zu überprüfen. Unterlässt eine Organisation diesen wichtigen Schritt, verliert sie ihre Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit.

Internet und Mobile haben unsere Kommunikation, unser Kaufverhalten, unsere Mediennutzung, ja unser Leben verändert. Dieser «digitalen Realität» können sich Unternehmen nicht mehr entziehen.

Firmen stehen heute anspruchsvolleren Kunden gegenüber denn je: Sie erwarten ganz selbstverständlich, dass Produkte, Dienstleistungen und Marken im digitalen Zeitalter jederzeit und über verschiedene Kommunikations- und Vertriebskanäle verfügbar sind. Das veränderte Feedback-Verhalten tadelt unpassende Werbung, langsame Reaktionen auf Anfragen oder wenig transparente Konditionen rasch und mit aller Deutlichkeit – sichtbar für die Community.

Das Rad dreht immer schneller

Wir übernehmen neue Technologien und Medien immer schneller. Während das Radio in der Schweiz 25 Jahre brauchte, bis es 1 Million Hörer erreichte, verfügte das Fernsehen bereits nach 15 Jahren über diese Reichweite. Das Smartphone nach 4 Jahren, Facebook nach 2. Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Kunden werden «Digital Natives» sein – Personen also, für die der Umgang mit digitalen Produkten und Dienstleistungen eine Selbstverständlichkeit ist.

Beschleunigt durch die rasante technologische Entwicklung werden dadurch Marktstrukturen, insbesondere auch in traditionellen Branchen, radikal umgekrempelt.

Digitale Reife zahlt sich aus

Mit dem gezielten, individuell ausgeprägten Einsatz digitaler Technologien lassen sich Effizienz- und Effektivitätspotenziale entlang der ganzen Wertschöpfungskette eines Unternehmens erschliessen. In der kundenorientierten Marketing-Kommunikation steigern digitale Kampagnen, Präsenzen und Tools die Reichweite, Kundenanfragen und -zufriedenheit. Kollaborationsplattformen erhöhen die Produktivität und Partizipation in der Mitarbeiter- und Partner-Kommunikation. Stärkere Vernetzung – zum Beispiel mittels «Internet Of Things» – beschleunigen interne Produktionsprozesse.

Eine Studie der MIT Sloan zeigt, dass digital reife Unternehmen ihre Branchenkollegen im Umsatz (+9%) und im Profit (+26%) deutlich übertreffen.

Für die Erzielung dieser kompetitiven Vorteile ist die digitale Unterstützung von Kernprozessen und funktionalen Teilstrategien jedoch nur noch bedingt ausreichend: Es gilt, für Produkte und Dienstleistungen neue Begleitangebote zu schaffen und damit die Relevanz gegenüber dem Kunden zu steigern. Im Banking zum Beispiel bieten führende Anbieter heute neben bekannten E-Banking-Funktionen auch bequeme persönliche Finanz- und Zahlungsassistenten an, stiften dabei zusätzlichen Nutzen und steigern so die Kundenbindung. Innovative Werkzeugmaschinen-Hersteller stellen ihren Abnehmern Tablet-basierte Tools als differenzierendes Angebot zur Verfügung, die von Vertriebsmitarbeitern im Kundenkontakt bei der Definition und Kalkulation neuer Produktionsaufträge eingesetzt werden und damit die Effizienz und Geschwindigkeit verbessern.

Ob Online-Direktvertrieb für Konsumgüterhersteller oder dynamische Ertrags- und Preismodelle für Transportunternehmen: Sämtliche Dimensionen des Geschäftsmodells sind hinsichtlich Wachstums- und Ertragssteigerungspotenziale digitaler Optionen zu prüfen.

Intensivierung des Wettbewerbs

Die zunehmende Markttransparenz durch sekundenschnelle Vergleichbarkeit von Angeboten zu Hause, beim Shopping am Verkaufspunkt oder im Office stärkt die Einkaufskraft der Kunden und bringt die Anbieter unter Druck.

Damit nicht genug: branchenfremde Technologiefirmen schaffen es, in angestammte Tätigkeitsfelder traditioneller Industrien einzutreten und so ganz im Sinne von «Porters Five Forces» den Wettbewerbsdruck zusätzlich zu steigern.

Der Markteintritt von WhatsApp in der Schweiz zum Beispiel hat den SMS-Umsatz von Swisscom bereits im ersten Jahr um rund 10 Millionen Franken reduziert, notabene ohne einen einzigen lokalen Mitarbeiter. Die Einführung intelligenter Uhren wie Apples iWatch wird zunehmend Kundensegmente klassischer Uhrenanbieter ansprechen. Digitale Versicherungsbroker wie das Schweizer Startup Knip bedrängen klassische Vertriebsstrukturen der Assekuranz.

Digitaler Wandel braucht Führung

Das skizzierte Ausmass der Veränderungen macht deutlich, dass die Bewältigung dieser strategischen Herausforderung und die Nutzung der sich bietenden Chancen von Top-Management und Verwaltungsrat geführt werden müssen. Auch wenn die IT bei der Transformation des Unternehmens eine wichtige Rolle spielt, kann die entsprechende Verantwortung kaum dem CIO übertragen werden.

Vielmehr muss der Megatrend und Game-Changer Digitalisierung in den kommenden Jahren fixer Punkt auf der Agenda der strategischen Planung sein.

Beunruhigend ist, dass gemäss verschiedener Studien Führungskräfte die Dringlichkeit des Themas zwar erkannt haben, aber nur sehr zögerlich handeln: Nicht einmal die Hälfte der Unternehmen haben einen strategischen Plan, wie mit der Digitalisierung umzugehen ist. Ein Grossteil der Mitarbeiter erachtet die Geschwindigkeit der internen Transformation denn auch als zu langsam.

Eine Ursache dafür kann gemäss McKinsey die fehlende Digital-Kompetenz in den obersten Führungsgremien sein. Die aktuelle Studie «Digital Transformation Report 2015» der Universität St. Gallen und Crosswalk, der knapp 200 Befragungen aus 162 Unternehmen zugrunde liegen, zeigt zudem eine grosse Wahrnehmungsdifferenz in den digitalen Fähigkeiten des Unternehmens: Umfrage-Teilnehmer aller Branchen, die eine Geschäftsleitungsposition inne haben, stufen ihr Unternehmen deutlich höher ein als Mitarbeiter anderer Hierarchiestufen.

Regelmässige Standortbestimmung zwingend

Die hohe Dynamik des Marktumfelds erfordert eine regelmässige Überprüfung der eigenen Position im digitalen Wettbewerb. Das in Unternehmen unterschiedliche Verständnis hinsichtlich nötiger Fähigkeiten und erreichter digitaler Reife machen das Navigieren für Führungskräfte jedoch sehr anspruchsvoll.

Vor diesem Hintergrund hat das Strategieberatungsunternehmen Crosswalk gemeinsam mit der Universität St. Gallen und einem Expertenpanel ein Instrument entwickelt, mit dem das Management die Digitalisierung des Unternehmens anstossen, steuern und regelmässig überprüfen kann.

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Neun Dimensionen sind entscheidend für die digitale Reife (Quelle: Uni SG / Crosswalk)

Das «Digital Maturity Model», dem das St. Galler Business Engineering Framework zugrunde liegt, erfasst die nötigen Fähigkeiten gesamtheitlich: Mit einem praxisorientierten Fragekatalog und Referenzdaten aus der erwähnten Befragung lässt sich eine umfassende, fundierte und neutrale Standortbestimmung gegenüber Best Practice und der eigenen Branche vornehmen. Mit dem «Digital Maturity Check PLUS» bietet Crosswalk ein Beratungspaket an, das auf dem «Digital Maturity Model» fusst und dem Management Orientierungspunkte sowie Handlungsfelder auf dem Weg zum digitalen Unternehmen liefert.

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Strategische Standortbestimmung: Wie ist die digitale Reife meines Unternehmens? (Quelle: Crosswalk)

Über den Autor

Bramwell Kaltenrieder

Bramwell Kaltenrieder ist seit über 20 Jahren im Digital Business tätig. Als Managing Partner des Strategieberatungsunternehmens Crosswalk unterstützt er heute das Management dabei, ihr Unternehmen im digitalen Zeitalter richtig aufzustellen und neue Wachstumschancen zu nutzen. Zuvor leitete er als Managing Director die führende Digitalagentur Goldbach Interactive und war Konzernleitungsmitglied der Goldbach Group. Ausbildung: Informatik-Studium, Zusatzstudien in Unternehmensführung, Kommunikation und Innovations-Management (u.a. MIT Sloan).